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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2011
Der aufhaltsame Untergang der WestLB

von Birger Scholz

In einer turbulenten Sitzung billigte der NRW-Landtag am 30.Juni im zweiten Anlauf den Restrukturierungsplan für die WestLB. Erst die Intervention des Bundesfinanzministers hatte die CDU auf Linie gebracht und die Mehrheit im Landtag gesichert. Damit besiegelten die Abgeordneten von SPD, CDU und Grünen das Schicksal der einstmals mächtigen Landesbank. DIE LINKE und die FDP stimmten dagegen.
Lange Zeit galt die WestLB, die 1969 als Anstalt öffentlichen Rechts aus der Fusion der rheinischen und westfälischen Girozentralen entstand, als Flaggschiff der Landesbanken. Bereits Anfang der 70er Jahre gründete sie ihre ersten Auslandsniederlassungen. Ihr Ziel war, auf Augenhöhe mit den privaten Geschäftsbanken zu spielen. Kurzzeitig überstieg ihre Bilanzsumme sogar die der Deutschen Bank.

Die Internationalisierungsstrategie erlebte bereits 1973 einen ersten Rückschlag, der sich als Menetekel erweisen sollte: Die Devisenhändler verspekulierten mit Wetten auf den US-Dollar fast den gesamten Jahresgewinn der Bank. Dies wird kein Zufall gewesen sein. Denn im gleichen Jahr – wirtschaftshistorisch relevanter als der Ölpreisschock – zerbrach das System fester Wechselkurse von Bretton Woods. Das war der Anfang vom Ende der regulatorischen Spielregeln des Glanzzeit des Nachkriegskapitalismus. Im gleichen Jahr auch putschten die Militärs in Chile und läuteten den Siegeszug des monetaristischen Neoliberalismus ein.

Eigene Wege

Aufstieg und Niedergang des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus lassen sich am Fall der WestLB eindrucksvoll nachvollziehen.

Ohne Deregulierung der Finanzmärkte wäre die Internationalisierungsstrategie der WestLB kaum möglich gewesen. Und sicher hängt diese Strategie auch mit dem Größenwahn der jeweiligen Vorstände und deren Duldung durch die Landespolitik zusammen, die auf Ruhm für NRW und hohe Dividenden hoffte.

Aber die Geschichte der Pleiten und Pannen der WestLB ist auch eng verbunden mit dem relativen Niedergang der industriellen Kerne an Rhein und Ruhr. Dort wo Strukturwandel vor allem Deindustrialisierung bedeutete, passten die regionalen Möglichkeiten nicht zu den Wachstumsstrategien der Banker. Die Alternative wäre eine deutlich kleinere Landesbank gewesen, die sich auf regionale Struktur- und Industriepolitik und auf die Aufgaben einer Förderbank konzentriert. Also das, was Landesbanken, neben der Refinanzierung der Sparkassen, eigentlich leisten sollten. Da NRW nicht hinreichend in regionale Entwicklung, Zukunftstechnologien und Infrastruktur investierte, boten sich der Bank Wachstumschancen primär in der globalen Expansion.

Nicht verantwortlich für den Niedergang war die Beteiligungspolitik der Bank, die unter ihrem ersten Vorstandsvorsitzenden, Ludwig Poullain, eingeleitet und vom «roten Paten» Friedel Neuber (WestLB-Chef von 1981 bis 2001) ausgebaut wurde. Das Manager Magazin charakterisierte Letzteren als «eigentlichen Wirtschafts- und Finanzminister» von NRW, der Struktur- und Industriepolitik auf eigene Faust betrieb.

So steuerte die WestLB über ihre Beteiligungen an Gildemeister, Philipp Holzmann, Preussag, Babcock, LTU oder Hapag-Lloyd die industriellen Beziehungen in NRW. Die Fusionen von Hoesch und Krupp sowie RWE und VEW wurden von Neuber initiiert. Allerdings – und das war charakteristisch für das Land und seine Bank – fand eine Kontrolle und inhaltliche Ausrichtung der Geschäftspolitik durch die jeweiligen SPD-Landesregierungen nicht statt. Stattdessen nutzte der langjährige Ministerpräsident Rau gerne die Flugbereitschaft der Bank. Auch sein Nachfolger Clement soll wenig zurückhaltend gewesen sein.

SPD macht sich für Private stark

Mit den Krisen des Finanzmarktkapitalismus stieß auch die WestLB an ihre Grenzen. Bereits in der Asien- und Russland-Krise 1997/98 verlor sie enorme Summen. Dass sie diese Verluste aufsichtsrechtlich überstand, lag auch an der Eingliederung der Wohnungsbauförderungsanstalt (Wfa) als Sacheinlage in die WestLB im Jahr 1992. Damit wurde der Bank dringend benötigtes Eigenkapital zugeführt. Dieses Verfahren wandte im gleichen Jahr auch der Berliner Senat bei seiner Landesbank an, um die Voraussetzungen für die im Jahr 1994 vollzogene wahnwitzige Gründung der Bankgesellschaft Berlin zu schaffen. Das zusätzliche Eigenkapital ermöglichte den Landesbanken jedoch auch, den hohen Finanzierungsbedarf, der kurzzeitig im Zuge der Wiedervereinigung entstand, zu decken.

