von Thadeus Pato
Die alternative Klimakonferenz packte auch heiße Eisen an. Die Beteiligung an der vom bolivianischen Staatspräsidenten Evo Morales einberufenen «Konferenz der Völker über den Klimawandel und die Rechte von Mutter Erde» übertraf alle Erwartungen:
Obwohl über tausend angemeldete Teilnhmer aus Europa von der isländischen Aschewolke am Abflug gehindert wurden, kamen statt der erwarteten 20.000 insgesamt 35.000 Klimaaktivisten.
Die Konferenz, entstanden aus der Wut und Enttäuschung über den desaströsen Ausgang der Kopenhagener UN-Klimakonferenz vom letzten Dezember, war unübersehbar von einer massiven Beteiligung der indigenen Organisationen geprägt. Einerseits war dies naheliegend angesichts der Tatsache, dass Bolivien eines der wenigen lateinamerikanischen Länder mit einer indigenen Bevölkerungsmehrheit ist. Aber auch aus anderen Ländern wie Peru, Chile, Ecuador und Brasilien waren Vertreter der indigenen Gemeinschaften und politischen Organisationen angereist.
Nur der Präsident von Ecuador, Rafael Correa, kam nicht, und das hatte einen Grund, der mittelbar auch etwas mit der Debatte auf der Konferenz zu tun hatte: In Ecuador hat sich die politische Lage wegen eines geplanten Gesetzes über die Wasserrechte, gegen das der Indígena-Dachverband CONAIE (bislang erfolgreich) Sturm läuft, erheblich zugespitzt.
In den Diskussionen der insgesamt 18 Arbeitsgruppen fand sich auch das Thema Ausbeutung der natürlichen Ressourcen wieder. Dabei spielten die Indígenas eine treibende Rolle. Offiziell gab es 17 mesas (Tische/Arbeitsgruppen), die sich mit Einzelthemen wie der Vorbereitung der nächsten UN-Klimakonferenz in Cancún im Dezember, den strukturellen Ursachen des Klimawandels, dem Problem der Klimaflüchtlinge, dem Handel mit CO2-Zertifikaten - kurz, mit dem gesamten Spektrum der Klimaproblematik auseinandersetzten. Jede dieser mesas legte am Ende der Konferenz eine Erklärung vor (nachzulesen auf der Website www.cmpcc.org).
Daneben gab es Hunderte von selbstorganisierten Veranstaltungen der NGOs - wobei bemerkenswert war, dass, obwohl ausdrücklich zugelassen, linke Parteien nur sehr vereinzelt anzutreffen waren. Diese Veranstaltungen bezogen sich nicht nur auf den Klimawandel, sondern auf die Umweltproblematik insgesamt.
Außerdem gab es eine gemeinsame Abschlusserklärung, der acuerdo de los pueblos. Die hat es durchaus in sich, und ihr Inhalt ist auch eine der Erklärungen dafür, warum in Deutschland annähernd die gesamte bürgerliche Presse (mit Ausnahme der Taz) die Konferenz schlicht komplett ignorierte. Da heißt es:
«Das kapitalistische System hat uns eine Logik der Konkurrenz, des unbegrenzten Fortschritts und Wachstums aufgezwungen. Diese Art der Produktion und Konsumption strebt nach Gewinn ohne Grenzen, trennt den Menschen von der Natur … und verwandelt alles in Handelsgüter … Unter dem Kapitalismus verwandelt sich die Erde ausschließlich in eine Quelle von Ressourcen und die Menschen in Produktionsmaschinen und Konsumenten, deren Wert nicht danach bemessen wird, was sie sind, sondern was sie besitzen.»
Heikle Fragen
Neben den offiziellen 17 Arbeitsgruppen gab es noch eine achtzehnte. Die beschäftigte sich mit dem Thema Extraktivismus, und das barg eine gewisse Brisanz. Denn das Problem ist, dass gerade in Ländern wie Bolivien, Ecuador und Venezuela der Extraktivismus, die Ausbeutung der Bodenschätze, die Basis der Wirtschaft darstellt, andererseits jedoch klar ist, dass mit der Förderung und dem Verbrauch fossiler Energieträger wie auch gewisser anderer Ressourcen so schnell wie möglich Schluss gemacht werden muss.
Die in der Erklärung der 18.Arbeitsgruppe niedergelegte offene Kritik an der entsprechenden Politik auch der bolivianischen Regierung wurde von offizieller Seite nicht goutiert und es gab heftige Diskussionen.
Eine weitere Kontroverse wurde vom Direktor von Le Monde Diplomatique Bolivien, Pablo Stefanoni, losgetreten, der in einem kurzen Artikel der Konferenz und ihren Protagonisten pauschal unterstellte, den Diskurs mit dem Begriff der pachamama (Mutter Erde) auf eine quasiesoterische pseudophilosophische Ebene zu lenken. Er lehnte den Bezug auf die indigenen Produktions- und Kollektivverwaltungsstrukturen rundheraus ab, unterstellte überdies, dies gehe vorwiegend von westlichen NGOs aus.
Dem hat inzwischen der peruanische Quechua- und Campesinoführer Hugo Blanco heftig widersprochen und Stefanoni rundheraus antiindigenen Rassismus vorgeworfen. Er verwies darauf, dass es in Lateinamerika die Indígenas sind, die derzeit, ob in Peru, Chiapas, Bolivien oder Ecuador, keine esoterischen Debatten, sondern harte und bisweilen, wie letztes Jahr in Bagua (Peru), blutige Kämpfe für den Schutz der Natur vor den anrückenden Öl- und Minenmultis führen.
Aktionsperspektiven
Es wurde nicht nur diskutiert, sondern auch geplant: Im Vorfeld von Cancún soll ein weltweites Referendum zum Klimawandel stattfinden, die nächste Konferenz der Völker soll 2011 sein. In der Abschlusserklärung wurde niedergelegt, um was es in dem Referendum gehen soll: «Deshalb brauchen wir ein weltweites Referendum, ein Plebiszit oder eine Volksbefragung zum Klimawandel, in dem alle zu Folgendem befragt werden:
das Niveau der Reduktion der Treibhausgasemissionen, zu dem die entwickelten Länder und die transnationalen Konzerne verpflichtet werden müssen;
die Finanzierung seitens der entwickelten Länder;
die Einrichtung eines Internationalen Gerichtshofs für Klimagerechtigkeit;
die Notwendigkeit einer universellen Erklärung zu den Rechten von Mutter Erde -
und die Notwendigkeit, das aktuelle kapitalistische System zu ändern.»
Die Erklärung ruft auch zur Bildung einer internationalen Bewegung auf. Letztere allerdings wird nur dann erfolgreich und möglich sein können, wenn sie sich unabhängig von Staaten und Regierungen konstituiert - auch von der von Evo Morales.
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