Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2010

* Petra Dobner, Wasserpolitik, Berlin: Suhrkamp, 2010
* Eric Orsenna, Die Zukunft des Wassers, München: C.H.Beck, 2010
* Ulrich Grober, Vom Wandern, Frankfurt/M.: Zweitausendeins, 2006

von Rolf Euler

Wer sich mit dem Wasser, seiner Verteilung, Nutzen und Schaden beschäftigen will, hatte diesen Sommer genug Anschauungsmaterial: Pakistan, zum großen Teil überschwemmt, doch in der riesigen Wassermasse fehlt vor allem: Wasser – Trinkwasser!

China, der Drei-Schluchten-Staudamm speit riesige Fontainen, damit er nicht birst, und verteilt giftigen Überschwemmungsunrat in die Städte flussabwärts. An der Neiße, das zweite «Jahrhunderthochwasser» in acht Jahren.

Wer das Glück hatte, die heißen Tage des Juli im Mittelgebirge an Flüsschen und Quellen im Wald zu verbringen, gewann einen anderen Eindruck des wichtigsten Lebensmittels: kühles Trinkwasser in hervorragender Qualität steht fast unbeachtet zur Verfügung – allerdings nur bis zur nächsten größeren Ansiedlung und bewirtschafteten Fläche, wo Überdüngung und andere Schadstoffe zu befürchten sind.

Vom Wandern

Einen freundlichen Zugang zum Thema Wasser bietet Ulrich Grober, sein Buch besticht durch die vielfältigen Betrachtungen, die das Gehen zu Fuß erlauben. Er beschreibt Funktionen und Kreisläufe des Wassers und seine besondere Bedeutung für Mensch und Natur und betont die Überlebenswichtigkeit eines sorgsamen Umgangs mit dem (Trink-)Wasser. Der Umgang mit Wasser – in unseren Breiten ein selbstverständlich vorhandenes Lebensmittel bester Qualität – ist weltweit in die politische Debatte geraten, gerade weil es an vielen Orten der Erde mangelt, aber auch, weil private Konzerne sich die Wasserversorgung als profitablen Geschäftszweig ausgerechnet haben, und viele öffentliche Stellen auch aus Geldmangel die Wasserversorgung privatisieren lassen. Vom Natur- und Gemeingut zur Ware – ist das der Weg des Wassers?

Die Zukunft des Wassers

Breiten Zugang und die nötigen weltweiten Erkenntnisse gewinnt man beim Lesen des Buches von Eric Orsenna. Von Australien über Bangladesh, von Palästina bis Afrika, über China und Berlin nach Frankreich führt ihn seine selbstgewählte Fährte auf den Spuren des Wassernotstandes. Er besucht Arme und Reiche, Unternehmen und Behörden und lässt sich schildern, wo es an Trinkwasser fehlt und was getan werden müsste.

Sein Fazit: Es gibt ein weltweites Problem, das jedoch nur regional angegangen werden kann, so vielfältig und verschieden sind die besonderen Probleme des jeweiligen Mangels.

Er vesucht, der Privatisierung eines bisher öffentlichen Versorgungssystems auf die Spur zu kommen. Er beobachtet, wie funktionierende öffentliche Verwaltungen planen und handeln. Er beobachtet die Zunahme des Verkaufs von Wasser in Flaschen. Er lässt sich die Bewässerung israelischer Agrarprodukte und den Wassermangel in den angrenzenden palästinensischen Dörfern zeigen. Er lässt sich auf dem Brahmaputra zu den schwimmenden Inseln der ärmsten Bangladeshi fahren und erlebt die wiederkehrende Monsunflut – es ist danach einfach nichts mehr vorhanden. Als ob er bei seiner Reise diesen Sommer schon gesehen hätte, schreibt er: «Dann kommt die Welle Nr.3, die Welle, die tötet: der wütende Fluss.»

Anhand der Landwirtschaft in Australien erläutert er die mühsamen Versuche, Wasser für Getreide und Vieh zu gewinnen, zu erhalten, zu vermehren. Das Klima macht den Farmern einen Strich durch die Rechnung – die Selbstmordrate in den abgelegenen australischen Gebieten ist so hoch wie bei einem berüchtigten chinesischen Computerhersteller.

