14.7.1947 – 8.6.2010
von Willi Hajek
Die Diagnose der Ärzte im Dezember war eindeutig. Der Kampf gegen den Krebs ist nicht mehr zu gewinnen. Archi hat dieses «Urteil» akzeptiert und ist sich auch seinem letzten Lebensabschnitt als rheinische Frohnatur treu geblieben. Angehörige, FreundInnen und politische Weggefährten haben ihn bis zuletzt begleitet. Am 8.Juni starb er im Hospiz des Krankenhauses Havelhöhe in Berlin.
Geboren wurde er in eine bürgerliche Familie. Sein Vater war ein strenger Professor. Archi wuchs in der Adenauerzeit mit ihrem verklemmten kulturellen Mief auf. In den 50er und 60er Jahren lernte er früh sich zu behaupten, und mit seinen kulturellen Vorlieben provozierend – Jackson Pollock und die Beatles etc – schuf er sich Freiräume und störte den häuslichen Frieden, bis er vor die Tür gesetzt wurde.
In Schule und Freizeit packte ihn der Wind der Revolte, er begab sich in die Turbulenzen der 68er Zeit. Archi lernte den SDS kennen, war aktiv, wurde aber nie Student, sondern studierte die Arbeiterklasse direkt vor Ort, im Klöckner Stahlwerk und dann bei Mercedes in Düsseldorf. Schnell wurde er entdeckt und aufgenommen in eine der agierenden K-Parteien, die DKP. Dennoch wurde er niemals ein Partei- und Gewerkschaftssoldat. Allein kandidierte er in Düsseldorf gegen die damalige IG-Metall-Mehrheitsgewerkschaft, bekam auf Anhieb 20% der Stimmen und gründete eine Alternative Gruppe, aus deren Reihen heute der Betriebsratsvorsitzende im Werk kommt.
Archi rebellierte gegen die autoritären Traditionen der Arbeiterbewegung in Worten und auch in seinen praktischen Aktivitäten. Früh beteiligte er sich am Aufbau des Labournet, an den vielfältigen internationalen oppositionellen gewerkschaftlichen Aktivitäten von Frankreich bis China und lernte in den letzten Jahren über regelmäßige Besuche und Kontakte zu französischen Basisaktivisten eine ganz andere, libertäre, Art von Gewerkschaftshandeln kennen, die seinem tiefsten Wesen genau entsprach.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Betrieb ging er nach Berlin, um dort zusammen mit Freundinnen und Freunden aus dem künstlerischen Bereich Initiativen zu starten. In den letzten beiden Jahren bekam er noch einmal Gelegenheit, seine ganze Erfahrung und Energie in das Solidaritätskomitee einzubringen, das sich gegen die Kündigung der Kassiererin Emmely zusammengefunden hatte. Hier wurde er zu einem der wichtigen Träger des Komitees, der allen Engagierten half, diesen langen, manchmal schwierigen, 28monatigen Kampf durchzustehen. In derselben Woche, in der Archie «tschüss – ich habe genug gelebt – et je ne regrette rien» sagte, gewann Emmely ihren Prozess. Archies letzter unerwarteter Erfolg.
Respekt und Dank für einen langjährigen Freund und weitherzigen libertär-kommunistischen Basisgewerkschafter, der uns allen sehr fehlen wird.
Archie Kuhnke, Elf Hüpfer durch vierzig Jahre aus 1968 und dann? Erfahrungen, Lernprozesse und Utopien von Bewegten der 68er Revolte, Atlantik Verlag 2002.Video-Interview mit Archi am 17.3.2010, http://kanalb.org. Sein letztes Interview auf www.keimform.de.
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