Am 18.Oktober will die «Aktionsgruppe Georg Büchner» einen Knotenpunkt im Frankfurter Bankenviertel blockieren. Einen Tag lang sollen die Mitarbeiter einer Bank an ihrer «ruinösen» Arbeit gehindert werden. Wolf Wetzel ist Mitinitiator der Aktionsgruppe. Sie entstand nach der erfolgreichen Blockade des Naziaufmarschs in Dresden im Februar dieses Jahres. Die dort erprobte Aktionsform stand Pate für die Frankfurter Bankenblockade.
Was ist das Ziel eurer Aktion am 18.Oktober?
Wir wollen an diesem Tag in der Finanzmetropole Frankfurt einen Knotenpunkt blockieren, bzw. den ruinösen Betrieb einer Bank für einen Tag unmöglich machen. Wir wollen das Geld, das per Rettungspaket an die Banken ging und sich der Billionengrenze nähert, wieder zurück haben. Denn dieses Geld wurde mit der Drohung erpresst: «Wenn wir nicht gerettet werden, stürzen wir alle ins Elend» – das erfüllt, nicht nur im satirischen Sinne, den Straftatbestand der Nötigung. Wir lassen uns die Verarmungsprogramme, die das Ergebnis der Verstaatlichung privatkapitalistischer Krisen sind, nicht länger gefallen.
Wollt ihr mit den Bankern reden oder wollt ihr sie nur am Betreten ihres Gebäudes behindern?
Die Zeit des Redens ist schon lange vorbei, was sollten wir denn bereden? Darüber, ob sie genug Transferleistungen bekommen haben? Nein, es geht um eine Konfrontation, die tagtäglich stattfindet – bisher immer nur auf Kosten der Schwächsten. Wir müssen dorthin gehen, wo die Stärksten sind, diejenigen, die angeblich die Geschicke dieser Nation leiten, Führungspersönlichkeiten, die Milliarden in den Sand gesetzt haben und vom Staat Milliarden bekommen, damit sie so weiter machen können wie bisher – ohne irgendeine Korrektur dessen, was in die größte Wirtschaftskrise geführt hat.
Wir wollen konkret, dass an einem Montag von 8 bis 16 Uhr in eine Bank X niemand rein- oder rauskommt – einen Tag lang ihr ruinöses Geschäft unterbinden.
Das ließe sich einfacher machen, indem ein paar Hacker die Rechenzentren lahmlegen.
Es wurde bislang aber noch nicht gemacht. Und mittlerweile sind die Banken so vernetzt, dass, wenn eine Bank ausfällt, eine andere ihre Aufgaben übernimmt. Die Bankenwelt hat Notfallpläne für sehr massive Szenarien – auch dafür, dass sie die geballte Wut über dieses Wirtschaftssystem trifft.
Am Montag, dem 18.Oktober, arbeiten ja nicht nur die Banker. Wen wollt ihr bei der Aktion dabei haben?
Das ist eine große Herausforderung an die Linke. Ein zentrales Anliegen ist für uns, innerhalb der Linken eine Debatte darüber zu führen, was Protest, Widerstand, Krisentheorie und Antikapitalismus ist. Die Linke wird nicht dran vorbeikommen, künftig auch in den Zeiten zu demonstrieren, in denen kapitalistischer Mehrwert erwirtschaftet wird. Schaffen wir es, dass ganz viele Linke, die eben auch arbeiten und zum kapitalistischen Mehrwert beitragen, blau machen und ein Risiko eingehen? Wie viele sind dazu bereit, das, was sie am Wochenende sehr gerne tun, auch sonst zu tun? Gegen Kapitalismus zu sein, bedeutet halt auch, ein eigenes Risiko in Kauf zu nehmen.
