Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2010

Ein Schrittchen vorwärts
von Klaus Drechsel

UAPA ist ein bundesweites Netzwerk von Beschäftigten in der Persönlichen Assistenz und ihrer betrieblichen Interessensvertretungen. Ende November fand in Frankfurt am Main das zweite Bundestreffen der «Unabhängigen ArbeitnehmerInnenvertretungen in der Persönlichen Assistenz» (UAPA) statt.

Im November 2008 gründete sich das Netzwerk in Berlin und verabschiedete eine Gründungsresolution (siehe SoZ 2/2009 sowie www.jenseits-des-helfersyndroms.de). Die zweite Tagung wurde vom 20. bis 22.11.09 von den Kolleginnen und Kollegen des CeBeeF-Betriebsrats unter dem Titel «Persönliche Assistenz als Ausbildungsberuf - Pro und Contra» organisiert. Aus sieben vertretenen Betrieben sind nunmehr zehn geworden. Die versammelten Betriebsratsmitglieder, Assistentenvertreter und betriebspolitisch aktiven Kollegen stehen für rund 3000 Beschäftigte dieser kleinen, aber wachsenden Branche.

Die Berichte aus den Betrieben kreisten im Wesentlichen um die Themen «betriebliche Expansion» und «innerbetriebliche Regulierung der Arbeitsbedingungen», die häufig sehr mangelhaft ist. Lohnentwicklung und betriebliche Refinanzierungsbedingungen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Auseinandersetzungen. Lohnerhöhungen wurden jedoch, wenn überhaupt, nur in minimalem Umfang vermeldet.

In seinem Einleitungsreferat versuchte Slave Cubela eine Standortbestimmung (siehe Express, Nr.12, 2009). Dieser ist durch hohe Fluktuation und berufliche Mehrgleisigkeit, aber auch zunehmend durch die Herausbildung alternder Stammbelegschaften gekennzeichnet, die sich ihres Zorns, ihrer Lage und Interessen nur allmählich bewusst werden. Ein erhebliches Potenzial widerständiger Selbstorganisierung wird konterkariert durch hochgradige Vereinzelung im Arbeitsprozess, aber auch in den je individuellen Lebenslagen. Es muss daher offen bleiben, ob der UAPA-Versuch letzten Endes erfolgreich sein kann.

Zwei Arbeitsgruppen widmeten sich dem Konferenzthema. In der einen standen unter anderem Fragen der bisher ungeklärten tariflichen Eingruppierung von Assistenten im TVöD zur Diskussion. Welche Schritte sind zu unternehmen, um zu einem ein-, zwei-, oder dreijährigen Ausbildungsberuf zu gelangen? Auch Weiterbildung ohne staatliche Anerkennung wurde diskutiert, eine aktuelle Positionsbestimmung von Ver.di zur Berufsbildungspolitik im Bereich der Assistenzberufe referiert, die im Umfeld bestehenden Berufe und Weiterbildungen einer ersten kritischen Bewertung unterzogen. Abschließend folgte ein Bericht, warum der Mindestlohn Pflege gemäß Entsendegesetz für die in der Persönlichen Assistenz Beschäftigten aller Voraussicht nach kaum etwas bringen wird.

In der Debatte wurde recht schnell klar, daß sich die Kollegen vorerst mit den Grundlagen auseinandersetzen wollen: Es fehlen Einarbeitung und Basisqualifizierung, es fehlt die Gratifikation bereits erlernter und de facto erbrachter Leistungen sowie die Zertifizierung neu erlernter Tätigkeiten, es fehlen Zertifikate für Bewerbungen bei Arbeitgeberwechsel, es fehlen Supervision, Intervision, inner- wie außerbetriebliche Fort- und Weiterbildung usw. Beschlossen wurde u.a. die kollektive Erarbeitung einer bundesweiten Stellenbeschreibung «Persönliche Assistentin» aus Beschäftigtenperspektive, die die Tätigkeit realistisch abbildet, sowie die Erstellung eines bundesweiten Mindestkanons beruflicher Bildung im Bereich der Persönlichen Assistenz, und zwar unterhalb der staatlichen Anerkennung.

Mit beiden Forderungen sollen die Arbeitgeber konfrontiert werden. Vorgestellt wurde auch die Forderung nach einer bundesweiten Mindesteingruppierung von Assistenten in die Entgeltgruppe KR3a des TVöD für nicht krankenhäusliches Pflegepersonal, also nach Gleichstellung mit ungelernten Pflegehelfer.

Die zweite Arbeitsgruppe widmete sich dem Thema in eher spielerischer Weise, indem die Versammelten zusammentrugen, welche Tätigkeiten sie in ihren Einsätzen tatsächlich ausüben (als Psychologin, psychologischer Berater, Haushaltsmanagerin, Koch, Physiotherapeutin, Sekretär, Animatrice). Geplant ist nach Abschluß des «Scheiß-Streiks» eine weitere bundesweite Aktion im Laufe des Jahres 2010, in der die Arbeitgeber mit der Forderung nach Erstellung eines bundesweit anerkannt standardisierten Zertifikats für Persönliche Assistenten konfrontiert werden sollen.

Verlauf und Ergebnisse der Konferenz wurden von den Beteiligten teils unterschiedlich bewertet. Bis zur nächsten Konferenz soll, neben den genannten Arbeitsvorhaben, sondiert werden, welche Kooperationsmöglichkeiten mit der Gewerkschaft Ver.di bestehen, insbesondere bei lohn- und tarifpolitischen Fragen. Immerhin hat die Bildung von UAPA dazu geführt, daß wir als kollektives Subjekt sichtbar sind und wahrgenommen werden. Die Debatte über Vereinsform und Entscheidungsstrukturen wird fortzusetzen sein. Eine Tagungsdokumentation ist in Arbeit.

Vom 19. bis 21.11.2010 wird es eine dritte UAPA-Tagung geben, voraussichtlich in Marburg an der Lahn, vorbereitet von den Kolleginnen und Kollegen aus Bremen und Hamburg. Thema: «Mobilisierungs- und Widerstandsformen» sowie die Fortsetzung der Debatte zu Berufsbild und Qualifizierung.

Zum Schluss: Es haben sich Kollegen bereitgefunden, Kontakte im Bereich des Persönlichem Budgets bzw. Arbeitgebermodells zu knüpfen, d.h. zu Kleinstarbeitsverhältnissen in Privathaushalten, die den Schutz einer Arbeitnehmervertretung nicht haben können. Dies ist eine erfreuliche Ausweitung unseres Handlungsfelds. Klaus Drechsel ist Betriebsrat bei ambulante dienste e.V. Berlin.

Klaus Drechsel ist Betriebsrat bei ambulante dienste e.V. Berlin. Weitere Infos: www.labournet.de/branchen/ dienstleistung/gw/pflege.html.

Teile diesen Beitrag:

Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.