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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2017

PSA schluckt Opel
von Jean-Claude Vessillier*

Der französische Automobilkonzern PSA, hervorgegangen aus der Fusion von Peugeot und Citroën, hat am 6.März offiziell angekündigt, mit General Motors Verhandlungen über den Kauf von dessen europäischen Filialen Opel und Lanvaux einleiten zu wollen. Die Regierungen Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens sind an der Operation beteiligt. Auf europäischer Ebene wäre dies die umfangreichste Fusion in der Automobilindustrie seit 50 Jahren.

Opel und seine englische Marke Vauxhall haben in Europa 34500 Beschäftigte, davon etwa 16500 in Deutschland. Die beiden Unternehmen verfügen zusammen über zehn Fabriken und drei Entwicklungszentren in sechs europäischen Ländern. Im Jahr 2014 verkauften sie weltweit über eine Million Fahrzeuge. Opel und Vauxhall sind sehr alte, in ihren Ursprungsländern etablierte Unternehmen mit den daraus folgenden Verbindungen zwischen Zulieferern und Ausstattern.

Opel hat in Deutschland drei Standorte: Eisenach, Kaiserslautern und Rüsselsheim.

 

Immer stärkere Konzentration

Die Automobilindustrie ist eine Branche, deren Produktion mit am stärksten globalisiert ist. Hier geht die Konzentration, also die Zusammenlegung der Betriebe, schneller voran, als die Produktion wächst – besonders seit der Krise 2008.

2013 wurden nach Angaben des Weltautomobilverbands weltweit 87,3 Millionen Fahrzeuge hergestellt. Die fünf größten Autokonzerne (Toyota, General Motors, Volkswakgen, Renault-Nissan, Ford – in dieser Reihenfolge) produzierten im Jahr 2010 zusammen 36 Millionen Fahrzeuge (also rund 41% des weltweiten Fahrzeugausstoßes).

In den USA, in Japan, Deutschland und Südkorea stellt die Automobilproduktion einen der wichtigsten Industriezweige dar. Diese Länder gehören, zusammen mit Frankreich und Mexiko, auch zu den größten Autoexporteuren.

PSA gehört mit einer Produktion von etwa 3 Millionen Fahrzeugen im Jahr nicht zu dieser Riege der «Großen». Die Rationalisierungspläne von Carlos Tavares, dem Vorstandsvorsitzenden von PSA, und die Kapitalzuschüsse der französischen Regierung und der chinesischen Firma Dongfeng haben PSA neue Profite gebracht, die jedoch nicht reichen, um mittelfristig die Unabhängigkeit von PSA zu garantieren. Diese Gewinne, die durch die Ausbeutung der Lohnarbeit realisiert wurden, ermöglichen jedoch dem Konzern jetzt, andere Firmen aufzukaufen.

Es scheint, dass PSA mit General Motors einen Verkäufer gefunden hat, der sich seiner europäischen Aktivitäten entledigen will. Es heißt, dass Opel seit 16 Jahren Defizite macht. Da bei globalisierten Konzern die Kontoführung zwischen der Zentrale und den Filialen jedoch undurchsichtig ist, bleibt unklar, wie die wirtschaftliche Lage von PSA wirklich ist.

Die Ankündigung, Opel und Vauxhall kaufen zu wollen, lässt jedoch darauf schließen, dass Europa im Vergleich zu Nordamerika oder China, wo höhere Profite winken, für General Motors keine Priorität hat. Auf dem europäischen Kontinent ist auch die Konkurrenz unter den Autobauern am größten.

 

Über den Kopf der Gewerkschaften hinweg

PSA handelt den Preis für zehn Fabriken und 34000 Beschäftigte in Europa direkt mit der amerikanischen Leitung von General Motors aus. Genannt wird eine Summe von 2 Milliarden Dollar – zehnmal weniger als das Bußgeld, das VW an die USA zahlen muss!

Die Eröffnung der Verhandlungen wurde von PSA angekündigt, ohne dass die nationalen und europäischen Betriebsräte, die französischen Gewerkschaften ebensowenig wie die IG Metall, informiert worden wären. Der Opel-Betriebsrat und die IG Metall haben auf Nachfrage gegen eine mögliche «beispiellose Verletzung des Rechts der Beschäftigten» protestiert.

Vor kurzem hat PSA das Werk in Aulnay geschlossen, Opel das Werk in Bochum, das in den 70er Jahren 20000 Arbeiter und Angestellte beschäftigte; als es 2014 geschlossen wurde, hatte es noch 2700 Beschäftigte.

Die Produktion in den Betrieben von Rennes und Poissy ist heute schon bedroht. Und in Deutschland ist nach Bochum das zentrale Werk in Rüsselsheim betroffen.

Am Ende der Fusion zwischen PSA und Opel wird ein Sozialplan stehen. Indem sie ihre Aktivitäten zusammenlegen, erhöhen Opel und PSA aber auch die Anzahl der Lohnabhängigen, die zu demselben Unternehmen gehören – jenseits der Grenzen, die für die globalisierten Konzerne mehr und mehr zu eng werden. Betriebe mit unterschiedlichen Kampftraditionen können sich dabei unter dem Dach ein- und desselben Unternehmens wiederfinden. Auf diesem Terrain kann Solidarität geknüpft werden.

 

* Der Autor ist Statistiker und war aktiver Gewerkschafter bei Renault.

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