Das Spektrum, das uns unterstützt, ist sehr breit: Gliederungen aus IG-Metall, Ver.di und ihre Jugendorganisationen, einzelne Attac-Gruppen, drei Landesverbände der Partei DIE LINKE, und ein Bundesbeschluss der LINKEN, der u.a. zur Blockade am 18.Oktober aufruft, sowie Gruppen der Interventionistischen Linken (IL), Erwerbsloseninitiativen und Antifa.
Ihr wendet euch vorrangig an die Linke?
Ja, und zwar in der Hoffnung auf eine Zäsur – weniger auf theoretischem Gebiet als in der Praxis, im Hinblick auf ihre Symbolpolitik. Nicht nur das «Attac-Spektrum» macht Symbolpolitik, sondern auch die radikale Linke – in ihrer Freizeit läuft sie mit Transparenten durch die Gegend, gegen den Kapitalismus, oder für den Kommunismus, ohne dabei ihren eigenen Alltag zu riskieren und den Kapitalismus in irgendeiner Weise zu gefährden. Das ist ein Kernpunkt der strategischen Diskussion und wendet sich inhaltlich, praktisch (und strategisch) an ganz viele Linke verschiedener Ausrichtung.
Wäre es nicht angebrachter, man würde den Bundestag blockieren? Dieses Kürzungspaket betrifft ja viel, viel mehr Menschen als nur die Linke. Diejenigen, die die Krise in ihrer Tasche spüren, gehen niemals in die Bank X, weil sie gar nicht das Geld haben, da etwas anzulegen. Denen brennt ganz Anderes unter den Fingern.
Auch wenn sie in keine Bank gehen, wissen die Leute trotzdem, wer Geld in Milliardenhöhe verbrannt hat, das nun diejenigen bezahlen werden, die gar keine Geld mehr haben, um es zur Bank zu tragen.
Warum nicht der Bundestag? Wir haben uns frühzeitig für die Banken entschieden, nicht weil wir dachten, das ist der Schlüssel zur Bastille, sondern aus einem eher praktischen Grund. Wir glauben, wenn Ende November, Anfang Dezember die letzte Lesung des neuen Haushalts stattfindet, herrscht bereits Resignation und alle haben das Gefühl, es ist gelaufen. Deshalb wollten wir diese Aktion mittendrin.
Es gibt aber auch grundsätzliche Argumente dafür. Belagere ich den Bundestag – was ja praktisch sehr schwierig ist – in einer Phase, wo bereits über die Sozialisierung der Verluste verhandelt wird? Aber dann ist die Aktion vom eigentlichen Ursachenherd, wo die kapitalistische Krise ihren Ausgangspunkt genommen hat, schon lange weg. Dazwischen gab es die Phase der Verstaatlichung der Krise. Wir wollten nicht am Ende dieser Kette einen Belagerungsring um diesen dritten Rettungsschirm ziehen.
Sollte man nicht die Tatsache zuspitzen, dass nicht mehr Herr Ackermann dafür zuständig ist, den Hartz-IV-Beziehern das Geld wegzunehmen, sondern Frau Merkel?
Da fängt die linke Diskussion an, die wir anstossen wollen: Wer regiert wen? Unter Marxisten gibt es kluge Leute, die sagen: Es gibt zwar gewählte Regierungen, aber die entscheiden nicht. Und es gibt ein bürgerliches Spektrum, das sagt: Die Regierung ist das Schaufenster ökonomischer Entscheidungen, die woanders getroffen werden.
Selbstverständlich würden wir sagen: Die Bundesregierung ist nicht diejenige, die über die Bankenregulierung entscheidet oder über die Zukunft des Kapitalismus. Sie artikuliert die Ergebnisse, sie repräsentiert sie im Wesentlichen. Das wäre eine spannende Diskussion innerhalb der Linken, ob sie wirklich glaubt, mit dem Sturz einer Regierung auch den Kapitalismus beseitigt zu haben. Wir bezweifeln das massiv. Wir könnten sehr viele historische Beispiele bringen, wo eine linke Regierung in Europa oder in Lateinamerika nicht lange an der Macht blieb, als sie wesentliche Interessen des Kapitals gefährdete.
