«Wenn Ihr wissen wollt, wie viele wir sind, dann müsst ihr uns schon zählen!» Das war eine schöne Replik der FIOM angesichts der Reaktion der Politiker, die nur mit 20.000 bis 40.000 Teilnehmer gerechnet hatten.
Manch einer spricht von einer Million Teilnehmer – Arbeiter, Studierende, Haushaltshilfen, Migranten und die älteren Menschen, die die Rechte erkämpft haben, die man heute den Jungen wegnehmen will –, aber wer kann das schon genau wissen. Und vor allem, wen kümmert es?
Gestern war in Rom die Hoffnung auf der Straße, dass man die Dinge ändern kann. Eine Hoffnung, die keine Herberge in der «Politik» findet, die aber nun einen stolzen Wegbegleiter hat: die FIOM. Die Demonstrierenden lassen sich sogar zu Tänzen hinreißen, angeregt von den Chejan celen, den mutigen «Zigeunermädchen», die an einem Alphabetisierungsprogramm teilnehmen. Sie sind Italienerinnen in der dritten Generation, haben aber nach unseren Gesetzen keine Rechte.
Sie laufen mit den Metallarbeitern und tanzen dabei wunderbar zum Rhythmus der Zigeunermusik, weil die FIOM die sozialen Rechte ins Zentrum einer der außergewöhnlichsten Kundgebungen der Geschichte Italiens gerückt hat: das Recht der Arbeiter, in Würde zu arbeiten, Tarifrechte für die Gewerkschaften, die diesen Namen verdienen, das Recht der Studierenden zu studieren und der Lehrenden zu unterrichten, die Rechte der prekär Beschäftigten, ihre Zukunft planen zu können, das Recht der Migranten, als gleichwertige Menschen behandelt zu werden. Sie alle haben soziale Rechte und Bürgerrechte – unteilbare Rechte, die man verteidigen muss und die in einem Italien, das von Klassen beherrscht wird und auf ungerechten Privilegien fußt, neu erobert werden müssen.
Maurizio Landini, der neue Generalsekretär der FIOM, sprach den Demonstrierenden aus der Seele, als er von der kollektiven Forderung nach Würde, Teilhabe und Demokratie sprach und sich bei den Fiat-Arbeitern von Pomigliano und Melfi dafür bedankte, dass sie hart geblieben sind gegen die Zumutungen der Fiat-Leitung, sichere Rechte gegen hypothetische Arbeitsplätze einzutauschen.
Zwei endlos lange Protestzüge haben die Römer beobachtet, die sich diesmal endlich hier und da auch beteiligt haben. Sie bezeugen, wie mühsam es ist, in einer gnadenlose Krise zu leben und arbeiten, die noch dazu von einer erbarmungslosen Regierung verwaltet wird, die sich gebärdet wie eine «Dienerin», wie auf vielen Transparenten zu lesen war, «Dienerin» nämlich von Bossen wie Fiat-Chef Marchionne, dem für die Durchsetzung seines Sozialmodells viele Diener zur Verfügung stehen.
Mehr noch als gegen Berlusconi richtet sich der «rote Platz» der FIOM gegen ein soziales und politisches Modell, in dem der Arbeiter lediglich eine abhängige «Variable» ist, ein Anhängsel der Maschine, an der er arbeitet, angeheuert mittels Erpressung in einem weltweiten Krieg der Konkurrenz aller gegen alle. Mors tua vita mea, dein Tod ist mein Leben. Die Demonstrierenden kämpfen gegen ein soziales Modell, das den Krieg zwischen Armen, Kurzarbeitern und Arbeitslosen und all dieser zusammen gegen die Migranten anstachelt.
In diesem sozialen Modell muss die Demokratie eine «regierende» sein und stellt doch nur eine ausgetrocknete Option dar, die lediglich den wohlhabenden Schichten zugute kommt.
(Gekürzt aus Il manifesto, 17.10.2010)
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