Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2013

Hrsg. Bernhard Degen u.a., Zürich: Chronos, 2012. 232 S., 26 Euro
von Sabine Hunziker

Robert Grimm nimmt in der Geschichte der Arbeitskämpfe in der Schweiz eine besondere Rolle ein: Anfang des letzten Jahrhunderts führte er den Landesgeneralstreik an und wenig später machte er mit einem breiten Bündnis zur Landesverteidigung gegen den Nationalsozialismus sozialistische Ideen regierungstauglich.
In der Schweiz wird oft der Konsens zwischen den Klassen in Form des Arbeitsfriedens gesucht, die Streikstatistik stieg nur Anfang des letzten Jahrhunderts in die Höhe, später sank sie wieder aufgrund verschärfter gesetzlicher Bestimmungen. Ein erster Höhepunkt war der 24-stündige Generalstreik in Zürich im Juli 1912, der zunächst aus den Forderungen einzelner Berufsgruppen nach einer Arbeitszeitverkürzung hervorging und später, angesichts der darauffolgenden Repression durch die Behörden und Arbeitgeber, zu einer Solidarisierung und generellen Arbeitsniederlegung führte.
Der frühere Sekretär des Arbeiterbunds Basel und Verbands der Handels- und Transportarbeiter, Robert Grimm (1881–1958), war nicht direkt an den Vorbereitungen des Generalstreiks beteiligt. Seine Schriften von 1906 mit grundsätzlichen Überlegungen hat die Diskussion im Vorfeld jedoch geradezu herausgefordert.
Nach unterschiedlichen Tätigkeiten arbeitete Grimm bei der sozialdemokratischen Tageszeitung Berner Tagwacht und nahm verschiedene Führungsämter in der Sozialdemokratischen Partei wahr. 1918 organisierte er als führende Figur des Oltener Aktionskomitee die Streikleitung des Landesgeneralstreiks, eine Protestaktion gegen die wirtschaftliche Verschlechterung der Lage der Arbeiter, nach der Grimm von einem Militärgericht zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde.
Beim Kriegsausbruch 1914 lud die Gruppe um Robert Grimm Delegierte der sozialistischen Bewegung, darunter Lenin und Trotzki, ins Dörfchen Zimmerwald bei Bern ein, um gemeinsame Perspektiven und Ansätze für eine weitere politische Arbeit zu finden. Der erhoffte ideologische Zusammenschluss war jedoch nicht möglich. Nach der Weltwirtschaftskrise und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs passte Robert Grimm seine Ziele verstärkt den neuen Bedingungen an und richtete sie auf die Verteidigung der bürgerlichen Demokratie und den Kampf gegen den Faschismus – bspw. in Form des bewaffneten Grenzschutzes. Infolge dieser Annäherung an die politische Mitte wurden Grimm und ein Parteikollege 1938 als erste Sozialdemokraten in die Berner Kantonsregierung gewählt.
In der Nachkriegszeit gingen die gemäßigten Sozialdemokraten und Gewerkschaftler in die Regierung, während die radikalen Kräfte zunehmend der Repression ausgesetzt waren. Robert Grimm gab ab 1955 seine öffentlichen Ämter ab, um abermals seinen Grundforderungen für eine Gemeinwirtschaft Ausdruck zu verleihen und aus seiner Sicht die Rolle der USA in der Zeit des Kalten Krieges darzulegen: Der Marshall-Plan verfolgte nämlich, neben der unbestreitbaren humanitären Hilfe, das Ziel, Gelder profitbringend in Europa anzulegen und den Kampf gegen den Kommunismus international auszuweiten
Der Anfang des 20..Jahrhunderts war geprägt von der Ablösung der alten Industriegesellschaft durch die moderne Massenkultur, vom apokalyptischen Feuer um den Ersten Weltkrieg, den neuen Technologien und einem Wissen, das eine unbegrenzte Zukunft versprach. Diese Widersprüche finden sich auch in der Biographie Grimms wieder: Man kann sich nicht entscheiden, ob seine Verdienste eher in der Figur des Revolutionärs oder in der des Staatsmanns zu finden sind. Auch heute ist ein Rückschau und kritische Auseinandersetzung mit jemandem wie Robert Grimm unerlässlich, um über mögliche Alternativen nachdenken zu können.

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