von Friedrich Kastner
Eisenbahnen sind in Deutschland heute neben dem marktbeherrschenden DB-Konzern inzwischen auch zahlreiche kleine Privatbahnen, vornehmlich im Regionalverkehr oder im Güterverkehr. In diesen Unternehmen liegt das Lohnniveau bis zu 25% unter dem des DB-Konzerns, wobei auch der DB-Konzern mit der Gründung von Tochterunternehmen den eigenen Tarifvertrag unterläuft.
Neben separaten und unübersichtlichen Verhandlungen zu Entgeltfragen und einer so genannten Beschäftigungssicherung im DB-Konzern konzentriert sich die Auseinandersetzung deshalb auf einen Branchentarifvertrag im Schienenpersonennahverkehr. Hier stehen neben dem DB-Konzern sechs weitere «große» Eisenbahnverkehrsunternehmen im Fokus: Es sind dies Keolis, Arriva, Veolia, die Hessische Landesbahn, Benex und Abellio Deutschland. Zusammen decken sie fast den gesamten Markt ab. Würde hier ein gemeinsamer Tarifvertrag zustande kommen, bestünde die Chance, über die Allgemeinverbindlichkeitserklärung tatsächlich ein einheitliches Lohnniveau zu erreichen.
Hindernisse
Es gibt allerdings einige Hindernisse. Seit Mitte Oktober ist klar, dass die Privatbahnen einen Branchentarifvertrag nur akzeptieren, wenn dieser zu ihren Bedingungen – also ohne begleitende Lohnsteigerung – ausfällt. Das letzte Angebot lag nach Berechnungen der Tarifgemeinschaft (TG) der Gewerkschaften Transnet und GDBA lediglich bei knapp 80% des Lohnniveaus der DB. Es wurde von der TG zurückgewiesen, weil hiermit «eine Rückentwicklung auf dieses Niveau praktisch vorprogrammiert» wäre, und zwar in der gesamten Branche. Unter diesen Voraussetzungen ist auch keine Bereitschaft des DB-Konzerns abzusehen, ihre Tochterunternehmen wieder in den Geltungsbereich des Tarifvertrages zurückzuholen. Daher wird sich ein Branchentarif nur mit einem Arbeitskampf durchsetzen lassen.
Die TG betritt hier als quasi ehemalige Betriebsgewerkschaft der Deutschen Bahn Neuland. Arbeitskampfmaßnahmen in diesem Umfang wären neu. Hinzu kommt, dass es auch hier zwei Verhandlungen gibt. Einerseits verhandelt die TG, anderseits verhandelt die GDL über einen eigenen Tarifvertrag für die Lokführer. Letztere ließ verkünden, sie sei nicht bereit ist, in Arbeitskampfmaßnahmen einzusteigen, während die TG schon zu Warnstreiks aufgerufen hat.
Sollte es der TG nicht gelingen in dieser Auseinandersetzung Durchsetzungsfähigkeit zu zeigen, steht für sie ihre Glaubwürdigkeit gegenüber den eigenen Mitgliedern auf dem Spiel, die schon während der gesamten Privatisierungsdebatte um den DB-Konzern deutlich gelitten hat. Auch die Argumentation, für einen fairen Wettbewerb einzutreten, überzeugt die Eisenbahner nicht. Letztlich ist die heutige Situation auch eine Folge der inkonsequenten Haltung der Gewerkschaften zur Privatisierung der Deutschen Bahn.
Die GDL bleibt bei ihrem Sonderkurs. Und nun ist der Krug sicherlich schon lange zerbrochen, aber die GDL verkennt hier, dass auch ihre Position auf die Dauer nicht haltbar ist, wenn nicht alle Beschäftigten an einem Strang ziehen.
Der Autor ist Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG.
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