Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 07/2012

Der peruanische Revolutionär Hugo Blanco

von Gert Eisenbürger

Der Mann ist eine lebende Legende. Diese bei einem Menschen mit einem beeindruckenden Lebenswerk gern genutzte Floskel geht jedoch am Kern dessen vorbei, was Hugo Blanco, geboren 1934, auszeichnet.

Sicher gibt es über ihn vieles zu berichten, was die Bezeichnung «legendär» rechtfertigt. Etwa, dass er einer der letzten Überlebenden der lateinamerikanischen Guerilla der 60er Jahre ist – seine Gruppe unterschied sich jedoch grundlegend von den meisten anderen. Diese waren dadurch gekennzeichnet, dass Angehörige der städtischen Mittelschichten – vor allem Studenten – entschieden, bewaffnet in die Berge oder Wälder zu gehen und mit einer kleinen, entschlossenen Gruppe von Kämpfenden einen revolutionären Fokus aufzubauen, nämlich durch «bewaffnete Propaganda». Militärische Erfolge der Guerilleros gegen die Repressionskräfte sollten also die ländlichen Massen von der Revolution überzeugen und sie dazu bringen, die Guerilla zu unterstützen.

Das Problem dabei war, dass die Bauern und Bäuerinnen nicht gefragt wurden, ob sie den (revolutionären) Krieg wollten, und ebenso wenig, wie sie sich die Revolution vorstellten. Auch Hugo Blanco kam aus einem städtisch-universitären Hintergrund, hatte in Peru und Argentinien Landwirtschaft studiert und sich einer trotzkistischen Gruppe angeschlossen. Nach der Rückkehr in seine Heimatregion Cuzco im Jahr 1958 arbeitete er in der Landwirtschaft und integrierte sich in die bäuerliche Bewegung. Die kämpfte damals gegen das Haziendasystem, das die Campesinos zwang, unentgeltlich auf den Feldern der Großgrundbesitzer zu arbeiten. Ihr «Lohn» bestand darin, dass sie ein Stück Land für den Eigenbedarf bebauen durften.

Die Federación Provincial de Campesinos de La Convención y Lares (FEPCACYL), in der Hugo Blanco damals aktiv war, organisierte einen Streik gegen dieses System. Die Campesinos bearbeiteten weiter Land für ihre Eigenversorgung, leisteten aber keine Fronarbeit mehr auf den Feldern der Großgrundbesitzer. Nach neun Monaten Streik erklärten sie sich schließlich zu Eigentümern der von ihnen bearbeiteten Parzellen – eine echte Agrarreform von unten. Dagegen mobilisierten die Großgrundbesitzer Polizei und Militär, die die Bauernfamilien von den Parzellen vertreiben sollten. Auf Versammlungen entschieden die Campesinos, bewaffnete Selbstverteidigungsmilizen aufzustellen, um sich gegen die Vertreibungen zu wehren. Mit der Organisation dieser Guerilla wurde Hugo Blanco betraut.

Die Guerilla war zwar sozial verankert, militärisch agierte sie aber ähnlich erfolglos wie die meisten anderen bewaffneten Gruppen jener Zeit. Nach wenigen Scharmützeln wurde sie 1963 vom Militär aufgerieben, die Überlebenden verhaftet. Die peruanischen Eliten wollten die Guerilleros in einem Schauprozess zum Tode verurteilen und hinrichten lassen. Um dies zu verhindern, organisierte die trotzkistische IV.Internationale eine Solidaritätskampagne, an der sich zahlreiche prominente Intellektuelle, allen voran Jean-Paul Sartre, beteiligten. Die große nationale und internationale Aufmerksamkeit bewirkte, dass keine Todesurteile ausgesprochen wurden.

Blanco wurde 1967 zu 25 Jahren Haft verurteilt, seine Genossen zu kürzeren Gefängnisstrafen. 1970 kam er durch eine Amnestie frei. Weil er aber das Angebot der linksnationalistischen Militärregierung von Juan Velasco Alvarado, an deren Agrarreform mitzuarbeiten, ablehnte, wurde er 1971 des Landes verwiesen und ging ins Exil nach Mexiko und Chile. Der Putsch Pinochets zwang ihn erneut zur Flucht, die ihn schließlich nach Schweden führte.

Nach seiner Rückkehr nach Peru wurde er 1978 für das Linksbündnis FOCEP [Frente Obrero Campesino Estudiantil y Popular] in die Verfassunggebende Versammlung gewählt. In den folgenden drei Jahrzehnten war er unter anderem Abgeordneter, Senator, Generalsekretär der Nationalen Bauernföderation CCP und vor allem immer dabei, wenn es auf dem Land soziale Kämpfe gab. Er wurde mehrfach verhaftet und gefoltert. Todesdrohungen von Militärs und der stalinistischen Guerillagruppe Sendero Luminoso zwangen ihn zwischenzeitlich erneut ins Exil. Inzwischen gibt er 78-jährig in Cuzco die Zeitschrift Lucha Indígena heraus.

Von all dem berichtet das Buch «Wir Indios», das Texte Hugo Blancos aus den Jahren 1969 bis 2010 vereint. Es ist gleichwohl keine Autobiografie, sondern ein Buch über die Kämpfe der peruanischen Bauern und Bäuerinnen für Land, Freiheit, die Bewahrung ihrer Lebensgrundlagen und ihrer Kultur – Kämpfe, die das Leben Blancos seit den späten 50er Jahren bestimmt haben. Gewollt oder ungewollt ist Wir Indios das Selbstporträt eines sympathischen Revolutionärs, der nie aufgehört hat, für eine bessere Welt zu kämpfen.

aus: ila, Nr.356, Juni 2012.

Hugo Blanco: Wir Indios. Der Kampf gegen rassistische Unterdrückung und die Zerstörung ihrer Umwelt. Karlsruhe: Neuer ISP-Verlag, 2011, 175 S., 19,80 Euro

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