Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2010
Mehr kann er derzeit nicht werden
Interview mit Willi van Ooyen

Roland Koch ist am 25.Mai von seinem Amt als Ministerpräsident von Hessen und von allen Parteiämtern zurückgetreten.

Warum ist Roland Koch zurückgetreten?

Es gibt zwar keine reale Opposition gegen ihn, aber eine Grundstimmung, die gegen Koch’sche Positionen opponiert. Und da er jemand ist, der solche Anzeichen bemerkt, hat er sich wohl gesagt: Nach mir die Sintflut. Roland Koch ist 52 Jahre alt und hat keine Chancen, die kommenden Landtagswahlen zu gewinnen.

Gab es irgendwelche Anzeichen?

Politisch muss man sagen, stagniert Hessen seit 2009, also seit den jüngsten Landtagswahlen. Es gibt seitdem keine Bewegung mehr, keine Initiativen mehr, im Grunde genommen wird dieses Land nur noch verwaltet. Nicht mal solche Korrekturen wie die Wiedereinführung der Studiengebühren wurden gemacht, nachdem sich die Mehrheitsverhältnisse geändert hatten. Die schwarz-gelbe Koalition in Wiesbaden setzt natürlich immer Gesetzesentwürfe durch, die uns nicht passen - z.B. jetzt die Verlängerung der Arbeitszeit im Beamtenrecht. Aber es ist nicht erkennbar oder in der Öffentlichkeit wahrnehmbar, dass sie irgendetwas bewegt hätte, was den Leuten gefiele.

Gab es denn Schwierigkeiten zwischen CDU und FDP?

Nein, im Gegenteil, die FDP hat 2003 schon Koch gerettet, als es die Schwarzgeldaffäre gab. Obwohl Koch alle belogen hat, hat die FDP ihm noch mal das Vertrauen ausgesprochen und ihn im Amt gehalten. Derzeit sieht es jedoch nicht gut für die Regierung aus. Sie kriegt die Haushaltssanierung nicht hin, hat noch mal 3,4 Mrd. Schulden gemacht - zusätzlich, insgesamt segelt Hessen auf einem Schuldenberg von 40 Mrd. 2011 sind noch mal 3,5 Mrd. Neuschulden geplant. Dafür wollen sie die kommunalen Haushalte plündern.

Hatte Koch denn Probleme, seine Ideen in der Koalition durchzusetzen?

Er hat den Vorstoß für die Streichung bei der Bildung gemacht, aber er hat sich nicht durchgesetzt. Wir haben im März Kommunalwahlen, da wird es wahrscheinlich für die CDU ziemlich brachial, denn unabhängig davon, wer jeweils Bürgermeister ist, mehr als auf die Sparbremse drücken und Gebühren anheben kann er nicht. Das ist kein schönes Geschäft, daher drängt sich auch keiner, im kommunalen Bereich Verantwortung zu übernehmen. Das ist sicherlich einer der Punkte - die Stimmung bei den Kommunalpolitikern ist wirklich mies.

Spielt es eine Rolle, dass er sich bei Frau Merkel mit seinen Vorschlägen nicht durchsetzen konnte?

Das spielte sicher eine Rolle. Ich war im Übrigen etwas sauer über die Reaktion unserer Partei in Berlin, wo bemerkt wurde, Koch wäre kein Ja-Sager. Das war er nicht, aber er hat immer an den falschen Punkten Nein gesagt.

Ist das, was er vertritt, in der CDU nicht mehrheitsfähig?

Ich glaube nicht, diese schwarz-gelbe Konstellation ist ja mitnichten ein Hoffnungsträger. Die Themen, für die die FDP und die rechte CDU stehen, sind nur mit brutaler Gewalt durchsetzbar. Es ist jedoch ein Phänomen, dass europaweit - Beispiel Ungarn, Italien, Frankreich - reaktionäre Positionen zunehmen. Das haben wir hier noch nicht, die Frage ist, ob sich so was herausbildet.

Wie reagiert die SPD?

DIE LINKE wird immer noch ausgegrenzt, weil die SPD immer noch die Möglichkeit sieht, mit der CDU zu paktieren. Ideologisch arbeitet sie zwar an der Anti-Koch-Position mit, übernimmt dabei auch ein wenig unsere Begriffe - so wendet sie sich gegen das «System Koch», das, einfach ausgedrückt, darin besteht, die Armen ärmer und die Reichen reicher zu machen. Es gibt den Flügel in der SPD, der sagt, jetzt müssen wir dieses Land wieder auf Kurs bringen, das können nur wir zwei Großen machen. Selbst die Grünen drängen jetzt in eine Koalition - für sie geht jedoch derzeit die Bereinigung der CDU noch nicht weit genug.

Willi van Ooyen ist Fraktionsvorsitzender der LINKEN im hessischen Landtag.

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