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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2014

Garantieverzinsung soll gesenkt werden

von Paul B. Kleiser

Aus gutem Grund stellt in Deutschland die Lebensversicherung seit über hundert Jahren die wichtigste Form der privaten Altersvorsorge dar. Denn aufgrund der starken staatlichen Regulierung – vorgeschriebene Mindestverzinsung und zahlreiche weitere Vorschriften über die Geldanlage der Institute, die dieses Finanzprodukt anbieten – handelt es sich bei der Lebensversicherung um eine für die Kunden einfache und sichere Anlage mit (bei besseren Instituten) guter Rendite. Zur Zeit haben die Deutschen insgesamt etwa 870 Mrd. Euro in dieser Form angelegt.Allerdings gab es schon immer erhebliche Unterschiede zwischen den Instituen: Bei einer Einzahlung von 100 Euro im Monat über 30 Jahre lang lag (laut map-report) im Jahr 2011 die durchschnittliche Auszahlung bei etwa 85000 Euro (was einer Rendite von 5,2% gleichkommt), während die als Versicherungsvereine (Genossenschaften) geführten Spitzenreiter (Debeka, Neue Leben) bei deutlich über 100000 Euro rangierten (Rendite: über 6%). Teile der Presse und der «Experten» betreiben seit Jahren eine heftige Agitation, die zögerlichen und «risikoscheuen» deutschen «Anleger» nach US-amerikanischem Vorbild in die Aktienmärkte zu drängen. Auch einige «Verbraucherschutzorganisationen» spielen hier eine unrühmliche Rolle. Wer heute Geld in Aktien anlegt, wird – wie 2001/2002 – beim demnächst zu erwartenden Crash einen Teil seines Geldes verlieren.

In einer Reihe von Punkten sollen im kommenden Jahr laut einem Referentenentwurf der Bundesregierung, der ein breites Medienecho gefunden hat, die Bedingungen für Lebensversicherungen geändert werden: Die vom Staat festgelegte Garantieverzinsung, die in den 1990er Jahren mit 4% ihren historischen Höchstwert erreichte – allerdings bei einer Inflation über 3%, soll für Neuverträge auf 1,25% abgesenkt werden, damit die Gesellschaften vor dem Hintergrund eines Leitzinses der EZB von 0,15% ihren Verpflichtungen aus früheren Zeiten nachkommen können. Die Provisionen und Kosten der Verträge sollen ausgewiesen werden; die Gesamtprovisionen dürfen dann 25 Promille der insgesamt eingezahlten Summe nicht übersteigen. In der Boomphase der 90er Jahre bekamen die «Drückerkolonnen» (die Finanzberater und Versicherungsvermittler AWD/Swiss Life, OVD/Allianz, DVV, MLP usw.) bis zum doppelten dieses Satzes, wodurch einige ihrer Chefs zu Milliardären wurden – bekanntestes Beispiel ist Schröder-Freund Jürgen Maschmeyer aus Hannover. Die Beteiligung der Versicherten an den Risikoergebnissen wird von 75% auf 90% erhöht; das bedeutet, dass die Aktionäre von Gesellschaften, die als Aktiengesellschaften geführt werden, deutlich geringere Dividenden bekommen werden – zu Recht.

Seit langem wird um die Frage der Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven gestritten. Dazu gibt es zahlreiche Gerichtsurteile, die sich teilweise widersprechen. Bei diesem recht komplexen Punkt geht es vor allem um die Frage, wie die Versicherten an der Wertsteigerung von Aktiendepots und vor allem Immobilien zu beteiligen sind. Denn wegen der niedrigen Zinsen ist es inzwischen zumindest in Großstädten zu einer Immobilienblase mit gewaltigen Preissteigerungen gekommen. Sogar die äußerst vorsichtige Bundesbank spricht in ihrem Monatsbericht vom Februar 2014 von «überhitzten Immobilienmärkten». Die Preise in Großstädten wie München, Hamburg und Frankfurt seien um bis zu 25% überhöht. Ähnliches gelte auch für mittelgroße Städte wie Freiburg, Konstanz, Regensburg oder Ingolstadt.

Da sich viele Menschen ohne ausreichendes Eigenkapital wegen der historisch niedrigen Zinsen im Immobilienbereich engagiert haben, wird es nach einem Platzen der Blase und dem Wiederanstieg der Zinsen sicherlich zu zahlreichen Pleiten mit Zwangsversteigerungen kommen. Für die Immobilien besitzenden Lebensversicherungsgesellschaften stellt sich das Problem, in welcher Höhe die Versicherten an diesen Preissteigerungen zu beteiligen sind: Wird das gegenwärtige Niveau zur Grundlage genommen, müssten viele Gesellschaften einen Teil ihres Bestands verkaufen, was wiederum zulasten der nächsten Generation der Versicherten ginge. Ähnliches gilt übrigens für die überhitzten Aktienmärkte, wo es früher oder später zu einer «Marktberichtigung» kommen wird. Der Gesetzentwurf zur Lebensversicherung sieht eine relativ restriktive Regelung zur Beteiligung an den Bewertungsreserven vor, was sich zugunsten der Neukunden auswirken wird.

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