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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2010

10-teilige Fernsehserie
Deutschland 2010. Regie: Dominik Graf
von Angela Huemer

«Berlin ist das Paradies», das ist keine Feststellung, sondern der Titel der ersten Folge der zehnteiligen Fernsehserie Im Angesicht des Verbrechens, verfasst von Drehbuchautor Rolf Basedow.

Der Anfang: Eine Idylle weit weg von Berlin, irgendwo in der Ukraine taucht ein junges Mädchen in einen kleinen Waldsee – denn, so hat ihre Großmutter gesagt, «unter Wasser siehst du den Mann den du liebst». Aber unter Wasser ist nur ein Panzer «aus dem Großen Vaterländischen Krieg». Als Lenka nochmals untertaucht, sieht sie mehrere Gesichter, bevor sie auftaucht das eines jungen Mannes. Der Mann ist Marek Gorsky und Polizist in Berlin.

Szenenwechsel. «Damals hatte ich nur mit Straßen- und Kleinkriminellen zu tun und noch nichts mit organisiertem Verbrechen», sagt Marek Gorsky im Off, als er mit seinen Kollegen in einem Aufzug steht und sich auf eine Festnahme vorbereitet.

Im Gegensatz zu einem Spielfilm in der Standardlänge von 90 Minuten können sich Drehbuchautor und Regisseur bei zehn mal 45 Minuten Zeit beim Erzählen lassen. Der Regisseur Dominik Graf und der Drehbuchautor tun das auf meisterhafte Art.

Gorskys Familie gedenkt seines toten älteren Bruders, er war ein «Kleinkrimineller» (die Gorsky nun als Polizist jagt) und wurde vor einigen Jahren erschossen. Gorsky wuchs in Riga auf, er ist Jude. Seine Schwester Stella ist mit dem russischen Geschäftsmann Mischa verheiratet, der das Restaurant Odessa betreibt, und hat zwei Kinder mit ihm. In einer wunderbar gestalteten Sequenz führt sie ihrem Bruder vor, wie sie sich abends in die glamouröse Chefin des Odessa verwandelt.

Lenka, das Mädchen aus der Ukraine, das in den See getaucht war, wird zusammen mit ihrer Freundin nach Berlin gelockt, eigentlich sollen sie in der Küche eines Nobelrestaurants arbeiten. Mischa, Stellas Mann, ist in illegale Machenschaften verwickelt. Und dann ist da noch der Partner von Marek Gorsky, der muskulöse Bulle Sven Lottner, «ich bin im Osten aufgewachsen und daher kann ich alles», sagt er irgendwann über sich selbst.

Dominik Graf macht Kino- und Fernsehfilme. Schon acht mal hat er den renommierten Grimme-Preis gewonnen. In einem Zeit-Interview definiert er die Serie so: «…es ist eine Miniserie … die einen großen Roman erzählt, aufgeteilt in zehn Portionen. Etwas wie Allein gegen die Mafia in den 80er Jahren.»

Miniserien gab’s dann so gut wie nicht mehr, weil das deutsche Fernsehen den zusammenhängenden Sachen nicht mehr vertraut hat. Aber Im Angesicht des Verbrechens war von Anfang ein Epos, das der Drehbuchautor Rolf Basedow vorgelegt hat. Letztlich hat er eine Art Baum geschrieben mit einem dicken Stamm in der Mitte – das sind die beiden jungen Berliner Polizisten und ihre Geschichte – und mit vielen Verästelungen in alle möglichen Richtungen.»

Die Dreharbeiten zur Serie dauerten einige Jahre und mittendrin musste die Produktionsfirma Konkurs anmelden. Dass eine solche Serie überhaupt die Hürden misstrauischer Fernsehredakteure, die lieber auf Altbewährtes setzen, überwinden konnte, grenzt an ein Wunder. Zeitweise glaubte man nicht mehr, dass man die Serie je zu sehen bekommt. Dem war gottseidank nicht so. Im Februar hatte sie auf der Berlinale Premiere und im April strahlte Arte sie aus – wobei die einzelnen Folgen jeweils eine Woche lang online zur Verfügung standen. Anläßlich der Erstaustrahlung überschlugen sich die Kritiker mit Lob – zu Recht. Und ebenso zu Recht mahnten sie an, dass es nun endlich an der Zeit sei, anzuerkennen, dass Fernsehen ebenso gut oder noch viel besser als Kino sein kann, manche bedauerten, dass die Serie im Kino nicht Meisterwerken wie «Der Pate» von Francis Ford Coppola Paroli bieten konnte.

In jedem Fall ist es ein deutsches Gegenstück zu amerikanischen Serien der letzten Jahre wie Die Sopranos, The Wire oder Six Feet Under (vom hiesigen Fernsehen spätabends oder gar nicht gesendet – kleine Kostproben gibt’s auf Youtube bzw. auf DVD).

Im Angesicht des Verbrechens wird ab dem 22.Oktober von der ARD ausgestrahlt, auf dem Sendetermin der Tatort-Wiederholungen – Freitag abend um 21.45 Uhr.

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