The Obama Syndrome – Surrender at Home, War Abroad
London: Verso, 2010
von Hermann Dierkes
Was hat sich im Weißen Haus seit dem Wechsel von Bush zu Obama tatsächlich geändert? Bis auf die stimmungsvolle Musik sehr wenig, so der pakistanisch-britische Autor, Aktivist und Filmemacher Tariq Ali in seinem neuesten, bisher nur auf Englisch vorliegenden Buch The Obama Syndrome.
Die Hoffnungen, die mit Obamas Wahlkampagne am Ende einer vollkommen diskreditierten Bush-Regierung geweckt worden waren, haben sich schnell verflüchtigt. Seine Reden, die weltweit Menschen in ihren Bann zogen, waren von der Verschönerungsrhetorik geprägt, die die professionellen Redenschreiber so gut beherrschen: «Unser Land hat eine ganz besondere Verantwortung in der Weltpolitik zu tragen»; «Unsere Sache ist gerecht, wir stehen zu unseren Verpflichtungen», «Yes, we can».
Bereits nach den ersten 100 Tagen der Regierung Obama zeigte sich aber: Eine Wende ist nicht in Sicht. Im Gefolge der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise schanzte der «Reformpräsident» den Finanzgruppen und Banken Riesensummen zu, ohne im Gegenzug auch nur irgendetwas dafür zu bekommen. Die öffentliche Verschuldung schlägt inzwischen alle Rekorde. Die Finanzmarktregulierung ist nur ein schwacher Abklatsch dessen, was versprochen worden war. Sie hat die systematische Zerschlagung der Kapitalverkehrskontrollen seit Reagan – die übrigens auch Bill Clinton nie in Frage stellte – nicht ernsthaft rückgängig gemacht.
Der innenpolitische Reformstau ist keineswegs überwunden: Die Gesundheitsreform fiel viel kleiner aus als erwartet; die versprochenen Arbeitsplätze und die erhoffte Armutsbekämpfung bleiben aus. Und anlässlich der Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko zeigte sich, dass das Krisenmanagement der Obama-Administration mitnichten besser war als das der Bush-Regierung nach dem Hurrikan Katrina.
Außenpolitisch geht der «Krieg gegen den Terror» weiter. In Afghanistan werden mehr Truppen eingesetzt als unter Bush, Israel wird massiv unterstützt, und die Konfrontation mit den linksregierten Staaten Lateinamerikas und dem Iran geht weiter.
Tariq Ali, ein langjähriger politischer Beobachter der US-Politik, räumt auch mit dem Irrtum auf, dass Obama zwar alles besser machen wolle, das aber aufgrund ungünstiger Kräfteverhältnisse nicht könne, trotz Mehrheit im Senat und Repräsentantenhaus. Obamas Politik und sein Politikstil haben eine Vorgeschichte. Kritiker wiesen frühzeitig darauf hin, dass er nichts anstrebt, was auch nur im Entferntesten mit dem «New Deal» der 30er Jahre vergleichbar wäre.
Sein politischer Werdegang und seine Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei qualifizieren ihn laut Tariq Ali nicht als «fortschrittliche» politische Persönlichkeit, denn er war und ist ein politisches Gewächs der liberalen Elite aus Chicago/Illinois und der dort herrschenden Daley-Dynastie. Sein Wahlkampfbudget von rund 900 Millionen Dollar kam vor allem von börsennotierten Unternehmen und nicht aus Kleinspenden. Das verpflichtet.
Zur Halbzeit seiner Wahlperiode steht für Ali daher fest: Obamas Versagen pflastert den Weg für die Rückkehr der Republikaner und den Vormarsch einer rechtslastigen, aggressiven Tea-Party-Politik, während seine eigenen Wählerinnen und Wähler zunehmend frustriert sind.
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