Pakistan: Internationale Solidarität in der Katastrophe
von Pierre Rousset
In einem Brief vom 15.August an den Präsidenten der Europäischen Kommission José Manuel Barroso erklärt Frankreich Staatspräsident Nicolas Sarkozy sich bereit, im «Rahmen der Nato nationale militär-logistische Mittel» zur Verfügung zu stellen, darunter Schiffe und Flugzeuge; er erwartet, dass Europa dasselbe tut. «Darüber hinaus hat Europa auch ein Interesse, die Entwicklung und die Stabilität des Landes zu sichern.»
Ohne Scham spricht er die geostrategische Instrumentalisierung von Hilfe an. Statt zivile Mittel anzuheuern, soll die Hilfe von Nato-Einheiten organisiert werden, die selber gegen das Nachbarland Afghanistan Krieg führen – mithin in einem Konflikt stehen, der Pakistan zerreißt! Die Vermengung von militärischen Operationen mit humanitärer Hilfe – von Wiederaufbau und der Erschließung neuer Märkte für die multinationalen Konzerne – ist charakteristisch für die aktuelle imperialistische Politik. Sie macht die humanitäre Hilfe zu einer Geisel des Militärs.
Im Fall von Pakistan ist das ein Gottesgeschenk an die politisch-religiös Fundamentalisten, die leichtes Spiel haben, die kaum verhüllten imperialistischen Bestrebungen anzuprangern. Damit werden auch die unabhängigen Hilfsorganisationen gefährdet, die vor Ort arbeiten.
Die Löschung humanitärer Hilfsladungen durch das Militär sieht aus wie eine Invasion (vergleiche die Ereignisse in Haiti), der unter dem Vorzeichen des «Wiederaufbaus» der zerstörten Gebiete weitere Invasionen folgen werden. Die Tourismusindustrie hat nach dem Tsunami gierig nach den «gereinigten» Stränden der Fischerdörfer gegriffen. In Haiti bietet Monsanto massiv Saatguthilfen an, um einen neuen Markt und neue Abhängigkeiten zu schaffen auf Kosten der haitianischen Bauern, die sich gegen diese wirtschaftsdiktatorische Konzeption humanitärer Hilfe zur Wehr setzen.
Dem muss eine solidarische Konzeption von Hilfe entgegengesetzt werden. Dank der Entwicklung internationaler Beziehungen zwischen den sozialen Bewegungen nach Seattle ist es möglich geworden, konkrete Solidarität «von Mensch zu Mensch» zu praktizieren, die die Bedürfnisse der am meisten benachteiligten Regionen im Auge behalten – denn sie sind oftmals die letzten, die (halb-)offizielle Hilfe erhalten.
Anzustreben ist eine dauerhafte Solidarität, die auch dann noch für die Rechte der Benachteiligten eintritt, wenn die unmittelbare Not vorüber ist und der Wiederaufbau ansteht. Eine Solidarität, die materielle Hilfe mit politischen Kampagnen verbindet: für die Streichung der illegitimen Schulden Haitis und Pakistans, gegen Korruption und Vetternwirtschaft, für demokratische Transparenz hinsichtlich der Verteilung der Hilfe, für Massnahmen gegen den Klimawandel.
Wir können keine Hubschrauberflotte bereitstellen und wir verfügen nicht über die logistischen Mittel der großen Hilfsorganisationen. Doch die Solidarität von «Bewegung zu Bewegung» ist deswegen nicht weniger wirksam. Die Strukturen von Bewegungen sind oft die ersten vor Ort, sie kennen die örtliche Situation, die Bedürfnisse und Probleme, sie stärken die Solidarität unter den Opfern der Katastrophe, statt sie gegeneinander auszuspielen. Sie handeln rasch und zu geringen Kosten und bleiben, auch wenn die erste Not vorbei ist.
Die Medien konzentrieren sich auf das Handeln der Regierungen und der großen NGOs. Wir müssen die politische Bedeutung und humanitäre Effizienz fortschrittlicher Organisationen vor Ort unter Beweis stellen.
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