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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2010
Paradoxien und Perspektiven von Frauenrechten in der Globalisierung. Sulzbach: Ulrike-Helmer-Verlag, 2009
240 S., 19,90 Euro

von Gisela Notz
Christa Wichterich hat mehr als eine Aufsatzsammlung geschrieben. Es entstand ein feministischer Weltbericht über Paradoxien und Perspektiven von Frauenrechten in der Globalisierung.

Erkenntnisreich, rechercheintensiv und mit vielen Beispielen angereichert, verfolgt sie in ihrem Buch mehr als 30 Jahre globale Frauenbewegungen und damit mehr als 30 Jahre Missachtung der Menschenrechte als Frauenrechte. Sie spricht von der historischen Leistung der internationalen Frauenbewegung und sieht sie darin, dass es gelungen sei, die Zeit zwischen dem «Internationalen Jahr der Frau» 1975 und der Jahrtausendwende zu einer Epoche der Institutionalisierung und Globalisierung von Frauenrechten gemacht zu haben.

Die wichtige Frage, die Wichterich stellt, heißt: Was ist daraus geworden?
Teil I des Buches dokumentiert ein Stück Zeitgeschichte der «Globalisierung von Frauenrechten». 1975 bei der Weltfrauenkonferenz in Mexiko war es noch ein konfliktreicher Prozess, in dessen Verlauf sich Frauengruppen mit dem - wie sich später herausstellte - Irrtum westlicher Feministinnen auseinandersetzten, «ein weltweit gleiches Patriarchat und universelle Strukturen männlicher Macht- und Gewaltausübung und weiblicher Opfererfahrungen» zu unterstellen.

Frauen aus dem Süden machten sich zehn Jahre später selbstständig. In Nairobi entwarfen sie ein eigenes Empowerment-Konzept als «Anleitung zum Mächtigsein». Sie bestanden darauf, dass es aufgrund der unterschiedlichen Verfasstheit der Länder eine «Vielfalt von Feminismen» gebe. Vielfalt wurde von nun an zur Stärke und Gender Mainstreaming weitere zehn Jahre später (Peking 1995) zum Instrument, um Mitmacht zu erlangen.

Wichterich sieht das nicht als globales Allheilmittel, ihr geht es auch um Gegen-Macht zum Mainstream, mit dem Ziel des Rechts auf eigene Existenzsicherung ebenso wie auf sexuelle und reproduktive Rechte.

Teil II des Buches beschäftigt sich mit den ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen. «Paradoxe Integration» nennt die Autorin die Tatsache, dass Frauen in den Arbeitsmarkt integriert wurden, ohne dass das Versprechen der Gleichstellung eingelöst wird. Denn der Vormarsch von Frauen in die Erwerbsmärkte geht mit dem Umbau der internationalen Arbeitsteilung in Produktion und Reproduktion einher. Frauen erhalten die prekären und marginalen Positionen im Beruf und behalten die Gratisarbeit in Sorge und Pflege.

Weltweit gehören mehr als Männer zur «Randbelegschaft» und zu den working poor. Nur wenige Frauen schaffen den «Aufstieg ins Gewinnerabteil» auf Kosten von Dienstbotinnen aus anderen Ländern, denen sie die Care-Arbeit überlassen. Die Autorin bezweifelt daher, dass alleine durch den Aufstieg von wenigen Frauen in Führungspositionen das globale Macht- und Marktgefällt verringert werden kann.

Im letzten Teil werden Perspektiven aus dem Dilemma aufgespürt. Wirklich befriedigende Antworten darauf, wie vermieden werden kann, dass Geschlecht als zentrales Ordnungsprinzip soziale Ungleichheiten immer neu produziert und reproduziert, kann auch Wichterich nicht geben. Sie schlägt Politisierung von unten und eine Transformation von Machtstrukturen, Frauennetzwerke, die Repolitisierung des Konsums und Wachstums und emanzipatorische Lebens- und Wirtschaftsformen vor, die mit Wertewandel und Strukturwandel einhergehen. Würden ihre Vorschläge aufgenommen, wäre vieles erreicht.

Wie aber kommt es zu Handlungskonzepten? Wird der «neue Feminismus» der «Alpha-Mädchen,» die ihrer Meinung nach den Beweis dafür liefern, dass feministisches Denken dynamisch ist, einen Beitrag liefern können? Offen bleibt die Frage, wie die Frauenbewegung wieder «agent of change» werden kann, oder ob wir eher eine Bewegung brauchen, die von beiden Geschlechtern getragen wird und eine geschlechtergerechte Gesellschaft zum Ziel hat. Alle, die sich damit beschäftigen, sollten dieses Buch lesen.

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