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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2009
Leitartikel

Zwischen 1998 und 2006 sind die Nahrungsmittelreserven der Welt um 40% gefallen. Laut FAO, der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen, ist der Grund dafür der, dass alle Länder, die unter dem Einfluss des IWF stehen, ihre Vorratshaltung drastisch zurückgefahren haben -- die Länder des Südens taten

dies, um ihre Schulden zurückzuzahlen. Sie haben außerdem ihre Investitionen und Subventionen in den Agrarsektor (z.B. für Düngemittel oder Saatgut) heruntergefahren und die Produktivität des Ackerbaus dadurch gesenkt. Bereits von 1990 bis 2005, also noch vor dem großen Preissprung der Jahre 2006-2008, stieg die Zahl der Hungernden um 6 Millionen -- von 842 auf 848 Millionen. Dieser Anstieg hängt unmittelbar mit den Strukturanpassungsprogrammen des IWF und der Liberalisierung des Agrarhandels zusammen, das lässt sich an Hand einzelner Beispiele wie der südlichen Sahara, Mexiko oder Indien beweisen.

Noch vor der Tortillakrise 2007 in Mexiko, als die Bevölkerung gegen 60%ige Preissteigerungen bei Mais protestierte, war das Mutterland des Mais, jahrzehntelang ein Exporteur, zu einem Importeur dieses Grundnahrungsmittels aus den USA geworden. Unter dem Druck der Sparprogramme des IWF hatten die mexikanischen Regierungen ihre Unterstützung der Agrarproduktion und ihre Nahrungsmittelvorräte heruntergefahren; die Produktion und Produktivität ihrer Landwirtschaft ist dadurch gesunken.

Mit der Öffnung der Agrarmärkte durch das Freihandelsabkommen NAFTA wurden die mexikanischen Bauern der direkten Konkurrenz der US-Farmer ausgesetzt, ihre Produkte waren nicht mehr konkurrenzfähig, Die Nahrungsmittelpreise wurden nun nicht mehr in Mexiko, sondern an den Börsen in Chicago und anderswo gemacht, doch sie schlagen bis ins letzte Dorf auf dem mexikanischen Hochland durch. Seine „überschüssige” Agrarbevölkerung exportiert Mexiko heute als illegale Migranten in die USA.

In ihrem Bericht 2008 hat die Weltbank zugegeben, ihre Politik habe dazu beigetragen, die produktive Kapazität der Landwirtschaft zu unterminieren: „Die Strukturanpassung der 80er Jahre hat das ausgeklügelte System öffentlicher Unterstützung der Bauern durch Zugang zu Land, Krediten, Düngemitteln und genossenschaftlicher Organisation zerstört. Die Erwartung war, wenn der Staat beseitigt würde, könnte der Markt private Akteure in die Lage versetzen, diese Funktionen zu übernehmen, die Kosten senken, die Qualität verbessern ... Zu oft ist das nicht passiert."

Statt die einheimische Bevölkerung jedoch in die Lage zu versetzen, die Bevölkerung selbst mit Nahrungsmitteln zu versorgen, verfolgen Weltbank und FAO eine Strategie, die Landwirtschaft auch in den Ländern des Südens in die Hand großer, industriell betriebener Farmen zu legen; für die Kleinbauern bliebe dann nur noch ein „Reservat” übrig mit einer marginalisierten Bevölkerung, die die Wende zum „Fortschritt” „nicht mitgemacht” hat.

Die Abschlusserklärung der FAO vom 16.11.2009 enthält den Aufruf, die Bekämpfung des Hungers sei ein „strategisches Ziel” Ein Zeitrahmen wird jedoch nicht genannt, das Jahr 2025 wurde aus der Erklärung wieder gestrichen. In den Entwicklungsländern soll wieder mehr Geld in Ackerbau und Viehzucht investiert werden — eine konkrete Summe wird nicht genannt. Trotz des enorm gestiegenen Hungers in der Welt gibt es keine neue und verbindliche Zusage über Entwicklungsgelder für eine nachhaltige ländliche Entwicklung. Selbst FAO-Chef Jacques Diouf hat die Abschlusserklärung wegen der fehlenden konkreten Ziele kritisiert und dazu aufgerufen, die Investitionen in die Landwirtschaft von 8 auf 44 Mrd. US-Doller zu steigern. Die offzielle Entwicklungshilfe für die 71 ärmsten Länder der Welt droht 2009 um 25% zu fallen. Bei früheren FAO-Gipfeln hatten die Länder des Nordens den Ländern des Südens 25 Mrd. Dollar versprochen, bis heute wurden davon 7,9 Mrd. überwiesen.

FIAN, die internationale Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung, kritisiert die Abschlusserklärung des FAO-Gipfels als „Dokument des Stillstands” „Wir vermissen vor allem Antworten auf brennende Ursachen des Hungers wie den ungerechten Welthandel, Landnahmen durch ausländische Unternehmen und Staaten, Spekulation an den Rohstoffbörsen und die öffentlich geförderte Expansion von Energiepflanzen für Agrartreibstoffe”, heißt es in ihrer Presseerklärung vom 17.11.

Die FAO stellt eine „globale Partnerschaft für Landwirtschaft und Ernährungssicherheit” in Aussicht, um den Hunger in der Welt zu beseitigen. Das bedeutet nichts Gutes. Der Hauptfokus der Programme liegt auf der Produktionssteigerung durch die Verteilung von Düngemitteln, Saatgut etc. In ihrem Weltentwicklungsbericht 2008 betont sie die Wichtigkeit, Plantagenfarmern die Möglichkeit von Landkäufen zu geben und Kleinbauern den Ausstieg aus der Landwirtschaft zu ermöglichen. Neoliberale Ökonomen behaupten, nur eine Agrarproduktion nach industriekapitalistischem Modell wie in den USA und in Brasilien könne die Hungerkrise lösen: „Bauern sind keine Unternehmer und nicht innovativ, sie sind zu sehr mit ihrer Ernährungssicherheit beschäftigt."

Via Campesina, der weltweite Kleinbauernverband, lehnt die vorgeschlagene Einrichtung eines Fonds bei der Weltbank ab: „Ein radikaler Wandel der Agrar- und Nahrungsmittelpolitik ist wichtiger als mehr Geld."

http://viacampesina.net

von Angela Klein

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