von Arno Klönne
Heiko Bolldorf meint in seinem Leserbrief, bei mir sei die «Repression in der DDR ausgeblendet» – aber das stimmt ja nicht, ich habe nur meine Einschätzung dargelegt, dass die DDR nicht die Chance für einen «sozialistischen Weg» bot – jedenfalls nicht aus eigenen Kräften.
Bolldorf erinnert an andere Kommunisten in Ostdeutschland (IKD, KPO) und an Antifa-Ausschüsse, widerpenstige Betriebsräte – aber solche Akteure waren m.E. eindeutig zu schwach, um einen anderen Kurs dort auch nur als Alternative in die politische Entwicklung einbringen zu können. Selbstverständlich ist es dennoch sinnvoll, sie im historischen Gedächtnis‚ zu behalten – oder sie in dieses einzubringen.
Zu Angela Kleins Kritik: Ob in bestimmten Situationen und unter gegebenen gesellschaftlichen Umständen die Geschichte hätte anders «laufen» können, ist ja immer eine Frage, die nur begründete Vermutungen, aber keine sicheren Antworten zulässt. Aber indem man solche Fragen möglichst realitätsnah stellt, gewinnt man eben doch manchmal an Schärfe des Blicks auf nicht nur historisch-situative Probleme. Mit diesem begrenzten Anspruch also zu unserer Diskussion: Völlig zutreffend weist du darauf hin, dass die «Bolschewisierung» (nennen wir es mal so) der KPD schon in den 20er Jahren passierte, mitsamt Folgen für Ideenwelt und Struktur der kommunistischen Politik. Ich füge aber hinzu: Dies verband sich schon mit dem emotionalen und praktischen «Fixpunkt UdSSR» – also der Anbindung des «internationalen» Kommunismus (des «offiziellen») an die Interessen des «ersten sozialistischen Staates» – der schon bald nach 1918 den Regeln nationalstaatlicher Machtpolitik folgte, auch deren traditionelle Methoden übernahm.
Die UdSSR war m.E. nach den Bürgerkriegs- und Interventionsjahren (nicht nur durch die «Persönlichkeit Stalin») eine nichtkapitalistische Entwicklungsdiktatur mit extremem Ausformungen von Repression und innerem Sicherheitswahn – wie hätte sie da ein «Modell» für den Weg zum Sozialismus sein können? Die Deutung, es habe sich um einen (verkürzt) «bürokratisch entarteten Arbeiterstaat» gehandelt, halte ich für ganz wirklichkeitsfremd. Das Dilemma für Kommunisten in anderen Gesellschaften: Diese UdSSR war zugleich der Staat, der die Feudalschichten und die Kapitalisten entmachtet hatte (der einzige…), der den Anspruch auf Sozialismus stellte – und zweifellos einem vielfältigem Vernichtungswillen externer Mächte ausgesetzt war…
Nach meiner Einschätzung war das «Sozialismuspotenzial» in der UdSSR schon vor 1939/41 «verbraucht» und zerstört, auch personell zu großen Teilen «liquidiert» – diese Gesellschaft war reif für den Verfall. Dass es dazu nicht kam, ergab sich durch den hitlerdeutschen Angriff von außen her, der «vaterländisch» zusammenschloss…
Aber wie hätte angesichts dieser Vorgeschichte nach 1945 die UdSSR in Deutschland bzw. in der sowjetischen Besatzungszone «für ein anderes Gesellschaftsmodell stehen» können, wie du schreibst? Bis auf wenige Ausnahmen haben das nicht einmal die deutschen Kommunisten geglaubt, die im Exil oder als Zwangsteilnehmer des hitlerdeutschen Krieges die sowjetischen Realitäten kennengelernt hatten.
Eine Chance für den «Aufbau des Sozialismus» aus eigenen Kräften der deutschen Gesellschaft nach 1945 im Sinne einer Staatspolitik hat es m.E. damals nicht gegeben, weder teil- noch gesamtdeutsch. Eine Chance für die Entwicklung einer sozialistischen Bewegung allerdings hätte es, meine ich, gegeben – nämlich dann, wenn eine den feindlichen Blöcken entzogene in diesem Sinne «neutrale» gesamtdeutsche Lösung zustandegekommen wäre. Für einige Jahre lang wäre diese für die UdSSR vermutlich akzeptabel gewesen – aber nicht für den Westen und für das deutsche Kapital und seine politischen Helfer.
Eine Chance, in der DDR von innen her durch linke Opposition so etwas wie eine «Wende» hin zum Sozialismus zu bewirken, sehe ich in keiner historischen Situation (auch 1953 nicht). Das heißt selbstverständlich nicht, dass die Bemühungen kleiner Gruppen, «die Idee Sozialismus zu retten», deshalb sinnlos gewesen seien. Aber ein anderer Staat DDR war damit nicht zu machen.
Eine Wende hin zu Demokratie und Sozialismus von innen her ist nicht einmal dort gelungen, wo die Voraussetzungen dafür günstiger waren als in der DDR, wo also die Linke stärker verankert war, an der Befreiung von Faschismus mitgewirkt hatte und das Problem der staatlichen Teilung nicht vorlag. Die CSSR 1968 oder – unter anderen Umständen und als längerfristige Geschichte – Jugoslawien.
Das alles drängt eine sicherlich unangenehme Frage auf: War unter den gegebenen gesellschaftsgeschichtlichen Umständen vielleicht jeder Versuch, per Staat den «Sozialismus zu errichten», ein Irrweg? War möglicherweise «epochentypisch» sozialistische Politik nur als Bewegung, als gesellschaftliche Opposition auf dem richtigen Weg? War – das heißt dann: wäre gewesen, denn das ist ja nun zurück in die Geschichte spekuliert. Aber der Gedanke hat aktuelle «Nebenwirkungen».
Etwas Anekdotisches noch: Ich habe mich mit Max Reimann mal unterhalten, als er in der DDR im «Exil» war. Zu später Stunde, alkoholisch aufgelockert und sehr «privat» hat er mir gesagt: «Alles Sch…, wir Kommunisten sollten eigentlich erst mal nur das machen, was wir können: Opposition.»
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