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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2011

Ein Überblick über die bisherigen Initiativen
von Eric Toussaint, CADTM Belgien
Seit dem vergangenen Herbst entwickeln soziale Bewegungen in Europa in Bezug auf die Frage, wie mit den Staatsschulden umgegangen werden soll, mehr und mehr gemeinsame Positionen.
Im September 2010 veröffentlichen «bestürzte Ökonomen» ein Manifest, das von über 2700 Wirtschaftswissenschaftlern und Aktivisten unterzeichnet wird (unter http://atterres.org/). Es listet 22 konkrete Vorschläge für einen Ausweg aus der Krise auf, darunter:

– Maßnahme Nr.9: Eine öffentliche, für Bürger zugängliche Anhörung über die Staatsverschuldung mit dem Ziel, ihren Ursprung, die Identität der wichtigsten Gläubiger und die Höhe ihrer Schuldentitel zu identifizieren.

– Maßnahme Nr.15: Sofern erforderlich, eine Umschuldung der Staatsschulden, z.B. indem der Schuldendienst in der Höhe eines gewissen Prozentsatzes des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gedeckelt wird, und indem die Gläubiger je nach Umfang ihrer Schuldentitel unterschiedlich behandelt werden: Sehr große Gläubiger (Privatleute wie Institutionen) müssen in eine sehr lange Rückzahlungsdauer oder in eine teilweise oder vollständige Annullierung der Schulden einwilligen. Auch die exorbitanten Zinssätze, zu denen die Länder mit Zahlungsschwierigkeiten Anleihen begeben haben, müssen neu verhandelt werden.

Am 24.November erklärt Attac Spanien zu den griechischen Schulden:«In Griechenland hat die undurchsichtige, geheime und strafbare Zusammenarbeit zwischen Goldman Sachs und der konservativen Regierung die griechische und europäische Bevölkerung hinters Licht geführt, mit stillschweigender Duldung der deutschen und französischen Privatbanken.

Der europäische ‹Rettungsplan› hat den deutschen und französischen Banken erlaubt, ihre Verluste wettzumachen, während Goldman Sachs und die früheren politischen Verantwortlichen ihre Beute nicht hergeben mussten. Die gerechte Antwort hätte darin bestanden, die Verantwortlichen als erstes zu verhaften, damit sie für ihre Vergehen bestraft werden; zweitens eine Anhörung über die Schulden zu verlangen, um den gerechten Teil derselben zu bestimmen und nur diesen anzuerkennen; schließlich hätten die sozialen Interessen der Griechen Vorfahrt vor denen der internationalen Privatbanken haben und die legalen und finanziellen Verpflichtungen für den Kauf neuer U-Boote aus Deutschland überprüft werden müssen.»

Das irische Bündnis "Debt and development" umfasst eine Reihe von Entwicklungs-NGOs und Organisationen der Nord-Süd-Solidarität auf der Basis einer ziemlich gemäßigten Plattform, die vor allem eine bessere Verwendung der Kredite an die Länder des Südens fordert. Es hat ein 24-seitiges Papier zur Irlandkrise verfasst, in dem es die irische Regierung auffordert, «die Politik des IWF in Frage zu stellen und vor allem ein Ende der Auflagen für IWF-Kredite zu verlangen». Der größte gewerkschaftliche Dachverband Irlands, UNITE, fordert, dass Inhaber von Staatsschulden eine Wertminderung von 10% hinnehmen müssen (www.debtireland.org).

In einem Kommuniqué vom 30.November macht Attac Frankreich sechs Vorschläge, darunter:
– geordneter Konkurs hoch verschuldeter Banken, ohne Entschädigung der Gläubiger und Aktionäre;
– Verstaatlichung der Banken, die mit öffentlichen Geldern gestützt werden; sie müssen schnellstmöglich unter die demokratische Kontrolle der Beschäftigten, der Bürger und der öffentlichen Hand gestellt werden;
– Depotbanken, die die großen Privatvermögen verwalten, dürfen keine Spekulationspapiere kaufen und keine Filialen in Steuerparadiesen haben;
– Umschuldung und teilweise Entschuldung der notleidenden Staaten; die Schulden, die durch Steuergeschenke an die Reichen, durch die Finanzkrise und die Rettungspakete für die Banken zustande kamen, sind illegitim;
– die EZB muss Staatsanleihen direkt kaufen.

Am 5.Dezember veröffentlicht eine große griechische Tageszeitung eine Kolumne des griechischen Ökonomen Costas Lapavitsas unter dem Titel: «Internationale Anhörungskommission zur Griechenlandschuld: eine unbedingte Notwendigkeit».

Am Ende seines Beitrags kommt der Autor zu dem Schluss: «Die internationale Anhörungskommission wird in unserm Land ein privilegiertes Aktionsfeld vorfinden. Man denke nur an die Kreditverträge, die durch Vermittlung von Goldman Sachs zustande gekommen sind oder der Finanzierung von Kriegswaffen dienten, um festzustellen, dass eine solche unabhängige Anhörung notwendig ist. Wenn sich erweist, dass die Schulden sittenwidrig oder illegal zustande kamen, dann sind sie null und nichtig und unser Land kann sich weigern, sie zu bezahlen und sogar Rechenschaft von denen fordern, die sie ausgehandelt haben.»

Am 17.Dezember veröffentlicht das Netzwerk Attac Europa eine gemeinsame Erklärung, in der verschiedene Alternativen vorgeschlagen werden, darunter:

– die Einrichtung eines Regelmechanismus, wonach die Staaten die gesamte oder einen Teil der Schulden ablehnen können, die durch Steuergeschenke an die Reichen, die Finanzkrise oder durch überhöhte Zinssätze an die Kapitalmärkte zustande gekommen sind;
– eine Steuerreform, die die Staatshaushalte wieder herstellt, die Kapitalbewegungen, die großen Vermögen und hohen Einkommen und die Unternehmensgewinne angemessen besteuert und ein Höchsteinkommen fixiert.

Am 3.März 2011 veröffentlichen über einhundert griechische und internationale Persönlichkeiten einen öffentlichen Appell für die Schaffung einer Anhörungskommission. Sie erklären u.a.:

«Die derzeitige Politik der EU und des IWF in Bezug auf die Staatsschulden fordert von Griechenland große soziale Opfer. Das griechische Volk muss deshalb das demokratische Recht haben, alle Informationen über die öffentlichen und privaten Schulden zu erhalten, die öffentlichen Garantien genießen. Ziel der Kommission ist, die Gründe für die Aufnahme dieser Schulden zu erfahren, die daran geknüpften Bedingungen und die Namen der Gläubiger. Auf dieser Basis wird sie Empfehlungen abgeben…»

Am 10. und 11.März versammeln sich belgische und europäische Gewerkschafter, NGOs und soziale Netzwerke aus 15 europäischen Ländern (West und Ost) zur ersten Gemeinsamen Sozialkonferenz. In ihrer Abschlusserklärung schreiben sie:«Zuviel ist zuviel! Die kritische Lage der Haushalte der Länder der EU muss anders geregelt werden:

– durch ein gerechtes Steuersystem, das, anders als jetzt, die Reichen und die finanziellen Profiteure besteuert (Rückkehr zur Steuerprogression, Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer, Abschaffung der Steuerparadiese, Einführung einer europaweiten Mindeststeuer für Unternehmen);
– durch eine Anhörung über die Staatsschulden der EU-Länder…

Am 4.Mai beginnt das irische Bündnis aus Action from Ireland, der Gewerkschaft UNITE und der Kampagne Debt for Development mit einer unabhängigen öffentlichen Anhörung über die irischen Schulden.

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