Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2010

Anmerkungen zur Debatte um Klaus Ernst
von Thies Gleiss

Die Partei DIE LINKE, insbesonders Klaus Ernst, sind ins Gerede gekommen. Anlass sind Reisekostenabrechnungen mit der Bundestagsverwaltung und seine Bezüge als Parteivorsitzender.

Die einschlägige Presse und die anderen Parlamentsparteien haben das Sommerthema mit Freuden aufgegriffen. Formal verhielt sich Klaus Ernst völlig korrekt, seine Bezüge als Parteivorsitzender entsprechen der Beschlusslage des Parteivorstandes. Zu klären ist allein die Frage, warum Fahrten zu Aufsichtsratssitzungen gegenüber dem Parlament und nicht gegenüber dem entsprechenden Unternehmen abgerechnet wurden.

Die LINKE und ihr Vorsitzender sollten also gelassen bleiben. Dennoch sorgte die Sommerdebatte bei den Mitgliedern und dem sympathisierenden Parteiumfeld für einige Verunsicherung. Man muss sich diesen Fragen stellen – sowohl in Hinblick auf ein besseres Funktionieren der Partei als auch einer glaubwürdigen Präzisierung des Anspruches, dass die LINKE eine «andere» Partei ist. Der Vorschlag des Parteivorstands, Klaus Ernst solle auf einen Teil seiner Vergütungen verzichten, glättet zwar die Wogen, löst aber das eigentliche Problem nicht.

Einmal mehr wird Die LINKE von falschen Entscheidungen in ihrer Gründungsphase eingeholt. Wer Politik in der ersten Liga bestimmen und dies mit zehntausenden, demokratisch beteiligten Mitgliedern tun will, braucht professionelle Funktionäre und bezahlte Freistellung für politische Ämter. Die Alternative wäre eine Partei von gut meinenden Begüterten, in der nicht politische Inhalte und die Fähigkeiten der Mitglieder entscheiden, sondern solche, die «es sich leisten können». Eine solche Partei ist zutiefst undemokratisch und stets Objekt, häufig auch Opfer, des Streits und der Eitelkeiten der Reichen in der Partei.

Dass sich die LINKE solchen Problemen stellen muss, ist zunächst Ausdruck ihrer Stärke und gesellschaftlichen Verankerung, über die wir uns freuen und auf die wir stolz sein sollten. Jede Errungenschaft birgt jedoch die Gefahr persönlicher Interessen, den Drang, sich auf den Errungenschaften auszuruhen. Davor sind auch die Besten nicht gefeit. Die Erfahrungen der Arbeiterbewegung und linker Parteien zeigen, dass sich die Marx’sche Feststellung, «Das Sein prägt das Bewusstsein», bei Parlamentariern und Parteiangestellten oft in atemberaubender Geschwindigkeit umsetzt.

Bei jeder Schaffung von bezahlter Parteitätigkeit oder Mandaten muss eine linke Partei deshalb drei Fragen klären:
* Woher stammt das Geld für ihre Bezahlung?
* In welchem Verhältnis steht die Bezahlung der politischen Arbeit zu unserem politisch-programmatischen Selbstverständnis und zu den materiellen Verhältnissen der Menschen, deren Interessen wir vertreten wollen?
* Welche formalen Begrenzungen – Befristung der Mandate, Ausschluss von Ämterhäufung, etc. – sind nötig, um eine Verselbstständigung der Einzelinteressen und Bürokratisierung zu verhindern?

Bezahlte Freistellung für politische Arbeit ist ein großes Privileg. Als linke Partei, die grundlegende gesellschaftliche Änderungen erreichen will, erwarten wir von unseren Mitgliedern und Anhängern große Opferbereitschaft. Neben einer Vollerwerbstätigkeit oder einem frustrierenden Überlebenskampf bei Erwerbslosigkeit oder prekärer Beschäftigung sollen sie zeitraubende und materielle Ressourcen bindende politische Arbeit verrichten. Das geht einher mit Enschränkungen im privaten Konsum bzw. der Hintanstellung persönlicher Freizeitgestaltung zugunsten von Parteiaktivitäten. Wer von dieser Doppelbelastung befreit wird und eine wenig entfremdete politische Vollzeitbeschäftigung – durch die Partei oder ein Parlamentsmandat – innehat, ist außerordentlich privilegiert.

Bei der Gründung der LINKEN wurden diese Fragen nur unzureichend geklärt. Die Mehrheit der Partei übernahm damals aus Pragmatismus und Zweifeln, dass etwas anderes gelingen könnte, unkritisch Vorgefundenes. Vorgefunden hat sie ein Verständnis professioneller politischer Arbeit, wie man es aus der PDS, der SPD oder den Gewerkschaften kennt, das sich u.a. in einer Gehaltshierarchisierung (für die es keine linken Argumente gibt) und in einer aufgeblähten PDS-Geschäftsstelle samt ihrer hierarchischen Strukturen niedergeschlagen hatte.

Die aktuelle Diskussion um Klaus Ernst wären ein guter Anlass, einige Dinge zu klären:
* Über die Höhe von Parteigehältern und die Bezahlung von Funktionären sollte ein Parteitag entscheiden, sie sollten einem durchschnittlichen Facharbeiter- oder Angestelltengehalt entsprechen.
* Das bisherige Gehaltsmodell muss überprüft werden, die Gehaltshierarchie sollte möglichst gering sein.
* Ämter und Mandate sollten befristet werden (auf maximal zwei Legislaturperioden), Ämterhäufungen unmöglich sein, zudem ist eine Trennung von Amt und Mandat geboten. Mitglieder des Parteivorstands, die zugleich Abgeordnete sind, sollten neben ihren Abgeordneteneinkommen nicht auch noch Parteigehälter beziehen, außerdem sollte der Parteivorstand nicht nur aus Abgeordneten bestehen.

Die Klärung dieser Fragen ist für die Glaubwürdigkeit der Partei viel wichtiger als andere strittige Themen der Programmdiskussion.

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