Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2010
Frankreich 2008, 113 Minuten
Regie: Pierre Schoeller. Kairos-Filmverleih

von Gaston Kirsche

Versailles ist das Symbol für verschwenderischen barocken Reichtum schlechthin. Rund um das französische Königschloss erstreckt sich eine akkurat angelegte, gepflegte Parkanlage. Die junge Obdachlose Nina (Judith Chemla) und ihr fünfjähriger Sohn Enzo (Max Baissette de Malglaive) verbringen hier den Tag.

Enzo hat zwei gleichaltrige Kinder gefunden zum Fußballspielen. Nina schaut ihm zu, lächelt in die Sonne. In der Nacht zuvor hat der Sozialdienst sie auf der Straße im nahegelegenen Paris aufgelesen. In dem leerstehenden Haus, in dem sie eigentlich übernachten wollten, wurde laut gefeiert. Nina ist reserviert gegenüber dem Sozialdienst. Sie hat Angst, dass ihr Enzo weggenommen wird. Sie will irgendwie nach Vouzay kommen. In einer Zeitung, die auf einer Parkbank lag, hat sie von einem Arbeitsangebot dort gelesen in der Altenpflege.

Neben der barocken Parkanlage liegen dichte Wälder. Dort will sie mit Enzo durch, um zum Bahnhof zu kommen, sie verlaufen sich. Enzo entdeckt im Wald einen Verschlag. Davor sitzt ein Mann am Feuer und röstet Maiskolben. Nina findet Enzo dort, sie will weiter. Damien (Guillaume Depardieu) fordert sie auf, sich zu setzen. Offen und direkt sprechen sie über ihr Leben. Damien, etwa Mitte 30, will nicht in Arbeitsförderungsprogrammen scheinbeschäftigt und diszipliniert werden. Wie lange willst Du noch so leben, fragt er Nina, wenn dir etwas passiert, was ist dann mit dem Kind, er muss doch auch in die Schule. Du hast das Recht auf eine Unterstützung vom Staat.

Wie Damien dass sagt, vor seinem Verschlag sitzend, ohne Wasser, Strom oder gar festen Wohnsitz, das Gesetz zitierend, offenbart die soziale Ungleichheit – in Widerspruch zu den Idealen der Republik. Nina und Damien verbringen die Nacht miteinander, etwas Nähe im Schein des Feuers. Am nächsten Morgen ist Nina verschwunden. Damien will Enzo loswerden, bringt ihn zu einer Bushaltestelle. Doch Enzo kommt zurück, er weiß nicht, wo Nina ist. Als Enzo abends beim Einschlafen «Hand» sagt, versteht das Damien zuerst nicht, dabei will Enzo ihn einfach zum Einschlafen bei der Hand nehmen. Wie zuvor zu Nina sagt er nun zu Damien: «Ich habe Hunger.»

Gemeinsam bemühen sie sich um ein möglichst gutes Überleben im Wald. Manchmal treffen sie andere Obdachlose, die auch im Wald leben. Eines Morgens liegt einer von ihnen tot vor seiner Bretterbude. Erfroren? Enzo nimmt an der Beerdigung teil. Als Enzo bei der Suche nach Essen in einem Müllcontainer hinter einem Supermarkt in Säure fasst, die dort wohl zur Abschreckung verteilt wurde, überkommt Damien Zorn. Schließlich sucht er sich eine Arbeit, als Ungelernter auf dem Bau. Er kehrt zurück in das Haus seiner Eltern, damit Enzo zur Schule gehen kann. Er setzt mühsam auf den Ämtern durch, dass Enzo als sein Sohn anerkannt wird. «Wir sind doch keine Tiere», sagt er mehr zu sich als zu Enzo, er will sich nicht ausbeuten lassen. Aber wie sonst kann er für sich und Enzo aufkommen, Geld braucht man selbst für die einfachsten Grundbedürfnisse.

Damien wird mit seiner Schroffheit, seiner Fürsorglichkeit für Enzo, seinem Aufbegehren intensiv gespielt von Guillaume Depardieu, der wenige Monate nach Beendigung der Dreharbeiten starb. Posthum wurde er für Versailles mit dem französischen Filmpreis César als bester Hauptdarsteller geehrt.

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