Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2011
Reinhard P. Gruber, «Einfach Essen!». Graz/Wien: 2010, Literaturverlag Droschl, 120 Seiten, 18 Euro
von Dieter  Braeg

Über den Autor Reinhard P. Gruber muss man mehr als nur einige lobende Worte erwähnen. Er hat viele gute Texte geschrieben, und er wäre es wert, im deutschsprachigen Raum mehr gelesen zu werden. Da wäre zum Beispiel sein Buch Nie wieder Arbeit, da kann man ein Manifest lesen, hieraus eine kurze Kostprobe:

«Vor ein paar Jahren,als die Menschen erfunden wurden,da lag die Arbeitslosenrate noch bei 100%,und alle fanden es paradiesisch…»#Wir haben ja zur Zeit ein etwas größeres Problem mit der Frage: Was soll man denn kochen? Im Fernsehen, da gibt es Die Topfgeldjäger, dazu dann noch eine Küchenschlacht, und obwohl der Lanzschlaberer nicht kocht, heißt seine Sendung so. Es eilen die Kochschwätzer jeden Freitagabend durchs Gelände und quälen Lebensmittel und  Zuschauerinnen und Zuschauer.

Normalerweise geht so ein Kochbuch nach dem Strickmuster: «man nehme» vor, das ist hier anders: «Denn es gibt Essen der Reichen und es gibt Essen der Armen. Sagen die Reichen. Die, die nichts haben, würden ihr Essen nie als das Essen der Armen bezeichnen. Es ist auch keins. Es ist nur das Essen, das weniger kostet. Wer nichts hat, muss seine Würde deshalb noch lange nicht verlieren. Nur die Reichen sehen verächtlich auf die Nichtbesitzer und ihr Essen.»

Jedes Essen ist für Arme ein Genuss. Reinhard P. Gruber warnt denn auch, das Buch sei ein Ratgeber, kein Kochbuch. Der Ratgeber beginnt mit dem Butterbrot. Da wird mit einem Brotmesser eine Scheibe vom Bauernbrot abgeschnitten, und dann begegnet mir, nach Jahrzehnten, wieder das Schnittlauchbrot. Und wer erinnert sich nicht an die Kindheit, wo karge Zeiten nicht mit Duplo oder anderem Süßkram verschönt wurden, sondern mit einem Zuckerbutterbrot? Der Autor rät davon ab, Staubzucker zu verwenden!

Er erklärt auch deutlich, um was es geht: «Das (ist) Essen, das immer wiederkehren soll, möglichst. Nicht jeden Tag, aber öfter als alles anderen.»Wenn jemand wissen will, wie man Polenta kocht, hilft es, auch wenn die Zeiten nicht hart sind. Wer sich noch an H.C.Artmann erinnert, diesen großen Dichter, der nicht nur mit Mundartgedichten seine Leserinnen und Leser erfreute, sondern auch ein hervorragendes Erdäpfelgulasch kochen konnte, dem hilft der Herr Gruber weiter, denn er hat ein ganz feines Erdäpfelgulaschrezept parat. An die 60 Rezepte und Lebensmittel behandelt Gruber.

Es macht Spaß, in diesem handlichen, mit einem feinen roten Lesebändchen ausgestatteten Bändchen, das mit 18 Euro wirklich recht wohlfeil ist, zu lesen. Es vermittelt eine völlig neue Sicht über Essen & Trinken, nämlich seine Sinnlichkeit.Zum Abschluss ein wenig O-Text für jene, die nicht nur ein gutes Buch, sondern viel Neues über Lebensmittel, Rezepte und Kochen kennenlernen wollen:

«Ein Huhn, das in seinem Gefängnis darauf wartet, geschlachtet zu werden, muss ich nicht haben. Lieber ist mir Wild, das nicht gezüchtet werden kann und sehr plötzlich erschossen wird, scheinbar grundlos. Das Wild spaziert dahin, der Fasan, die Ente fliegt zu einem Teich und: puff, puff, und das war das Leben, es hat zwar nicht das Ziel gehabt, vorzeitig zugrundezugehen, aber immerhin: es hat nicht gelebt, um vorzeitig zu verrecken, wie beispielsweise das Spanferkel oder das Kalb oder die Jungforelle. Mit der Entwicklung der Menschheit hat es immerhin zu tun, ein Tier zu erlegen. Auch wenn es das letzte Mal vor ein paar tausend Jahren notwendig war. Gut schmeckt es, ok, aber notwendig ist es nicht, dass der Mensch tötet, um zu leben. Heute nicht mehr. Wenn töten, dann Pflanzen. Pflanzen sind heute noch zum größten Teil ungeschützt. Der Mensch könnte wieder Pflanzenfresser werden. Zum Leben täts reichen!»

Hier schreibt kein «Starkoch» oder einer, der sich im Fernsehen in zwei Minuten ein warmes Gericht von der Kochplatte runterholt. Hier gibt es verständliche Sprache, klare Gedanken und wichtige Erkenntnisse zu Lebensmitteln, zum Essen und wie man es zubereiten kann, ob die Zeiten auch hart oder härter werden. Dieses Buch hilft weiter, in welcher Zeit auch immer.

 

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