Elektronikhersteller FoxConn am Pranger
von Jochen Gester
iPhones und ähnliche Kommunikationsmittel werden millionenfach hergestellt und verkauft und sind aus dem Alltag in den reichen Länder kaum mehr weg zu denken. Nun wird dieser Alltag durch Nachrichten aus den Produktionsstätten China erheblich getrübt.
Im Mittelpunkt der Schlagzeilen steht FoxConn, das Unternehmen des in Taiwan ansässigen Eigentümers Terry Gou. FoxConn ist der weltweit größte Elektronikhersteller und produziert im Auftrag großer Elektronikanbieter wie Apple, HP, Dell, Sony oder Nokia auf einem 4 km2 großen Gelände in Shenzhen nördlich von Hongkong. Der Konzern hat 800.000 Beschäftigte, wovon in der Sonderwirtschaftszone allein 400000 beschäftigt sind. Unternehmen wie Apple verdienen damit Milliarden; allein zwischen Januar und Mai dieses Jahres verdiente FoxConn 500 Mio. Dollar.
Die Arbeitsbedingungen
Was für die einen Grund zur Freude ist, führt die anderen in die Verzweiflung. Elf Beschäftigte des Werks nahmen sich seit Jahresbeginn das Leben. Mitte April sprang ein Mann aus dem vierten Stock in den Tod. Kurz zuvor hatte er seinen Eltern noch mitgeteilt, er sei erschöpft, weil er Tag für Tag bis in die Nacht Überstunden machen muss. Ein anderer wählte den Freitod, weil ihm mit Entlassung gedroht wurde. Mitte Mai vergiftete sich ein Beschäftigter, weil die Firma ihm nach einem Unfall eine finanzielle Entschädigung verweigerte. Die chinesischen Medien nennen die Firma «Selbstmordexpress».
Die meisten Beschäftigten bei FoxConn sind Wanderarbeiter im Alter von 18 bis 24 Jahren und kommen aus den ärmeren Provinzen. Sie wohnen in 3-Bett-Schlafsälen auf dem Werksgelände und essen in der werkseigenen Kantine. Bestenfalls zum Neujahrsfest kehren sie diesem Alltag den Rücken. Sie klagen über Einsamkeit und mangelnde Kommunikation. Der überlange Arbeitstag führt dazu, dass selbst die, die im gleichen Schlafsaal untergebracht sind, sich nicht kennenlernen. Gearbeitet wird in 10-Stunden-Schichten, mit den Überstunden dauert eine die Arbeitswoche nicht selten 80 Stunden.
Ein FoxConn-Arbeiter, der zu Hause starb, berichtete der Agentur Reuter, er habe über einen Monat lang Nachtschichten verrichtet und manchmal 24 Stunden durcharbeiten müssen. Gegenüber der NGO China Labor Watch beschreibt ein anderer Arbeiter die Arbeitsdichte: Alle sieben Sekunden muss ein Handgriff gemacht werden, um 4000 Dell-Computer am Tag zusammenzubauen – im Stehen, über 10 Stunden lang. Mitunter muss in sog. Strafstunden nachgearbeitet werden.
Bis Mai hatten die Beschäftigten nur alle 13 Tage einen Tag frei. Wenn sie diesen an einem Werktage genommen haben, hatten sie dafür am Wochenende Überstunden zu leisten. Dies führt dazu, dass einige Arbeiter den ganzen Monat auf Arbeit sind. Der Umgang und Stil des Managements wird als militärisch beschrieben. Das monatliche Grundeinkommen für diese Ausbeutung entspricht dem örtlichen Mindestlohn, der etwa 107 Euro beträgt. Dazu kommen Überstundenzuschläge von 0,92 Euro an Werktagen und 1,20 Euro am Wochenende. Ein Großteil des Einkommens entfällt auf Unterkunft und Verpflegung. Für die Versorgung der oft vielköpfigen ländlichen Familien bleibt wenig übrig.
Ein Wendepunkt
Das FoxConn-Management reagierte auf die öffentliche Berichterstattung mit einer zynischen Idee: Es ließ die Beschäftigten eine Selbstverpflichtung unterschreiben, dass sie sich nicht auf dem Werksgelände umbringen werden. Zudem wurden Netze aufgehängt, die erschweren sollen, dass Menschen sich in den Tod stürzen.
Auch die Auftraggeber wiegelten erst einmal ab. Die Nr.1 im Apple-Konzern, Steve Jobs, gab der Presse zu Protokoll: «FoxConn ist kein Sweatshop. Es ist eine Fabrik, meine Güte, aber sie haben dort auch Restaurants, Kinos, Krankenhäuser und Swimming Pools. Für eine Fabrik ist es eine schöne und hübsche Fabrik. Und wenn man die Selbstmordversuche – es gab 13 bis jetzt in diesem Jahr – zählt, liegen sie unter der US-Rate von 11 pro 100000. Doch es ist wirklich ärgerlich.»
Die Blockade ließ sich nicht durchhalten. Chinesische Medien verbreiteten Informationen über die Zustände in der Fabrik. Der Journalist Liu Zhiyi von der Redaktion der Nanfang Zhoumo, einer der mutigsten und kritischsten Zeitungen in der Volksrepublik, heuerte in der Manier von Günther Wallraff bei FoxConn an und recherchierte dort 28 Tage lang. Er berichtete, dass viele der Beschäftigten in der Hoffnung auf ein besseres Leben sogar eine Erklärung unterschreiben, dass sie auf eigene Verantwortung mehr als die gesetzlich erlaubten 36 Überstunden pro Monat leisten, auch wenn ihr Dasein dann nur noch daraus besteht, «Maschinen zu bedienen und selbst zu Maschinen zu werden». Eine Gruppe renommierter Professoren der Sozialwissenschaft verfassten einen offenen Brief an FoxConn, in dem sie den Zusammenhang zwischen Selbstmord und Arbeitsbedingungen aufzeigten.
Der öffentliche Druck führte dazu, dass der Dachverband der chinesischen Gewerkschaften, ACFTU, seine Branchenverbände aufforderte, psychologische Beratungen für junge Wanderarbeiter anzubieten. Zudem drängte man nun die Unternehmen, kollektive Lohnverhandlungen zu ermöglichen, die Löhne anzuheben und zu erlauben, dass die Gewerkschaften sich um die Rechte der Beschäftigten kümmern. Doch obwohl es bei FoxConn eine Gewerkschaft gibt und die Hotline des Gewerkschaftsvorsitzenden auf den Werksausweisen steht, blieben die Betroffenen bislang ohne Unterstützung. Praktische Solidarität leisteten das Netzwerk SACOM (Studenten und Wissenschaftler gegen Fehlverhalten von Unternehmen), das eine Online-Petition mit dem Titel «June 8th: Global Day of Remembrance for Victims of Foxconn» auflegte, und NGOs in Taiwan, die eine Protestaktion auf der vom Staatspräsidenten eröffneten größten Technologiemesse Asiens organisierten.
Am Ende wurden die großen Hersteller nervös und signalisierten FoxConn, dass etwas passieren muss, damit sie aus den negativen Schlagzeilen herauskommen. FoxConn wird ab Oktober die Einkommen der Belegschaft auf dann 2000 Yuan verdoppeln (245 Euro), die Zahl der Überstunden soll reduziert werden und es soll tägliche Gesprächsangebote und eine Hotline für Hilfesuchende geben.
«Wir befinden uns an einem Wendepunkt», sagt Lee Chang-hee von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Peking: «Chinas Arbeiter beginnen gemeinsam für die Löhne und Arbeitsbedingungen zu kämpfen.»
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