von Salvatore Cannavò
Zum Schluss gab der Generalsekretär der CGIL, Guglielmo Epifani, dem Druck der Piazza nach – den Studierenden und Arbeitern, die während seiner ganzen Rede den Generalstreik gefordert hatten. Er musste sagen: «Wir werden ihn machen», ohne genauer auszuführen, wie oder wann.
Tatsächlich ist es schwierig, dass die CGIL ihren bislang verfolgten Kurs der Sozialpartnerschaft beibehält, ohne dass es Veränderungen auf der politischen Ebene gibt. Ihr Ziel bleibt das eines Sozialpakts mit der Industriellenvereinigung Confindustria und eine mögliche Aussöhnung mit den Gewerkschaften CISL und UIL, an der vor allem die Demokratische Partei (PD) arbeitet.
Die CGIL wird auf jeden Fall Konsequenzen aus der Kundgebung vom 16.Oktober ziehen müssen, denn deren Echo war zu groß und die FIOM erntete dabei zu viele Lorbeeren, als dass die CGIL so weiter machen könnte wie bisher. Noch gibt es nicht wirklich Anzeichen für eine Richtungsänderung – vor allem nicht in den Fabriken, wo die Stimmung sehr resigniert ist. Sollte die Kundgebung in Rom etwas an dieser Atmosphäre verändern, wird sich das in den nächsten Wochen zeigen.
Sozialer Wandel
Das Grundproblem ist, dass die CGIL immer noch dem Modell der Sozialpartnerschaft anhängt und sich von der (Partei-)Politik abhängig macht. Sie setzt auf ein neues Olivenbaum-Bündnis (zwischen der Demokratischen Partei, Christdemokraten, Grünen und Rifondazione Comunista) – das ist von einer Versöhnung zwischen CGIL und CISL abhängig. Und obwohl diese Möglichkeit besteht, wird sie durch die Umstände immer mehr erschwert.
Offenbar ist die Kundgebung vom 16.Oktober dabei ein Haupthindernis, aus augenscheinlichen Gründen. An dem Tag wurde erneut das Italien sichtbar, das noch einem linken Klassenkampf anhängt, das daran glaubt, dass es immer noch «Bosse» gibt, das an die Verfassung glaubt, an die Arbeit und an die Möglichkeit eines sozialen Wandels.
Die Rede von Maurizio Landini, dem Vorsitzenden der FIOM, hat dies verschiedentlich deutlich gemacht. Hier war das Italien, das sich 1992 der «Concertazione» (dem Bündnis für Arbeit) verweigerte und gegen die Renten«reformen» aller Regierungen, der linken wie der rechten, protestierte, das in Genua demonstrierte, das einen Kündigungsschutz für alle lohnabhängig Beschäftigten durchsetzen wollte, das der FIOM Rückhalt und seit 20 Jahren der Partei Rifondazione Comunista Kraft gibt.
Das sind viele Menschen, wie sich am Samstag erneut gezeigt hat, man konnte sehen, dass der Widerstand noch lebt. Die Basis reicht jedoch nicht aus, um die Reihen der in sich gespaltenen CGIL wieder zu schließen.
Eine Dynamik schaffen
Wie kann der Geist der Kundgebung in Rom fortleben und in eine breite Bewegung münden? Die Antwort liegt auf der Hand, und doch ist sie schwierig.
Entscheidend ist, ob sich eine Dynamik des Generalstreiks entfaltet und ob es gelingt, einende Orte zu finden, um ein stabiles Bündnis zu bilden. Dazu kann man nicht nur abstrakte Parolen und Verweise bemühen. Ein Generalstreik funktioniert dann, wenn er das Land blockiert, eine solche Dynamik lässt sich nicht improvisieren, dazu gehören eine elementare Zukunftsvision, eine Organisation und Überzeugung – also eine richtige Bewegung. Sie muss gemeinsame Ziele verfolgen: Verkürzung der Arbeitszeit, ein Grundeinkommen, ein Mindestlohn, Angriffe auf Renditen und Profite, eine radikale Schuldendebatte.
Am Sonntag nach der Kundgebung fand an der Uni in Rom eine gut besuchte Veranstaltung statt, organisiert von der Gruppe «Vereint gegen die Krise», in der genau diese Punkte angesprochen wurden. Die Initiative dazu ging vor allem auf die Gruppen zurück, die den Centri sociali nahe stehen. Sie verlief sehr positiv, weil man auf Einheit zwischen den unterschiedlichen Gruppen bedacht war und die Bewegung neu lancieren wollte. Das war nützlich.
Doch entscheidend sind die lokalen Initiativen. Ist es möglich, für Fabrikarbeiter und andere Gruppen der Gesellschaft wie die Studierenden eine gemeinsame Plattform zu schaffen? Wird sich die FIOM dafür engagieren, wie sie schon mehrmals angekündigt hat? Wird das Motto «Vereint gegen die Krise» tatsächlich Einigung schaffen oder eher ein «Logo» sein, wie wir es schon andere Male gesehen haben?
Der 16.Oktober hat eine Möglichkeit jenseits der Parteipolitik eröffnet, denn auf dieser Ebene entzweit man sich binnen zehn Minuten. Es geht darum, ob sich eine Bewegung rund um das Begriffspaar «Einheit und Radikalität» bilden kann, wie sie in den Jahren 2001–2003 so gut funktionierte. Wenn es Rosen sind, werden sie blühen.
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