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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2017

Dramatische neue Befunde

von Manuel Kellner

Eine neue Studie des Fachmagazins PLOS ONE* stellt fest, dass in den letzten 27 Jahren die Gesamtmasse der Insekten in Deutschland um über 75% abgenommen hat. Hierfür wurden seit 1989 Daten ausgewertet, die von ehrenamtlichen Insektenkundlern unter Anleitung des Entomologischen Vereins Krefeld gesammelt wurden.Im Hochsommer, wenn der Insektenbestand am Höchsten ist, liegt der Schwund sogar bei fast 82 Prozent. Nahe liegt, dass insbesondere Gattungen von Haut- und Zweiflüglern mit vielen Arten und Individuen betroffen sind wie Pflanzenwespen und Wildbienen (von denen 580 arten bekannt sind). Es ist davon auszugehen, dass das massive Insektensterben ganz Europa betrifft.

Dass es immer weniger Insekten gibt, Bestand und Artenvielfalt bedroht sind, ist schon längere Zeit bekannt. Mit der neuen Studie ist erwiesen, dass dieses Massensterben sehr viel dramatischer ausfällt, als die meisten vermutet hatten.

Was die Ursachen betrifft, so spielen die Klimaerwärmung und die Gestaltung des Raums sicherlich eine Rolle. Der wichtigste Faktor ist aber sicherlich die intensive Landwirtschaft mit ihren Pestiziden und Düngern und der drastischen Schrumpfung des Lebensraums der Insekten, der mit dieser Landwirtschaft einhergeht.

Till-David Schade vom Naturschutzbund Nabu sagt gravierende Folgen des Insektensterbens voraus: „Über 80 Prozent aller Wildkräuter und Pflanzenarten werden von Insekten bestäubt oder sind von Insekten abhängig.“ Sollten die Bienenarten aussterben, gäbe es zwei Drittel weniger Äpfel, Birnen und Kirschen. Sterben alle Insekten aus, dann würden überall Tierkadaver herumliegen – denn Insekten sind es, die sie zersetzen. Sauberes Trinkwasser würde es auch nicht mehr geben, denn Insekten verhindern durch das Speichern von Nährstoffen im Boden die Verschmutzung des Grundwassers.

Wenn infolge des Insektensterbens viele Kulturpflanzen aussterben, die Vitamine der Typen  A, C und E sowie Calcium und Eisen liefern, dann drohen den viele Mangelkrankheiten bis hin zum Verlust der Sehfähigkeit und der Schädigung des Nervensystems.

Wie der Naturschutzbund Nabu hervorhebt, hat das Insektensterben bereits fatale Auswirkungen auf den Bestand der Vögel, denen Insekten als Nahrung dienen. Laut Nabu-Vogelschutzexperte Lars Lachmann sind binnen zwölf Jahren 12,7 Millionen Brutpaare verloren gegangen. Das immer massivere Vogelsterben betrifft vor allem weit verbreitete Arten, die einst für unausrottbar galten: Zum Beispiel Stare, Haussperlinge, Wintergoldhähnchen und Buchfinken.

Um der ganzen katastrophalen Entwicklung Einhalt zu gebieten, wenn das überhaupt noch möglich ist, müssen flächendeckend naturbelassene Ackerrandstreifen und viele Hektar Brachland geschaffen werden. Erforderlich ist die Abschaffung aller Subventionen, die die intensive Landwirtschaft und die Massentierhaltung begünstigen – zugunsten der massiven Förderung nachhaltiger, ökologisch verantwortlicher Landwirtschaft.

Dem stehen mächtige Interessen entgegen – die des Agrobusiness. Dessen Macht muss ebenso gebrochen werden wie die des Großkapitals. Es ist höchste Zeit für eine Rebellion, vor allem der Jugend, gegen dieses kapitalistische Zerstörungswerk, für eine lebenswerte Welt.

  • http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0185809

 

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