Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 07/2010

Im Schatten des Tafelberges
Deutschland 2010
Regie: Alexander Kleider und Daniela Michel
Kaufpreis: 24 Euro.

von Angela Huemer

In ruhiger, klassischer Dokumentarfilmmanier erzählt Im Schatten des Tafelbergs drei unterschiedliche Lebenswelten in Kapstadt.
Ashraf und Mne, zwei ehemalige Freiheitskämpfer zeigen, wie man Wasser beziehen kann, ohne es zu bezahlen was aufgrund der aktuellen Privatisierungsmaßnahmen immer schwieriger wird. Sie beraten ältere Frauen, die darum fürchten, aus der Gegend vertrieben zu werden, in der sie ihr ganzes Leben verbracht haben. Die Fussball-WM stellt für viele Bewohner der sog. «informal settlements» eine Bedrohung dar, besonders in den Hütten nahe dem Flughafen. Die Touristen und Fussballfans sollen nicht sofort nach ihrer Ankunft mit dem Elend konfrontiert werden.

Die alleinerziehende Mutter Zoliswa lebt mit ihren Kindern in einer sog. «informal settlement», es wäre schön, sagt ihre 16-jährige Tochter, wenn man in einem richtigen, gemauerten Haus leben könnte, denn dann würden abends, wenn alle Lichter und der Fernseher aus ist, nicht immer die Ratten kommen, um nach Essen zu suchen. Ihre Mutter sucht und findet eine zweite Arbeit durch die Agentur «Marvellous Maids». Die Filmemacher begleiten sie bei ihrem Vorstellungsgespräch. Die Verantwortliche der Agentur fragt Zoliswa, ob sie denn englisch sprechen und schreiben könne. Zoliswa bejaht, gut meint die Sachbearbeiterin, dann könne sie ja Einkaufslisten erstellen. Später lernen wir Zoliswas neue Arbeitgeberin kennen. Diese lebt in einem sehr schönen gemauertem Haus, komplett mit Garten und Swimmingpool, und sprachlos sieht man dabei zu, wie selbstverständlich die soziale Trennung existiert.

Arnold bildet sich fort. Schon seit einiger Zeit arbeitet er als Wachmann. In 12-Stunden-Schichten, von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens, patrouilliert er das Gelände in einer sog. «gated community», bewachten Siedlung. Nun will er sich weiter qualifizieren, er besucht einen Kurs, um eine Waffe tragen zu dürfen.

Die Filmemacher Alexander Kleider und Daniela Michel verzichten auf Narration. Sie sind nicht auf Sensationen aus, sondern wollen den Alltag darstellen. Die formale Disziplin sieht Alexander Kleider als Teil seines politischen Anspruchs. Und gerade weil der Film so zurückhaltend ist und ohne die oft im politischen Film üblichen Polemiken und Selbstverliebtheiten auskommt, zieht er den Zuseher in seinen Bann und macht immer wieder sprachlos angesichts der so «normalen», haarsträubenden Lebensumstände.

Auch wenn man den Film auf einem Festival oder im Kino sehen könnte, rate ich unbedingt zum Kauf der DVD. Mit dieser erwirbt man auch die sog. Bonus DVD. Diese DVD enthält zwei wunderbare Kurzfilme: Keeping the lights on (11 Minuten), ein Film über die Schwierigkeit der jugendlichen Kämpfer gegen die Apartheid, ihren Kampf in ein erfülltes Leben umzuwandeln. Zwischen Welten (10 Minuten) porträtiert eine schwarze Haushälterin, die bei weißen Südafrikanern lebt und arbeitet und eine Art zweite Mutter des Sohns des Hauses ist während ihr eigenes Kind ihr fremd ist, da es bei ihrer Mutter aufwachsen musste. Obwohl sie als Teil der Familie gesehen wird, fühlt sie sich einsam, ihre eigentliche Familie hat sie wohl am ehesten durch ihre Gewerkschaftstätigkeit gefunden.

Zusätzlich gibt es in ausführlichen Interviews die Gelegenheit, mehr über aktuelle Probleme Südafrikas und Kapstadts zu erfahren: Zackie Achmat, Gründer und Vorsitzender der «Treatment Action Campaign», die sich für AIDS-Kranke einsetzt, spricht nicht nur über den Kampf gegen AIDS, sondern auch über den ANC und wie aktuelle demokratische Politik aussehen könnte. Neville Alexander, Leiter des Bildungsinstituts PRAESA und einer der prominentesten Intellektuellen und Antiapartheidkämpfer, spricht über den Widerstand, die Apartheid, die Veränderungen seither und die Zukunft. Tony Ehrenreich, Gewerkschaftssekretär, erzählt von der Sicherheitsindustrie und dem sog. «Black Empowerment». Yazir Henri, Gründer und Leiter des Direct Centre for Peace and Memory, stellt seine Organisation vor und spricht über die Probleme, die auch in einem der Kurzfilme anklingen die Generation, die durch den Kampf gegen die Apartheid ihre Jugend «verpasste», keine Gelegenheit zu einer ordentlichen Berufsausbildung hatte. Sophie Oldfield, Professorin für Geografie und Stadtentwicklung erzählt von der Struktur der Stadt, den erheblichen Veränderungen und den Problemen der letzten Jahre.

Das Schöne an der DVD ist, dass die Macher durch die Menügestaltung die Gelegenheit bieten, einzelne Aspekte der Gespräche herauszugreifen.
Der Film wurde Ende Mai im Fernsehen auf Phoenix ausgestrahlt und lief auf mehreren Festivals, u.a. war er nominiert für den Max-Ophüls-Preis.

Auf der Internetseite dok-werk. com/de kann man die nächsten Vorführtermine einsehen. Im Juli stehen folgende Termine fest:

Berlin: 4., 9., 10.7., 18 Uhr, Regenbogenkino Kreuzberg; 7.7., 19.30 Uhr, Galerie Olga Benario, Richardstr.104, Neukölln;
Bielefeld: 8.7., 20 Uhr, Uni;
Siegen: 8.7., 20 Uhr, Stadtbibliothek;
Wien: 10.7., WUK.
Alle weiteren Informationen zum Film und Ankauf der DVD: http://dok-werk.com/de.

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