Daneben: Gold- und Kupferminen, Kraftwerke und Landwirtschaft in Konkurrenz um das dringend benötigte Flusswasser. Beginn der Tröpfchenbewässerung als intelligente Wassersparmaßnahme. Biotoiletten werden «wiederentdeckt» und die Netze zum Auffangen des Taus. Lokale Versuche, Trinkwasser zu erhalten, werden durch überregional tätige Unternehmen und Staaten behindert, durch wirtschaftliche Interessen zurückgedrängt. Nutzen und Schaden von Staudämmen werden herausgearbeitet.

Die Gefahr von heißen Kriegen – nicht nur in Nahen Osten – wächst, seitdem ein ständiger stiller Krieg ums Wasser läuft, der Klimawandel wird die Entwicklung beschleunigen.
Das Buch verdiente einen Egon-Erwin-Kisch-Preis.

Wasserpolitik

Petra Dobners Buch ist Wissenschaft, ausführlich werden alle Aspekte von politischen Aktionen und Organisationen zur Regulierung der Wasserprobleme dargestellt. Es gibt Weltwasserkonferenzen und lokale Selbstverwaltungsorgane. Es gibt große private Wasserversorgungskonzerne und große öffentliche Verwaltungen dafür. Wasser ist ein öffentliches Gut, gehört zu den «commons», doch es gibt die Tendenz, es zu privatisieren, in eine weltweit gehandelte Ware zu verwandeln – sowohl die Ressourcen, Quellen, Flüsse, Seen, als auch die mit der Versorgung verbundenen Dienstleistungen, Versorgungsnetze, Verteilung, Abrechnung, Schmutzwasserbehandlung.

Dass zunehmend private Unternehmen diese Aufgabe für sich beanspruchen, liegt daran, dass die Verknappung eines Gutes seinen Preis treibt, womit die Aufgaben der Wasserversorgung erst als gewinnbringend erkannt werden können.

Immer mehr Wasser wird den netürlichen Kreisläufen für wirtschaftliche Interessen entzogen, für intensive Landwirtschaft in relativ trockenen Gebieten, für Bergbau und Industrie. Im Gegenzug wird den entstehenden Wassernotstandsgebieten Trinkwasser in Flaschen oder teuren Leitungen, auch durch den Bau von Stauseen, zugeführt und verkauft.

In armen Gebieten in Afrika oder in den Slumvorstädten der Megacities von den Bewohnern sind teure Leitungsnetze nicht über den Wasserpreis zu bezahlen. So sind Wasserverschmutzung, Überausbeutung und Versalzung wichtige Gründe für den Mangel an Trinkwasser in vielen Gegenden der Erde.

Petra Dobner untersucht auch die nationalen oder übernationalen Organisationen, die sich seit einigen Jahren um die weltweite Regulierung der Trinkwasserversorgung kümmern. Dabei legt sie einen Schwerpunkt auf die Weltwasserpolitik seit der Stockholmer UN-Umweltkonferenz 1972, als der Staat noch als Adressat für politische Strategien und Hauptakteur gesehen wurde. Den Wandel hin zur Ansicht, eine Privatisierung des Wassers würde die Versorgung verbessern, schildert sie mit allen kritikwürdigen Punkten, dabei auf die dafür relevanten Teile der Marx’schen Theorie zurückgreifend. Die fakten- und theoriefeste Absätze sind auch jenseits der Wasserdebatte mit Gewinn zu lesen.

Sie diskutiert auch die Frage, wie unter den Bedingungen sich verschärfender Umweltprobleme in den modernen Gemeinwesen eine gemeinwohlorientierte (Wasser-)Versorgung möglich wäre.
In den letzten zwanzig Jahren wurden mehr und mehr neoliberale Lösungen für die Aufgaben der Wasserversorgung gesucht. Dabei hat sich der Weltwasserrat zu einer entscheidenden übernationalen Organisation herausgebildet, die jenseits der gewählten und (mehr oder weniger) demokratisch legitimierten Staatsvertreter die internationale Wasserpolitik bestimmt. Dobner untersucht die Geschichte, Zusammensetzung und Wirkungsweise dieser Organisation. Das führt sie zu einer grundlegenden Infragestellung der internationalen politischen Organisationen und deren Fähigkeit, gemeinwohlorientierte Entscheidungen auf demokratisch legitimierte und partizipatorische Weise herzustellen.

Dies allerdings leitet zur Diskussion über, welche Antworten in Richtung Selbstorganisation die Kritik der bisherigen Zustände Betroffenen und Beteiligten geben müsste.

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