Wir, Linksaktivist/innen von verschiedenen Organisationen und Zusammenhängen aus Israel, kritisieren Euren Fraktionsbeschluss vom 7.Juli.
In diesem Beschluss werden zwei grundverschiedene Themen vermischt, die demgegenüber dringend voneinander unterschieden werden müssen, um Antisemitismus in Deutschland und weltweit bekämpfen zu können. Darüber hinaus erhebt der Beschluss ungeheuerliche Anschuldigungen gegen die Zivilgesellschaft in Israel/Palästina und die internationale Solidaritätsbewegungen, die einen gerechten Frieden in unserer Region unterstützen.
Wir sind uns bewusst, dass Antisemitismus, ebenso wie Islamophobie und andere Formen von Rassismus, Sexismus und Homophobie, auch in der europäischen Linken verbreitet sind. Als Mitglieder der Partei DIE LINKE. ist es dringend notwendig, dass Ihr eine klare Stellung zu diesem Thema bezieht und wir unterstützen Eure eindeutige Verurteilung rassistischer und antijüdischer Aktivitäten, Ideologien und Diskurse.
Wir vertreten unterschiedliche Meinungen zu offenen Fragen und Strategien im israelisch-palästinensischen Konflikt; auch bezüglich jener Punkte, die Teil Eures Beschlusses sind: Die Ein-Staat-Lösung, die Kampagne für Boykott/Desinvestitionen/Sanktionen (BDS) und die unterschiedlichen Solidaritätsaktionen zur Durchbrechung der Belagerung des Gaza-Streifens, darunter die «Gaza-Flotilla».
Nichtsdestotrotz sind wir überzeugt, dass keine dieser Aktionen oder Positionen grundsätzlich etwas mit Antisemitismus zu tun haben. Zu unterstellen – wie in Eurem Beschluss geschehen – dass eine offene Diskussion über diese Themen antisemitisch sei, ist ein Affront gegenüber einer globalen antirassistischen Bewegung, die sich gegen die illegale und brutale Politik des Staates Israel gegen die Palästinenser/innen in seinen anerkannten Grenzen, in den besetzten Gebieten und in der Diaspora wendet. Wir zählen uns selbst mit Stolz zu dieser Bewegung.
Wir glauben, dass die Solidarität mit dem palästinensischen Kampf für Unabhängigkeit und Gerechtigkeit nicht nur ein moralischer Imperativ, sondern auch im besten Interesse israelischer Staatsbürger/innen und aller jüdischen Menschen weltweit ist. Das israelische Establishment versucht, sich weltweit als einziger legitimer Vertreter der Jüdinnen und Juden darzustellen.
Dieser Anspruch wird in Deutschland und Europa leider meist unhinterfragt akzeptiert. In den letzten Jahren bezeichnete die israelische Regierung zunehmend jede Kritik an ihrer Politik als antisemitisch und instrumentalisierte diese falsche Gleichsetzung, um jegliche politische Auseinandersetzung um die Besatzung zu unterbinden.
Wir bestehen darauf, dass Ihr auch zukünftig Eure klare Opposition zu Antisemitismus ausdrückt und fordern, dass Ihr Solidarität mit den Palästinenser/innen zeigt. Bekennt Euch zu einer offenen Diskussion über die verschiedenen Formen des Widerstands, des Aktivismus und der Solidarität und über die Vorschläge zur möglichen Beendigung des Konflikts, die auf Menschenrechten und Demokratie basieren! Wir glauben, dass sich diese Positionen in keiner Weise widersprechen sondern sich vielmehr zur besten und wirksamsten linken Perspektive zum Konflikt ergänzen.
Wir werden weiter unsere Opposition zu allen Formen von Rassismus und Unterdrückung ausdrücken und hoffen, dass Ihr Euren Beschluss überdenkt – damit wir gemeinsam für einen gerechten Frieden im Nahen Osten arbeiten können.
Unter den über hundert Unterzeichner/innen, die in Dutzenden verschiedenen Organisationen und Initiativen aktiv sind, sind die Professoren Gadi Elgazi und Sami Shalom Chetrit, die Filmregisseure Udi Aloni und Eyal Sivan, feministische Aktivistinnen der israelischen Frauenkoalition für Frieden wie Eilat Maoz und Dalit Baum, die Begründerin der Organisation «Physicians for Human Rights» Ruchama Marton, Kriegsdienstverweiger/innen wie Matan Kaminer und Shimri Zameret, die zwei Jahren lang inhaftiert waren, und bekannte Aktivist/innen des gewaltfreien Widerstands gegen die Besatzung wie Adar Grayevsky und Ezra Nazi; außerdem die auch in Deutschland bekannten Iris Hefets, Felicia Langer, Abraham Melzer und Michael Warschawski.
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