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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2017

Proteste gegen Kohleverbrennung nehmen Fahrt auf
von Angela Klein

Vor dem UN-Klimagipfel in Bonn, der COP 23 (6.–17.November), ist der Druck auf der Straße gegen die weitere Verbrennung von Kohle nochmal mächtig angeschwollen. Dies hat auch damit zu tun, dass Deutschland seine Klimaschutzziele verfehlen wird, wenn die neu zu bildende Koalition den Ausstieg aus der Kohle nicht vorantreibt.

Die «größte Demonstration gegen den Klimawandel» hierzulande feierten die Nichtregierungsorganisationen, die am 4.11. zu einer Großdemonstration in Bonn aufgerufen hatten. Tatsächlich war diese Demonstration so groß, bunt und laut, wie man sie den Organisatoren gar nicht zugetraut hätte. 25000 Menschen waren ihrem Aufruf gefolgt, der sich auf die Forderung beschränkte, die «Kohlemeiler schnell vom Netz» zu nehmen und «einen verbindlichen Fahrplan für einen sozialverträglichen Kohleausstieg» zu beschließen.

Gruppen, denen das nicht weit genug ging, bildeten einen eigenen Block «System change, not climate change», der vorrangig von Attac initiiert war, aber auch von der Initiative GewerkschafterInnen für Klimaschutz, der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, der Bonner Grünen und LINKEN, der Initiative Ökosozialismus u.a. unterstützt wurde. Deren Aufruf schlug den Bogen auch zur kleinbäuerlichen Landwirtschaft, zum Kolonialismus und zur Notwendigkeit, den Individualverkehr abzubauen. Auf Ende Gelände, dessen Aktionen im Revier am nächsten Morgen starten sollten, wurde mehrfach unter Applaus hingewiesen. Von Abgrenzungen keine Spur, die Taz schrieb, die Kohlenproteste seien nunmehr «in der bürgerlichen Mitte angekommen». Von den Gewerkschaften allerdings bislang auch noch kaum eine Spur.

 

Dafür jede Menge junge Leute, und wieder viele aus dem europäischen Ausland (u.a. aus Frankreich, den Niederlanden, Italien, Großbritannien, Tschechien, Schweden, Dänemark), denen in Bonn, Köln und Umgebung viele private Übernachtungsplätze zur Verfügung gestellt wurden. Am darauffolgenden Tag trafen 4500 Menschen, zumeist in weißen Overalls, am Bahnhof Buir ein, die Mehrzahl drang in mehreren «Fingern» in den Tagebau ein, einige schafften es bis zu den Baggern, die von der Polizei und dem Werkschutz von RWE «geschützt» wurden. Nur eine kleine Gruppe aus einem der Finger schaffte es kurzzeitig auf den Bagger drauf. Die Polizei hatte zuvor auf einer Pressekonferenz erklärt, sie könne nicht verhindern, dass Menschen in den Tagebau eindringen, dazu seien ihre Kräfte zu stark andernorts gebunden.

Der Zeitpunkt kurz vor Beginn des Gipfels war richtig gewählt. Die Aufmerksamkeit der Medien konnte sich, so kurz vor Beginn des Gipfels, auf die Protestaktionen richten und die Presse bekam eine Fülle spektakulärer Bilder. Das hinderte die Polizei nicht daran, teilweise aggressiv, mit Pferden und Pfefferspray, gegen die Demonstranten vorzugehen.

Am Vortag hatte RWE metertiefe Gräben ausheben und Wälle aufschütten lassen, um die Demonstranten zu stoppen. Aber es half nichts, die Kohlelager und das Förderband mussten angehalten werden.

Vor Beginn der Aktion hatten die Pacific Climate Warriors von den pazifischen Inseln, denen der Klimawandel heute schon zusetzt, in Manheim, einem Ort, wo «der Klimawandel verursacht wird» und der gleichfalls den Baggern weichen soll, eine traditionelle Zeremonie zelebriert. Fiji war in diesem Jahr offiziell Gastgeber des UN-Klimagipfels. Der Gipfel musste jedoch in Bonn, am Sitz des UN-Sekretariats, stattfinden, weil die Inseln dem 25000köpfigen Gipfeltross nicht genug Platz geboten hätten.

Mit Ende Gelände, CODE ROOD – der Besetzung des Kohlehafens Amsterdam, No Grande Navi – der Blockade des Kreuzfahrthafens in Venedig – oder beim ersten tschechischen Klimacamp ist eine internationale Bewegung für Klimagerechtigkeit in Gang gekommen.

 

In der anschließenden Woche fand ein Gegengipfel statt, der gleich in mehreren Workshops die Verbindung vom Klimaschutz zum notwendigen auch stofflichen Umbau der Wirtschaft und der sozialen Gerechtigkeit herstellte. Die Woche wurde, des Rheinlands würdig, am 11.11. mit einer karnevalsken Aktion beendet, an der sich immer noch 2000 Menschen beteiligten. Schließlich sei erwähnt, dass am frühen Morgen des 15.11. Aktivisten der Gruppe Zucker im Tank am Kraftwerk Weinweiler bei Aachen erfolgreich einen Bagger besetzen und die Förderbänder blockieren konnten. Drei große Kraftwerksblöcke mussten wegen Kohlemangels abgeschaltet werden.

 

Das Gespann aus Nichtregierungsorganisationen, der Degrowth-Summerschool und Ende Gelände, garniert mit einer Korona von politisch organisierten Linken, hat die Gelegenheit des UN-Gipfels zu nutzen gewusst. Das Thema ist mit Macht wieder in den Medien, zumal es ganz danach aussieht, als wolle die Jamaika-Koalition eine Rolle rückwärts machen.

Für das nächste Jahr sind in den drei Braunkohlerevieren in Deutschland Aktionen mit einem Schwerpunkt auf dem mitteldeutschen Revier im Gespräch.

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