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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 07/2011
Der Sportklub Rapid im Nationalsozialismus
Hg. DÖW und SK Rapid. Wien 2011, 303 Seiten, 18,99 Euro
von Dieter Braeg

Von Stefan Goch und Norbert Silberbach erschien 2005 das Buch Zwischen Blau und Weiß liegt Grau, es dokumentiert die Geschichte des FC Schalke 04 in der Zeit des Nationalsozialismus.

Was vor 70 Jahren und mehr im Nationalsozialismus mit und in Sportvereinen geschah, das wurde verdrängt mit den üblichen «Nichtschonwiederargumenten». Viel lieber pflegte man ein unpolitisches Bild des Fußballclubs, bei dem man eben, auch im Nationalsozialismus, Fußball gespielt habe und sonst nichts.

Was bei Schalke 04 im Jahre 2005 stattfand, hat als erster österreichischer Bundesliga-Fußballklub der SK Rapid Wien im Jahre 2011 fortgesetzt: Mit Hilfe des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) ließ er seine Rolle im Nationalsozialismus von den Politologen Jakob Rosenberg und Georg Spitaler wissenschaftlich aufarbeiten.

Schalke 04 und Rapid Wien verbindet nicht nur die Geschichte um das Endspiel zur deutschen Fußballmeisterschaft am 22.Juni 1941 im Berliner Olympiastadion. Beide Vereine können als «Arbeitervereine» firmieren. Der «1.Wiener Arbeiter Fußball-Club» wurde im Jahre 1899 auf Vorschlag des jüdischen Klubsekretärs Wilhelm Goldschmidt in «Rapid» umbenannt. Am 5.Juni 1942 wird Wilhelm Goldschmidt von den Nazis nach Izbica (Distrik Lublin) deportiert und dort ermordet.

Natürlich gibt es eine besonders populäre Geschichte, die in vielerlei «Ausführungen» in der Geschichte Rapids eine Rolle spielt. Angeblich habe man die Spieler von Rapid für den Sieg in der deutschen Meisterschaft 1941 bestraft, weil dieser Sieg gegen den Willen der deutschen Sportführungen und der politischen Machthaber erfolgt sei.

Das Buch dokumentiert, dass unter den untersuchten aktiven Spielern Rapids in der Zeit des Nationalsozialismus kein NSDAP-Mitglied zu finden ist, während bei den Funktionären der damaligen Zeit dies schon anders war. Der SS-Oberführer Otto Steinhäusl, Polizeipräsident von Wien, wurde schon im August 1938 zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt, auch sonst waren die Vorstandsposten des Vereins mit NSDAP-Mitgliedern oder Parteianwärtern besetzt. Der Rivale von Rapid, die Austria, hatte SS-Gruppenführer Ernst Kaltenbrunner (nach 1945 als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt) zum Ehrenpräsidenten ernannt.

Auch Ernst Happel, einer der ganz großen Fußballer Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg, der auch als Trainer große Erfolge feiern durfte, kommt in diesem Buch vor. Nach dem Anschluss wurden alle Nachwuchsmannschaften zwangsweise in die HJ eingegliedert, der junge Ernst Happel weigerte sich, in seinem HJ-Bann Nazi-Lieder zu singen. NS-Funktionäre von Rapid sorgten dafür, dass es für Happel keine Nachteile gab.

Zunächst gelang es noch, viele Spieler, die eingezogen wurden, an der «Heimatfront» zu beschäftigen, aber je länger der Krieg dauerte, umso mehr Spieler mussten an die Front. Elf Spieler von Rapid fallen im Krieg. Franz «Bombo» Binder, der dreifache Torschütze beim 4:3 über Schalke im Meisterschaftsfinale 1941, wird an die russische Front versetzt. Im befreiten und ausgehungerten Wien spielt Rapid am 1.Mai 1945 gegen eine sowjetische Soldatenmannschaft. In der Schlacht um Wien starben noch kurz davor 40.000 Menschen.

Es ist traurig, dass es heute noch viele große Fußballvereine gibt, die nicht daran denken, ihre Geschichte während der Zeit des Nationalsozialismus so öffentlich zu machen, wie dies in dem Buch von Jakob Rosenberg und Georg Spitaler der Fall ist. Als Ermunterung, dies dennoch zu tun, sei hier ein Teil des Vorworts zitiert:

«Der Sport als unpolitische Veranstaltung – dies ist wohl eine Grundannahme nicht nur der medialen Sportberichterstattung, auch der Mainstream der traditionellen Sportwissenschaft spricht gerne von seinem Forschungsgegenstand als einem aparten Subsystem der Gesellschaft, das bestenfalls gelegentlich mit gesellschaftlichen Problemen und Rahmenbedingungen in Berührung komme.»

Das Buch untersucht schonungslos, berichtet und dokumentiert, dass dem Sport sehr wohl politische Dimensionen der Macht innewohnen. Vereinsgeschichten schreiben nicht nur viele Seiten, in denen große Erfolge erzählt werden, auch die «dunklen» Seiten der Anpassung müssen berichtet werden.# Rudolf Edlinger, der jetzige Präsident von Rapid, sagt: «Seien wir uns daher auch heute bewusst, wohin politischer Fanatismus, Hass auf andere Bevölkerungsgruppen und Gewalt letzlich führen können und dass sich kein gesellschaftlicher Bereich, auch nicht der Sport, der Politik gänzlich entziehen kann.

www.rapidshop.at

 

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