Trotzdem willst du ja nicht, dass am Ende Deiner Botschaft steht, es gibt gar keine andere Möglichkeit als eine Regierung von Herrn Ackermanns Gnaden.
Nein, natürlich nicht.
Also reicht dieser Hinweis nicht.
Dann kämen wir zur zweiten wichtigen Diskussion, ob eine Regierungsbeteiligung der Partei Die LINKE etwas ändern würde. Hätte das eine Aussicht? Die Regierung ist ja nicht nur Vollstreckerin des Willens der Banken! Auch in der marxistischen Theorie ist sie ein bisschen mehr als nur die Eins-zu-eins-Übersetzerin oder Mediatorin privatkapitalistischer Interessen.
Im Gegensatz zu den 80ern, wo wir ganz stark auf soziale Bewegungen und Außerparlamentarismus gesetzt haben und jeder Art von Partei misstrauten, glaube ich heute, dass es einen Spielraum gäbe, wenn die Partei DIE LINKE ihre Macht tatsächlich in einem antikapitalistischen Sinne nutzen würde. Sie könnte damit eine Perspektive eröffnen in die Richtung, dass sie das thatcheristische Endzeitprogramm (there is no alternative- TINA) kontert und zeigt, dass man auf diese kapitalistische Krise selbst systemimmanent anders reagieren kann.
Man könnte z.B. die Banken dazu verpflichten, dass sie zurückzahlen. Es gibt ja auch innerhalb der kapitalistischen Klasse einige, die sagen: Warum zahlen die nicht zurück, wenn sie kurz vor dem Kollaps waren und jetzt wieder Milliardengewinne machen? Die jetzige Regierung tut das nicht, aber eine LINKE könnte das natürlich. Sie könnte auch sagen: Wenn wir das Geld von denen zurückholen, die die Krise verursacht haben, müssen wir die Ärmsten nicht bluten lassen. Eine LINKE würde auch einen Mindestlohn hinkriegen, weil das den Kapitalismus nicht umbringt, sondern ihn erträglicher macht. Ich würde das nicht als bloßen Reformismus abtun, denn das wäre eine zynische Reaktion gegenüber all den Menschen, die auf so einen Mindestlohn angewiesen sind.
Ist eure Aktion ein kurzer Lehrgang in Marxismus? Ist die Situation nicht ein bisschen zu ernst dafür? Der gemeinen Bevölkerung wird das Geld ja nicht nur von Herrn Ackermann aus der Tasche gezogen. Mehr noch trifft sie vielleicht die Absprachen eines Herrn Rösler mit der Pharma-Industrie und die Kopfpauschale. Warum geht man nicht zu Bayer, wenn man schon zu denen gehen will, die hinter den politischen «Marionetten» stehen?
Wir werden weder am 18.Oktober in Frankfurt, noch danach woanders auf den Kapitalismus als Ganzes treffen. Wir werden also noch ganz lange kleine Brötchen backen: Verlassen wir die Symbolik – wo und wie? Es geht um den Raum zwischen einem trockenen Brötchen und «the whole fucking bakery».
Derzeit glauben wir, dass wir eine gute Möglichkeit haben, Kritik und Unzufriedenheit zu bündeln, sie auszudrücken und dazu anzuregen, dass Leute in anderen Städten solche Aktionen wiederholen. Unsere Aktion ist quasi nur ein Prototyp, der auch an anderen Orten umgesetzt werden kann – in Gorleben z.B.
Wir sagen nicht, dass der Angriff auf die Banken die Tür zum System öffnet, meiner Ansicht nach ist der Kapitalismus kein monolithischer Block, wo man nur den obersten Stein wegschlagen muss. So einfach war es noch nie und wird es auch heute, morgen nicht.
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