Die Eingliederung der Wfa nahmen die privaten Großbanken zum Anlass, Beschwerde bei der EU-Kommission einzulegen. Im Kern zielte ihre Beschwerde jedoch auf die Gewährträgerhaftung. Diese sah vor, dass die öffentliche Hand, also der Gewährträger, für alle Verbindlichkeiten der Landesbank haftet. Das Haftungsversprechen ermöglichte den Landesbanken und auch Sparkassen eine deutlich günstigere Refinanzierung als den Privatbanken.

Die EU-Kommission übernahm im Laufe des Beihilfestreits mit der WestLB die Argumentation der Privatbanken und verklagte die Bundesrepublik im Jahr 2000. Im April 2001 einigte sich die Kommission mit Vertretern des Bundes und der Länder ganz im Sinne der privaten Großbanken. Die Gewährträgerhaftung wurde mit Übergangsfristen ersatzlos abgeschafft. Teil der Verhandlungsdelegation des Bundes und der Länder und insofern mitverantwortlich für diese verhängnisvolle Entscheidung war der damalige NRW-Finanzminister Peer Steinbrück.

Mit dieser Entscheidung war Steinbrück auch der WestLB in den Rücken gefallen, die fest davon ausging, dass die Haftung niemals fallen werde. Nach der Schließung der Haftung spaltete Steinbrück von der WestLB den Bereich Förderbank in die heute komplett landeseigene NRW.Bank ab, die weiter als Anstalt öffentlichen Rechts geführt wird. Die WestLB hingegen wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Für die WestLB war diese Aufspaltung verhängnisvoll, verlor sie doch mit den Förderbankaktivitäten einen Großteil ihrer sicheren und auskömmlichen Kundenverbindungen. Zugleich nutzten die Sparkassen die Gelegenheit des großen Umbaus und trennten die Landesbausparkasse, die Beteiligungen an der Provinzialversicherung und die Wertpapierservicebank von der WestLB ab.

Abwicklung

Wenn heute zu Recht argumentiert wird, dass die WestLB kein tragfähiges Geschäftsmodell habe, dann liegt der tiefere Grund in den Fehlentscheidungen des Jahres 2001, für die Peer Steinbrück und Wolfgang Clement, aber auch die Sparkassen, die Verantwortung tragen. Zu diesem Zeitpunkt bestand letztmalig die Möglichkeit, das Ruder herumzureißen. Stattdessen versuchte die WestLB, in immer stärkerem Maße, mangelnde Profitabilität durch das Eingehen größerer Risiken auszugleichen. Das fehlende breit angelegte Einlagengeschäft tat ein Übriges.

Eine radikal verkleinerte Bank mit einem klaren regionalen Fokus auf Projekt- und Unternehmensfinanzierung hätte vielleicht eine Zukunft gehabt. Stattdessen nutzten die Banker die letzten Jahre der Gewährträgerhaftung, um sich bis 2005 mit billigem Geld vollzupumpen und im globalen Casino mitzuspielen. Im Juli 2005 hatte die WestLB 25 Milliarden Euro liquider Mittel in der Kasse und wusste nicht so Recht wohin mit dem vielen Geld. Es folgten Pleiten, Pech und Pannen; in der letzten Dekade mussten die Eigner mehrere Milliarden Euro nachschießen. Die Weltfinanzkrise war der allerletzte Sargnagel.

Die EU-Kommission ließ frühzeitig erkennen, dass sie der WestLB keine weitere Chancen einräumen wollte. Wäre im Fall der Commerzbank mit gleichen Maßstäben gemessen worden, hätte die zweitgrößte Privatbank in Deutschland längst abgewickelt werden müssen. Eine radikale Schrumpfkur für die WestLB und ihre Neuausrichtung auf einen rein regionalen Fokus wurden dagegen nie ernsthaft in Erwägung gezogen, auch nicht von der Landespolitik. So ist es geradezu fahrlässig, die Kompetenzen der WestLB im Bereich der Energieprojekt- und Kraftwerksfinanzierung nicht für den energetischen Umbau in NRW zu nutzen.

Was bleibt ist die bittere Erkenntnis, dass die öffentlich-rechtliche Eigentumsform kein Hinderungsgrund war, auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger Milliarden in den Sand zu setzen. Dennoch gibt es weiterhin gute Gründe für öffentliche Banken – hierzu gehören auch die Sparkassen. Es braucht aber mehr Transparenz, öffentliche Kontrolle und Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger über ihre Geschäftsziele und wie sie erreicht werden sollen.

Birger Scholz ist Mitarbeiter der Linksfraktion im Landtag NRW, birger.scholz@landtag.nrw.

 

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