Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2011
von Angela Klein
Der Bundessicherheitsrat (ein Kabinettsausschuss der Bundesregierung) hat der Lieferung von Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien und eines sechsten deutschen U-Boots nach Israel zugestimmt. Es sollen nun immer zwei U-Boote vor der iranischen Küste «zur Abschreckung» stationiert sein können. Am 30.Mai 2010 hatte die Sunday Times vermeldet, ganzjährig halte sich zur Abschreckung des Iran ein israelisches U-Boot mit nuklear bestückten Marschflugkörpern im Persischen Golf auf.
Die Beschlüsse sind ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Es verbietet Lieferungen von Waffen in ein anderes Land, wenn «die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden». Der Nahe Osten ist das Krisengebiet schlechthin. Seit den iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 droht Israel laufend mal mehr, mal weniger offen mit einem Krieg gegen den Iran. Wikileaks veröffentlichte Ende November 2010 eine US-Depesche, die berichtete, Generalstabschef Gabi Ashkenasi habe beim Besuch einer Delegation des US-Kongresses erklärt, die Armee seines Landes bereite sich auf einen größeren Krieg im Nahen Osten vor. Und Saudi-Arabien hat Panzer gegen die aufständische Zivilbevölkerung von Bahrain eingesetzt.

Die Beschlüsse sind der pure Zynismus: Auf der einen Seite heuchelt die Bundesregierung Sympathie mit der arabischen Demokratiebewegung, auf der anderen Seite rüstet sie die Kräfte mit den modernsten Waffen aus, die, wie Saudi-Arabien, geholfen haben, diese Bewegung blutig niederzuschlagen, und die, wie Saudi-Arabien und Israel, zu den größten Feinden der Demokratiebewegung im Nahen Osten gehören. Die Waffenlieferungen an Israel und Saudi-Arabien sind eine Kriegserklärung an die Demokratiebewegung im Nahen Osten.

Besonders destabilisierend ist die U-Boot-Lieferung an Israel. In allen öffentlichen Reden heben israelische Demonstranten hervor, dass Juden und Araber Partner im sozialen Kampf sind. Doch unter den Aktivisten kursiert die Befürchtung, dass die Regierung, wenn sie nicht mehr weiter weiß, zum Mittel der militärischen Provokation greifen könnte, um so etwas wie einen Befreiungsschlag für sich zu erreichen.

«Der Protest hat einen dramatischen Umschwung bewirkt», schreibt Uri Avnery auf ZNet. «Der gesamte Inhalt des öffentlichen Diskurses war nicht mehr wieder zu erkennen. Soziale Ideen standen im Mittelpunkt, die Talkshow-Runden im Fernsehen waren auf einmal voller Sozialarbeiter und Wirtschaftswissenschaftler. Und dann geschah es...» Der palästinensische Angriff auf Zivilisten und Soldaten in Israel «war für Netanyahu und seine Regierung ein unglaublicher Glücksfall. Sofort verschwanden die Ökonomen von den Bildschirmen, an ihre Stelle traten wieder die Generäle.»

Avnery vergleicht den palästinensischen Überfall mit 1982. «Ariel Sharon, damals Verteidigungsminister, hatte sich entschieden, die Palästinenser und die Syrer im Libanon anzugreifen. Er flog nach Washington, um die nötige Zustimmung Amerikas zu erhalten. Alexander Haig sagte ihm, die USA seien damit nicht einverstanden, wenn nicht ein ‹glaubwürdiger› Akt der Provokation geschehe. Ein paar Tage später unternahm die extremste palästinensische Gruppe unter Abu Nidal, Arafats Todfeind, einen Mordversuch am israelischen Botschafter in London, der daraufhin gelähmt blieb. Der 1.Libanonkrieg brach aus.»

Ein Teil der Jugendlichen in den Zeltstädten hat verlangt, das Militärbudget zu verringern, um Geld für soziale Ausgaben frei zu machen. «In unserer militärischen Handlungsfähigkeit kann es keine Kompromisse geben», reagierte Generalstabschef Gantz sofort. Der Überfall im Sinai beendet nun jede ernsthafte Chance, Milliarden vom riesigen Militärbudget zu nehmen und in den öffentlichen Dienst zu stecken. Im Gegenteil, jetzt sollen Milliarden in einen 200 km langen Elektrozaun entlang der Wüstengrenze zum Sinai fließen.

Beobachter meinen auch, die Krise werde sich im Herbst zuspitzen, wenn die palästinensische Führung vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen den Antrag auf Anerkennung eines Palästinensischen Staates stellt – das wollen die im UN-Sicherheitsrat vertretenen Regierungen und Israel mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern. Die Palästinenser haben angekündigt, zeitgleich mit der diplomatischen Offensive gewaltfreie Massenaktionen gegen die Mauer und gegen die Siedlungen durchführen zu wollen.

Der israelische Generalstabschef Benny Gantz hat vor dem Außen- und Verteidigungsausschuss der Knesset am 31.Juli geäußert, die Armee sei dabei, Waffen zu kaufen, um gegen eine palästinensische Massenmobilisierung vorzugehen, und sie spinne ein geheimdienstliches Netzwerk, um solch eine Bewegung «zu verhindern».

Jede deutsche Waffenlieferung in einer solchen Situation ist eine Einladung zu einer militärischen Option. U-Boote sind die einzigen Trägersysteme, von denen aus Israel Raketen abschießen kann, ohne befürchten zu müssen, dass ein gegnerisches Militär sie ausschalten kann. Israel kann sie sogar mit Atomsprengköpfen bestücken (die der Iran nicht hat). Sie verleihen dem Land in einem Krieg mit den Nachbarstaaten einen erdrückenden militärischen Vorteil. Und das heißt: Sie stärken die abenteuerlichsten und verantwortungslosesten Elemente in der israelischen Führung.

Angela Klein
(gegenüber der Printversion leicht geändert)

 

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