Der Schweizer Konzern Rieter hat Entlassungen in Italien nach erfolgreichen Protesten zurückgenommen.
Im Frühling 2007 meldete die Winterthurer Industriegruppe Rieter (ein Schweizer Zulieferer für Textilmaschinen und Autoindustrie) einen Rekordgewinn von 157 Mio. Franken (rund 108 Mio. Euro) für 2006 und erhöhte daraufhin die Dividende für die Aktionäre um stolze 50%. 2007 stieg der Konzerngewinn sogar auf über 200 Mio. Franken (rund 138 Mio. Euro). Im Herbst 2008 gab es dann jedoch Auftragsrückgänge, die Wirtschaftskrise kündigte sich an. Rieter zögerte nicht lange und baute sogleich massiv Personal ab. Dazu befragt, sagte der Leiter der Gewerkschaft Unia, Winterthur, gegenüber der Presse: «Wir sind nicht wütend aufs Management, denn wir verstehen die schwierige Lage des Unternehmens und sehen ein, dass Handlungsbedarf besteht.»
Möglicherweise wähnten sich die Manager von Rieter in falscher Sicherheit, als sie im Herbst 2009 die Streichung von 300 Arbeitsplätzen in den italienischen Werken bekannt gaben: davon 85 in Desio bei Monza, wo 216 Beschäftigte arbeiten. Die Arbeiter in Desio reagierten: Am 28.Oktober streikten sie und besetzten den ganzen Tag die Werkstore. Am Streikposten wechselten sich 30 Arbeiter in Schichten ab. Auf den Werkstoren wehten die Gewerkschaftsfahnen vom Betriebsrat und der FIOM-CGIL. In wenigen Metern Entfernung standen Polizisten, sie sollten die Lage unter Kontrolle halten und die Unternehmer schützen.
Das zweite italienische Werk von Rieter in Santhià (Piemont) beschäftigt 230 Personen. 130 von ihnen erklärte das Management Ende September 2009 als überflüssig. Von Anfang an bestand der Verdacht, Rieter wolle den Auftragsrückgang dazu nutzen, die Produktion ins Ausland zu verlagern. Schnell formierte sich entschlossener Widerstand. Diese zeigte sich zunächst unerbittlich. Daraufhin organisierten die Gewerkschaften für den 24.Oktober eine Demonstration, an der auch Arbeiter anderer Betriebe, die örtliche Bevölkerung und Politiker der Region teilnahmen. Der Kampf gegen die geplanten Entlassungen bei Rieter in Santhià verschärfte sich, als leitende Angestellte versuchten, Maschinenteile aus dem Werk zu schaffen. Sie wurden von den Arbeitern daran gehindert, die sogleich in den unbefristeten Streik traten.
Rasch zeigte der Streik mit permanenter Betriebsversammlung und Besetzung der Werkstore Wirkung. Die Produktion kam vollständig zum Erliegen, Kunden wie Maserati, Ferrari und Suzuki wurden nicht mehr beliefert. Zudem ging das Gerücht um, Rieter müsse astronomische Konventionalstrafen bezahlen, falls bei Fiat die Produktionslinien wegen ausfallender Lieferungen zum Stillstand kämen. In dieser Lage entschloss sich die Firmenleitung von Rieter, die Arbeiter um ein Gespräch zu bitten. In der Nacht auf den 30.Oktober einigten sich Gewerkschaften und Unternehmensleitung darauf, auf die geplanten 130 Entlassungen zu verzichten und sich zu verpflichten, das aktuelle Beschäftigungsniveau zu erhalten. Außerdem bekommen die Streikenden eine Entschädigung für die ausgefallenen Arbeitsstunden.
Der einmonatige Kampf um das piemontesische Werk von Rieter endete mit einem grossen Sieg für die Arbeiter. Sie haben gezeigt, dass auch ein kurzer Streik große Wirkung entfalten kann, wenn er rasch und entschlossen geführt wird. Früher, als große Mengen auf Lager produziert wurden, dauerte es viel länger, bis ein Streik bei nachgelagerten Verarbeitungsstufen zu schmerzhaften Engpässen führte. Heute, mit den Just-in-Time-Lieferungen sind die Unternehmer viel verletzlicher.
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