von Andreas Bodden
Während Anberber, der Protagonist des Films, in Deutschland Medizin studiert, wird in seiner Heimat Äthiopien Kaiser Haile Selassie gestürzt. Die damals überwiegend links orientierten äthiopischen Studierenden an der Universität Köln verfolgen die Ereignisse gespannt am Fernsehen und begrüßen enthusiastisch den Sturz des reaktionären Feudalherrschers. Endlich
scheinen auch in Äthiopien das Mittelalter vorbei und der Aufbau einer sozialistischen Zukunft möglich zu sein. Das versprechen zumindest die jungen Offiziere, die den alten Monarchen gestürzt und symbolträchtig in einem VW Käfer zum Flughafen gebracht haben, von wo aus er ins Exil geht.
Mit diesem historischen Ereignis beginnt der Spielfilm Teza des äthiopischen Regisseurs Haile Gerima, an dem er etwa 15 Jahre gearbeitet hat. Er spielt zum kleineren Teil in Deutschland, genauer gesagt in Köln, und zum größeren Teil in Äthiopien. Erzählt wird die Geschichte des Arztes Anberber, der seine in Deutschland erworbenen Kenntnisse seinem Herkunftsland Äthiopien zugute kommen lassen will. Dort arbeitet er als Arzt in einer Klinik.
Die Hoffnungen nach dem Sturz des Monarchen erfüllen sich nicht. Das neue Regime ist repressiv und verlangt in klassisch stalinistischer Manier die bedingungslose Unterordnung unter eine autoritär von der Parteiführung vorgegebene Linie. Intellektuelle werden besonders misstrauisch beäugt. Eine Art Miliz besonders linientreuer Mitläufer treibt in der Klinik ihr Unwesen und will vor allem die Ärzte politisch beaufsichtigen. Das macht sie zum Teil sehr handfest bis hin zum Mord. Wenn sich die offiziellen Stellen auch vom Treiben dieser Bande distanzieren, scheint sie doch als Truppe fürs Grobe durchaus mindestens geduldet zu sein.
Zurück in Deutschland macht Anberber Erfahrungen mit rassistischen Ausschreitungen, die nach der Vereinigung von BRD und DDR zunehmen. Er wird Opfer einer rassistischen Attacke, die schwere Spuren hinterlässt. So liegt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft weder in dem am Ostblock orientierten Pseudo-Sozialismus, der bis 1992 auch in Äthiopien herrschte, noch in der sog. „Wende”, der nicht nur die DDR beseitigt sondern auch die Regierung Mengistu Haile Mariams in Äthiopien. Die derzeitigen Regierenden in Äthiopien (die EPRDF: Ethiopian Peoples‘ Revolutionary Democratic Front) treten im Film nur als maoistische Guerilla auf, die gegen das Regime Mengistus kämpft und versucht die Landbevölkerung zu agitieren.
Die heutige EPRDF hat den Maoismus schon lange aufgegeben und agiert zur Zeit als bester Verbündeter des Westens in Ostafrika, zeitweilig in dieser Funktion als Interventionsmacht in Somalia. Das thematisiert der Film nicht. Ob dies aus politischer Rücksicht geschieht, um die Drehgenehmigung in Äthiopien nicht zu gefährden oder ob es schlicht den Rahmen des Films gesprengt hätte, der auch so schon zweieinhalb Stunden dauert, sei einmal dahin gestellt.
Dieses kleine Defizit kann aber den positiven Gesamteindruck nicht erschüttern. Die 15 Jahre Arbeit haben sich gelohnt. Der Film spannt sehr eindrucksvoll und dicht erzählt einen Bogen über 20 Jahre äthiopischer Geschichte. Neben der Inszenierung und der durchweg sehr guten schauspielerischen Leistung ist hier vor allem die hervorragende Arbeit des italienischen Regisseurs Mario Masini zu erwähnen. Er zaubert so schöne Bilder auf die Leinwand, dass man gar nicht genug davon bekommen kann.
Der Film erhielt beim panafrikanischen Filmfestival FESPACO in Ouagadougou den Hauptpreis „Etalon de Yennenga” in Gold als bester Film. In Karthago erhielt er den Tanit in Gold und in Venedig den Spezialpreis der Jury. Trotz dieser Preise ist der Film ein Beispiel dafür, unter welch prekären Bedingungen afrikanische Filme entstehen. Obwohl der Regisseur in den USA lebt, lag die lange Produktionsdauer an der fehlenden Finanzierung. Erst als Institutionen wie die Filmstiftung NRW einsprangen, konnte der Film fertiggestellt werden. Als Zugeständnis musste der nicht in Äthiopien spielende Teil von den USA in die BRD verlegt werden.
Trotz aller Widrigkeiten ist ein absolut sehenswerter Film entstanden, der nur wärmstens empfohlen werden kann. Es bleibt zu hoffen, dass der für Januar angekündigte Kinostart in der BRD auch tatsächlich stattfindet. Ein regulärer Kinostart ist in Europa für afrikanische Filme immer noch nicht selbstverständlich, auch nicht in kleinen Programmkinos. In der Regel sind sie nur auf Festivals und in speziellen Filmreihen zu sehen. Die Qualität afrikanischer Filme ist aber schon lange so gut, dass sich das bald ändern muss.
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