Nachwort von Wolfgang Polt mit 7 Illustrationen von Thomas Kussin
Wien: Sonderzahl, 2009 240 S., 18 Euro
von Dieter Braeg
Die Krise gibt es heute täglich und man kann sie nachlesen in den Blättern, die die Welt in Schutt und Asche schreiben. Tag für Tag schwatzt es Krisengeräusche aus öffentlichen und privaten Kanälen, da wird der letzte Widerstand der Menschen entsorgt.
Krisen, die von Finanzmärkten verursacht werden, sind sich meist sehr ähnlich, und es ist verwunderlich, dass es immer wieder möglich ist, mit dem gleichen Strickmuster Mensch aufs Kreuz zu legen. Ja, diese Geschichte, dass «Geld arbeiten» könne, führt immer wieder dazu, dass es plötzlich weg ist.
Evelyne Polt-Heinzl hat ein wichtiges Buch geschrieben, denn das Krisenchaos samt angekündigtem Weltuntergang und sich auflösender Weltordnung ist in der Literatur kein unbekanntes Thema. Die «Experten» werden mit diesem Buch rasch entlarvt, Bonus, Schrottprämie, Spekulationsgewinn oder Hedgefonds, das lenkt ab vom Krisenautomatismus. Das «Weltunglück» der Bereicherung hat eine lange Geschichte, und es ist eigentlich kein Geheimnis, dass Geld und Literatur Gemeinsamkeiten haben.
«Geld lässt man arbeiten» wurde dem Publikum eingeredet, nun ist es nicht mehr da! Wie sehr erinnert das an den Spruch: «Aus NIX wird NIX»? Trotzdem wurde fleißig weiter im Sinne neoliberaler Ideologie gewirtschaftet. Evelyn Polt-Heinzl informiert über literarische Botschaften zu den Schlagwörtern Wirtschaft, Crash oder Leitbild.
Die schreibende Zunft war schon immer der Realität voraus, daher lässt sich mit der empfohlenen Lektüre manche Krise sehr genau bestimmen. Wie war das denn im großen Familienroman von Thomas Mann, wie haben die handelnden Buddenbrooks auf wirtschaftliche Veränderungen reagiert? Wie lebensnah sind die Arbeitsweltschilderungen von Upton Sinclair oder die Fabrikwelt von Hermann Broch? Was treibt die Spekulanten um bei Joseph Roth?
«Der Betrieb scheint an einer grassierenden Alzheimer-Erkrankung zu leiden. Es ist, als hätte es Erzähler wie Gerhard Fritsch oder Lebert (Hans, nicht Benjamin) nie gegeben und als hätten – willkürlich herausgegriffen – Bernhard, Frischmuth, Gstrein, Hackl, Henisch, Innerhofer, Kappacher, Menasse, Migutsch, Reichert, Roth, Schreiner, Winkler (Josef, nicht Andrea) oder Wolfgruber in ihren Büchern nie Geschichten erzählt», stellt die Autorin fest.
Die Literatur ist der Welt des Kapitals immer einen Schritt voraus. Die Sprache der Besitzenden und Spekulanten, etwa bei Elfriede Jelinek, entspricht der Realität. In den ausufernden Diskussionen der unorganisierten und organisierten Linken spielt das aber keine Rolle. In diesem Buch gibt es eine Analyse wichtiger Romane, sie beschäftigen sich mit Schieberei, Hochstapelei, Betrug und natürlich auch mit Bankern. Denn über Kriegs- und Krisengewinnler wird nicht nur im Wirtschaftsteil berichtet, man findet sie auch in der Welt der Literatur.
In Einstürzende Finanzwelten geht es zu wie im täglichen Leben. Die Gesellschaft ist eine schlechte und wird stets so organisiert, dass die Habenichtse die Zeche zahlen und die Reichen immer reicher werden. Im Literaturgeschäft geht es ähnlich zu, die Bestsellerproduzenten sind die Stars, und es ist schon peinlich, wie sehr man jene, nicht nur in der Literaturkritik, totschweigt, die über das, was ist und kommt, zu berichten wissen.
Ein hilfreicher Anhang nennt wichtige literarische Werke, die Leserinnen und Lesern zur Krise das Hirn durchlüften: Heimito von Doderer, Die Dämonen; Gisela Elsner, Das Windei; Wilhelm Genazino, Die Liebesblödigkeit; Margit Hahn, Totreden; Hanno Millesi, Der Nachzügler; Margit Schreiner, Haus Frauen Sex; Martin Suter, Das Bonus-Geheimnis; Gernot Wolfgruber, Niemandsland oder auch Bert Brecht, Die heilige Johanna der Schlachthöfe.
Am Ende des Buches werden auf zweieinhalb Druckseiten insgesamt 49 Autorinnen und Autoren empfohlen, die sich mit Wirtschaftskrisen beschäftigen. Da sollte man Platz schaffen im Bücherregal und Zeit haben um zu lesen, denn in all diesen Büchern werden Krisen beschrieben und kommentiert. Das Buch ist spannend, aufregend und es vermittelt Solidarität.
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