Eine Kurskorrektur der deutschen Außenpolitik ist überfällig. Die Bundesrepublik Deutschland und die EU sind nach den USA Israels wichtigster Wirtschafts- und Rüstungspartner. Sie können das Pulverfass Nahost entschärfen und zu einer gerechten Lösung des weltpolitischen Konfliktherds beitragen, wenn sie Völkerrecht und Menschenrechten universell Geltung verschaffen. Dem stehen massive geopolitische Interessen entgegen. Sie können nur durch starken öffentlichen Druck gekontert werden.
Gefordert ist insbesondere die Linke in Deutschland, in der politische Rat- und Hilflosigkeit, aber auch falsche Positionierungen zum Thema Israel/Palästina verbreitet sind. Friedenaktivisten aus verschiedenen Bereichen haben deshalb jetzt ein Positionspapier Nahost unter dem Titel «Völkerrecht und Menschenrecht» veröffentlicht. Ein starker Impuls dafür war der Offene Brief von über 100 israelischen Friedensaktivisten und Linken an DIE LINKE von Anfang des Jahres, in dem genau dies gefordert wurde.
Nachstehend Auszüge, das Papier ist in seiner Gänze nachzulesen auf www.steinbergrecherche.com und auf dieser Webseite unter "Aktionen"..
Israel ist durch die koloniale Landnahme, durch die zionistische Staatsdoktrin bzw. die Definition als «jüdischer Staat» sowie die Politik seiner bisherigen Regierungen Täter und nicht Opfer. Die Selbstdefinition als Staat aller Juden – und nicht als Staat aller seiner Bürgerinnen und Bürger, wie es modernem Staatsrecht entspräche – führt zwangsläufig zu Diskriminierung und Ausgrenzung und zur Verweigerung des Rückkehrrechts der palästinensischen Flüchtlinge. Das ständige Bestreben, das zahlenmäßige Übergewicht der jüdischen Bevölkerung zu sichern und aktive Einwanderungspolitik zu betreiben sowie das Ziel, Israel möglichst auf ganz Palästina auszudehnen, führen zu zahllosen Widersprüchen, strukturellem Unrecht, rassistischer Ausgrenzung und ethnischer Säuberung. Der zionistische Kolonialismus hat die jüdische Arbeiterschaft in ihrer großen Mehrheit zu Gefangenen dieses Staatskonzepts gemacht und von der israelisch-palästinensischen Arbeiterschaft sowie den Arbeitsmigrantinnen und -migranten durch tiefe Gräben getrennt. […]
Das deutsch-israelische Verhältnis kann und darf – unter Verweis auf den Völkermord an den Juden – nicht mit grundsätzlich anderen Maßstäben als andere zwischenstaatliche Beziehungen bewertet werden. Die bisherige Rolle der westdeutschen Regierungen und der Regierung des vereinigten Deutschland nach 1990 hat weniger mit der notwendigen Aufarbeitung des Völkermords an den Juden zu tun, sondern mehr mit Komplizenschaft bei neuem Unrecht. Israel hat sich immer in der Rolle des Vorpostens der westlichen Welt im Nahen Osten und in der arabischen Welt gesehen. In dieser Rolle wurde es von den USA und Europa unterstützt. Israel hat traditionell mit Militärdiktaturen in aller Welt kooperiert und jahrelang das Apartheidregime in Südafrika unterstützt. An der Seite der USA und Europas beteiligt es sich an vorderster Front am Kampf gegen den sogenannten «islamischen» Terrorismus. […]
Die Lehre aus dem Völkermord an den Juden kann nur der gemeinsame und ungeteilte Kampf für universelle Menschenrechte und eine sozial gerechte Welt sein. Wenn Israel schweres Unrecht unter Berufung auf den Völkermord der Nazis an den Juden begeht, von anderen Regierungen dabei unterstützt oder gerechtfertigt wird, so ist das eine Verhöhnung der Opfer. Zusammen mit den internationalen gesellschaftlichen Bewegungen für eine friedliche und gerechte Welt treten wir dafür ein, die unterdrückerische, ausgrenzende und kriegerische israelische Politik und die zionistische Staatsdoktrin zu delegitimieren. Das ist die zentrale Voraussetzung für ein Leben in Frieden, Sicherheit und Demokratie sowohl für Israelis wie für Palästinenser. Es gibt keine deutsche historische Wiedergutmachung auf Kosten der Palästinenser und Palästinenserinnen. Wir weisen entschieden die Anwürfe zurück, Kritik an der Politik der israelischen Regierung und an den Kriegsverbrechen der israelischen Armee sei eine Form des Antisemitismus. […]
Wir setzen uns für den verstärkten Austausch und die Zusammenarbeit mit den israelischen und palästinensischen fortschrittlichen Kräften sowie die Stärkung der internationalen zivilgesellschaftlichen Bewegungen insgesamt ein…
Ein wichtiges Mittel, wirksamen Druck von unten aufzubauen, ist die von der palästinensischen Zivilgesellschaft im Jahr 2005 angestoßene internationale Kampagne Boykott, Desinvestment und Sanktionen (BDS). Sie richtet sich gegen die Unterdrückungspolitik eines Staates, und gegen alle, die von Besatzung und Mauerbau in Israel/Palästina profitieren oder daran beteiligt sind, d. h. vor allem gegen Wirtschaftsunternehmen, Finanzgruppen, akademische Institutionen usw. […] In Deutschland sollte die BDS-Kampagne sich hauptsächlich gegen Rüstungskonzerne, -projekte und Konzerne richten, die am Bau der Mauer, an Sperranlagen und Überwachungseinrichtungen in den von Israel okkupierten Gebieten verdienen. Sie sollte auch über die Bedingungen aufklären, unter denen israelische Produkte hergestellt und zollbegünstigt in die EU eingeführt werden. […]
Erstunterzeichnete u.a.
Elias Davidsson, Sophia Deeg, Hermann Dierkes, Martin Forberg, Inge Höger, Ellen Rohlfs, Thomas Steinberg, Stefan Ziefle
Unterschriften bitten senden an tis@post.com.
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