von Peter Vollmer
Eine Gruppe von 40 superreichen Propagandisten in den USA, darunter Bill Gates und Warren Buffet, will angeblich andere Superreiche zum Spenden von 600 Milliarden Dollar für den amerikanischen Staat gewinnen. Die Initiatoren selbst würden bestenfalls 100 Milliarden Dollar auf die Beine bringen. Nicht einmal diese Summe ist gesichert.
Berücksichtigen wir, dass sie die Hälfte davon an Erbschaftssteuern sparen – der Staat also die Hälfte der Summe zahlen würde –, so reden wir noch von 50 Milliarden Dollar, das sind beim Umrechnungskurs von 1:1,25 (Euro:US-Dollar) 40 Milliarden Euro. Auf Deutschland übertragen, das ein Viertel der US-Bevölkerung zählt, reden wir vergleichsweise von 10 Milliarden Euro. Hut ab für die Spender, aber wozu diese Aufgeregtheit? Sprechen wir lieber über Feudalismus und bürgerliche Demokratie.
Feudalismus oder bürgerliche Demokratie?
Nun lassen sich Staat und Steuern in den USA und Deutschland schlecht miteinander vergleichen. Und es kann hier auch nicht untersucht werden, warum der junge schlanke Staat der USA schon lange durch äußert einflussreiche und superreiche Stifter geformt und dominiert wird, das hat seine eigene Geschichte. Den Stiftern fehlt allerdings aus europäischer Sicht jegliche gesellschaftliche Legitimation. Superreiche bestimmen nach Gutsherrenart, wo’s lang zu gehen hat, sie ersetzen durch den Einsatz ih-res (?) Geldes Volkes Willen. Die Frage, wer ihren Reichtum erwirtschaftet hat, wollen wir uns lieber sparen (auf keinen Fall sie selbst!).
Wir betonen: Der große Fortschritt gegenüber einem solchen Feudalismus sind die demokratischen Errungenschaften der bürgerlichen Gesellschaft, in denen das Volk und nicht das Geld beschließt, welche Aufgaben der Staat zu übernehmen hat und wie die Mittel dafür – nicht freiwillig, sondern verpflichtend – eingenommen werden.
Steuern heißen Steuern, weil der Staat damit zielgenau die Geschicke zum Wohl aller Bürger steuern soll. Die Verantwortlichen in Deutschland betreiben dieses Steuern allerdings seit langem derart, dass Arm und Reich in rasanter Geschwindigkeit immer mehr auseinanderdriften.
Die Früchte von mehr Gleichheit
Die britischen Epidemologen Kate Pickett und Richard Wilkinson haben in einer sich über mehrere Jahrzehnte erstreckenden empirischen Studie in Industriestaaten nachgewiesen, dass in den Ländern, in denen die Unterschiede zwischen Arm und Reich gering sind, auch die gesellschaftlichen Probleme geringer sind. Lebenserwartung, Gesundheit, Bildungschancen und Kriminalität stehen in eindeutigem Zusammenhang mit der sozialen Ungleichheit einer Gesellschaft. Maßgebend ist nicht etwa die Höhe des Durchschnittseinkommens. «Gleichheit ist Glück», so der Untertitel ihrer Studie auf dem Klappentext der Veröffentlichung.
Alarm!
In Deutschland besaßen im Jahre 2003 10% der Bevölkerung 58% der Vermögenswerte, und die untersten 50% der Bevölkerung nichts, höchstens Schulden. 2007 waren es schon 61% der Vermögenswerte und die Tendenz ist steigend. – Alarmstufe 1!
Die Nettolöhne und -gehälter sanken von 2000 bis 2010 um 2,6%, dagegen stiegen Unternehmens- und Vermögenseinkommen um 30,6%. – Alarmstufe 2!
Eine Familie mit 2 Kindern zahlt durchschnittlich 45,2% Steuern und Sozialabgaben, Millionäre 36% und die reichsten 400 nur 34%. – Alarmstufe 3!
Die Vermögensteuer wurde 1997 gänzlich abgeschafft. – Alarmstufe 4!
Der Spitzensteuersatz wurde in den vergangenen 30 Jahren in Etappen von 56% auf 53% auf 48% auf 45% auf 42% (+3% Reichensteuer und Soli) gesenkt. – Alarmstufe 5!
Die Kapitalertragsteuer wurde im vorigen Jahr auf 25% senkt. Jetzt reicht’s.
Zwei Problemfelder des individuellen Reichtums
Die Reichen werden immer Reicher und die Armen immer ärmer. Dieser angehäufte Reichtum ist besonders in zweifacher Hinsicht eine Crux.
Erstens hat die Regierung ohne Not auf das zur Bewältigung ihrer Aufgaben notwendige Geld verzichtet, so fehlt es an allen Ecken und Enden.
Und zweitens finden die Reichen in der realen Produktion und Wirtschaft keine ihren horrenden Vorstellungen entsprechenden Anlagemöglichkeiten mehr. Deshalb lassen sie ihr überschüssiges Geld in Form von Zertifikaten, Derivaten, Leerverkäufen usw. den Globus umkreisen und verursachen damit Finanz- und Wirtschaftskrisen.
So kann man gegensteuern:
Die derzeit 48 Personen, die als selbst Betroffene den “Appell für eine Vermögensabgabe» unterzeichnet haben, schlagen die Erhebung einer einmaligen 10%igen Vermögensabgabe in zwei Jahresraten in Höhe von jeweils 5% vor. Diese 10% sind weniger als die seit 1997 eingesparte Vermögensteuer! 500000 Euro Freibetrag pro Person und 3 Millionen bei Betriebsvermögen sorgen dafür, dass sich niemand ernsthaft einschränken muss. Rund 2,2 Millionen Reiche werden auf diese Weise zur Kasse gebeten. Das bringt dem Staat ungefähr 100 Milliarden Euro.
Die Vermögensabgabe soll gezielt in den ökologischen Umbau der Wirtschaft, in Personal für Bildungs-, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sowie in die Erhöhung von Transfereinkommen investiert werden, ein wahrlich stattliches Konjunkturprogramm! Und nach zwei Jahren soll dann wieder eine jährliche Vermögensteuer eingeführt werden. Dabei muss man berücksichtigen, dass die Besitzsteuern (Grund-, Grunderwerb-, Erbschaft-, Schenkungssteuern) in Deutschland 0,9% des BIP ausmachen, während sie im Durchschnitt in den OECD-Staaten 1,9%, in Frankreich 3,5% und in Großbritannien 4,6% betragen. Entgegen aller Unkenrufe ist Deutschland eben ein Niedrigsteuerland!
Dass es zu derartigen persönlichen Vermögen von vielen Milliarden Dollar oder Euro kommen kann, des Wahnsinns letzter Schrei wird das nicht bleiben.
Der Autor ist Gründer der Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt und Unterzeichner des Appells für eine Vermögensabgabe.
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