von Jochen Gester
In vielen Klein- und Mittelbetrieben - besonders wenn sie schlecht zahlen und auch andere Dinge zum Himmel stinken - ist die Wahl eines Betriebsrats keineswegs Routine, sondern mitunter eine harte Auseinandersetzung. Der Unternehmer versucht die Wahl zu unterdrücken, weil er weiß, dass ein Betriebsrat bei klugem Umgang mit seinen Rechten einer Belegschaft neue Druckmittel an die Hand geben kann.
Das auf Winkelstützen spezialisierte Herforder Bauunternehmen Westerwelle hat vor Ort ca. 40 Beschäftigte. Es arbeitet im tariffreien Zustand. Bauarbeiter seiner Firma erhalten statt der tariflichen 14 Euro lediglich 8 Euro. Das wollten die Betroffenen so nicht länger akzeptieren und haben deshalb Anfang März die Wahl eines Betriebsrats eingeleitet. Darauf reagierte Westerwelle mit der Entlassung von sechs Arbeitern, die sich hier engagiert hatten.
Doch die Hoffnung des Bauunternehmers, mit dieser Repression die Unruhe in seiner Belegschaft zu ersticken, ging nicht auf. Im Gegenteil. 25 von etwa 40 Beschäftigten legten am 13.März die Arbeit nieder, 80% der Bauleute traten in die IG BAU ein. Für den Streik hatte sich eine Mehrheit von 95,5% ausgesprochen.
IG-BAU-Sekretär Bodo Matthey erklärte der Presse, die Gewerkschaft werde erst dann den Streik beenden, wenn die Gekündigten wieder eingestellt werden und die Firma sich bereit erklärt, Verhandlungen über einen Tarifvertrag aufzunehmen. 20 Streikende machten eine Demonstration in die Innenstadt, bei der sie die Öffentlichkeit über ihren Ausstand informierten, und marschierten mit Transparenten «Leiharbeit ist Menschenhandel» und «Billiglohn macht arbeitslos» zu einer Leiharbeitsfirma, die Westerwelle mit Streikbrechern versorgt.
Der Geschäftsführer der Leiharbeitsfirma erstattete Strafanzeige gegen Matthey, weil der Gewerkschaftsvertreter ihn als Sklavenhändler bezeichnet hatte.
Auch Westerwelle ging in die Vollen. Alle 20 Kandidaten, die für den Betriebsrat kandidiert hatten, wurden fristlos gekündigt, darunter die sechs, die vorher eine einfache Kündigung bekommen hatten. Die IG BAU beantragte beim Arbeitsgericht Herford eine einstweilige Verfügung und stellte bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld Strafantrag wegen Verhinderung von Betriebsratswahlen.
Die Gewerkschaft will auch auf Großkunden des Winkelherstellers Druck ausüben. Der Firmeneigentümer versuchte seinerseits die Ausbreitung des Unruheherds auf ein Zweitwerk im brandenburgischen Beeskow zu verhindern. Per Hausverbot sollte ein Gewerkschaftsvertreter daran gehindert werden, mit den Beschäftigten die Aussprache zu suchen.
Über das deswegen angerufene Herforder Arbeitsgericht wurde dann ein Kompromiss ausgehandelt, der den kandidierenden Betriebsräten und ihrem Gewerkschaftsvertreter einen zweistündigen Betriebszutritt ermöglichte, unter der Bedingung, hier nur über die Betriebsratswahlen zu sprechen. Die Wahl ging dann in einer Gaststätte über die Bühne. Drei IG-BAU-Kollegen wurden gewählt und mit einer Solifete vor dem Werkstor gefeiert.
Westerwelle ist jedoch nicht gewillt, in der Sache selbst nachzugeben. Bei der Verhandlung vor dem Herforder Arbeitsgericht wandte der Juniorchef der Belegschaft demonstrativ den Rücken zu und erklärte, das Unternehmen laufe mit Hilfe der Leiharbeitnehmer «reibungslos». Die Firma könne einen langen Streik problemlos verkraften.
Die Belegschaft geht Ende Mai in der siebte Streikwoche. Das bedeutet sieben Wochen Leben mit einer Streikunterstützung von 200 Euro pro Woche. Doch die Streikenden sind nicht demoralisiert. Nach Auskunft von Bodo Matthey ist die Stimmung der Kollegen sehr gut. Auch der Schichtleiter habe sich jetzt den Streikenden angeschlossen. Für den 2.Juni ist ein Familienfest geplant. Weiter vorwärts dürfte es in diesem Konflikt jedoch nur gehen, wenn es zu betriebs- und gewerkschaftsübergreifenden Aktionen kommt.
Die Kolleginnen und Kollegen freuen sich über Solidaritätsadressen, die sie ermuntern, ihren Kampf weiter zuführen. Solidaritätsschreiben können an die Adresse des zuständigen Sekretärs geschickt werden: bodo.matthey @igbau.de.
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