Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2010
Redeverbot für Finkelstein hat wichtige Diskussion provoziert
von Paul Grasse
Die deutschen Komplizen israelischer Kriegspolitik feiern die Absage der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) an Norman Finkelstein als ihren Erfolg. «Norman Finkelstein erfolgreich verhindert!» tönt die antilinke Splitterfraktion BAK Shalom auf ihrer Website. Dieser vermeintliche Erfolg könnte sich für die Kriegsapologeten und Fans eines Regimechange im Iran jedoch als Pyrrhussieg erweisen.
Trotz der Absage war es absolut richtig, die Rosa-Luxemburg-Stiftung in die Planungen einzubeziehen. Mit Erhard Crome, Referent für Friedens-, Sicherheits- und Europapolitik im Institut für Gesellschaftsanalyse der RLS, hatte das Projekt «Finkelstein in Berlin» auch in der Stiftung einen völlig integren Fürsprecher. Natürlich ist es ein Treppenwitz, dass eine Stiftung, die den Namen Rosa Luxemburg trägt, sich dem Druck antilinker Lobbyorganisationen beugt. Die peinliche Ausladung Finkelsteins mit allerlei fadenscheinigen Begründungen seitens der Geschäftsführung der RLS führte aber nicht zu Frustration im Gegenteil. Unter ehemaligen und aktuellen RLS-Stipendiaten, in der Bundestagsfraktion der LINKEN wie auch in der Partei, in der jungen Welt, dem Neuen Deutschland und auch im Internet stieß die Rückgratlosigkeit der RLS auf breites Unverständnis und große Empörung.

Wohlgemerkt: Diese Empörung war ausgeblieben, als die Trinitatis-Gemeinde und die Heinrich-Böll-Stiftung sich zurückgezogen hatten. Die Absage der RLS aber generierte eine Empörung, die dazu führte, dass die Räume der jungen Welt für die Ersatzveranstaltung hoffnungslos überfüllt waren. Das liegt daran, dass an die RLS im Unterschied zur Heinrich-Böll-Stiftung gewisse Anforderungen gestellt werden.

Dass es nicht möglich war, die deutsche Beteiligung an den Verbrechen gegen die Menschen von Gaza zu diskutieren, weil eine der LINKEN nahestehende Stiftung auf Druck einer kleinen Gruppe von Kriegstreibern diese Diskussion nicht gestatten wollte, ist der eigentliche Skandal. Er wirft ein Glanzlicht darauf, was durch ddie Neuschreibung der Lehren des Holocaust und die Findung eines «neuen Hitlers» in Ahmadinejad möglich wurde: dass sich selbst als Linke begreifende Menschen im Namen des Holocaust deutsche Kriege nicht nur rechtfertigen, sondern sogar fordern. Diese Position ist mittlerweile auch fest in den konservativen Eliten verankert. Beide, Zionisten und Konservative, sehen in einer «responsibility to protect» hinreichende Kriegsgründe.

Trotz der Absage also: Kämpfen lohnt sich. Eine winzige Gruppe von Aktivisten hat allen Widerständen zum Trotz nicht aufgegeben und damit in der Partei DIE LINKE eine Debatte über Antiimperialismus, Zionismus, Internationalismus und Kriegsverbrechen im Berliner Landesverband und auf Bundesebene ausgelöst. Die Kampagne «Boykott, Divestment, Sanktionen» (BDS) ist einem großen Publikum bekannt gemacht worden. Hermann Dierkes, verhinderter Bürgermeisterkandidat der LINKEN für Duisburg, hat auf der Veranstaltung der jungen Welt all jenen den Kampf angesagt, die sich an der Hexenjagd gegen ihn und andere Kriegsgegner beteiligen. Wolfgang Gehrke, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, kritisierte die Stiftung scharf und warf ihr vor, «dem Namen Rosa Luxemburg Schande zu bereiten.»

Er nahm auch Bezug auf die Antikriegsaktion seiner Fraktion, die am selben Tag stattgefunden hatte. Fast alle LINKE-Abgeordneten hatten gegen die Aufstockung des Bundeswehrkontingents in Afghanistan protestiert, indem sie die Namen der am 4.9.2009 getöteten Afghanen von Kunduz auf Schildern hochhielten. «Das hat gesessen! Heute war ich richtig stolz auf unsere Fraktion», sagte Gehrke unter tosendem Applaus.

Damit konsequente Kriegsgegner auch weiterhin stolz auf sie sein können, bedarf es einer Fortführung und Vertiefung der Debatte, die mit der Absage der Gaza-Veranstaltung angestoßen wurde. Im Kern geht es dabei nicht um Finkelstein, sondern um die Rolle Deutschlands in weltweiten Konflikten, zu denen auch die Kriegs- und Besatzungspolitik Israels gehört.

Im Vorfeld der Präsentation des von Hermann Dierkes und Sophia Deeg herausgegebenen Bandes Bedingungslos für Israel? Mitte März haben die Bloggergruppe «Ruhrbarone» und die Frankfurter Rundschau (die jetzt Neven Dumont gehört) die Rufmordkampagne gegen Hermann Dierkes wieder aufleben lassen. Die Stichwortgeber und Profiteure der fortgesetzten Diffamierungen von Linken sind also in den Reihen der rechten Gegner der LINKEN zu suchen, BAK Shalom kommt über die Rolle des nützlichen Idioten nicht hinaus. Doch Dierkes hat gezeigt, dass die Internationalisten in der LINKEN sich von Kampfparolen wie «Antizionistische Juden raus» nicht einschüchtern lassen.

Paul Grasse ist Mitarbeiter von Inge Höger, MdB DIE LINKE.

Teile diesen Beitrag:

Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.