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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2011
Der Arbeitskampf bei Druckern und Journalisten

von Jochen Gester
In der Juli-Ausgabe der SoZ berichteten wir erstmals über den Streik der Beschäftigten in der Druckindustrie und den Ausstand der Redakteure. Beide Konflikte wurden in der Zwischenzeit beendet.
Die Drucker

Zuerst kam es zu einer Einigung in der Druckindustrie. Das Ergebnis ist ambivalent.

Auf der Habenseite kann verbucht werden, dass die von den Unternehmern geforderte Verschlechterung des Manteltarifvertrags verhindert wurde. Die 35-Stunden-Woche wird nicht aufgegeben. Die tariflichen Regelungen für die Maschinenbesetzung bleiben unangetastet. Abgesenkte Löhne für Helfertätigkeiten gibt es nicht. Auch eine Öffnungsklausel, die Arbeitszeitverlängerungen auf betrieblicher Ebene ermöglicht hätte, wurde abgewehrt.

Eine bittere Pille sind jedoch die rein nominellen Einkommenssteigerungen, die real eine Lohneinbuße von rund 4% bedeuten. Unberücksichtigt blieben auch die Forderungen nach einer Gleichstellung der Leiharbeiter mit den Stammarbeitern.

Nach diesem Abschluss mussten die Journalisten, die erstmals nach den Kämpfen um die 35-Stunden-Woche der 80er Jahre gemeinsam mit den anderen Beschäftigten in den Druckereien und Verlagen die Arbeit niedergelegt hatten, auf sich allein gestellt den Arbeitskampf weiterführen. Daran beteiligten sich täglich etwa 500 bis 800 Beschäftigte aus etwa 30 Redaktionen. Die Urabstimmungen bei der DJU und dem DJV hatten vorher fast überall eine 98%ige Zustimmung für den Streik ergeben. Schwerpunktgebiete des Streiks waren NRW und Baden-Württemberg. Im Ländle waren die Journalisten zu einem Erzwingungsstreik übergegangen, während ihre Kollegen in NRW es mit der Nadelstichtaktik versuchten.

Die Redakteure

Mitte August einigten sich Ver.di und der DJV mit den Arbeitgebern. Die Vereinbarung zeigt deutliche Überschneidungen mit dem vorher erzielten Abschluss für die übrigen Mitarbeiter in Druckereien und Verlagen:

Das von den Verlegern geforderte Tarifwerk 2 mit deutlichen Verschlechterungen für Berufsanfänger wurde abgewehrt. Die Regelungen des Manteltarifvertrags und die bestehende Altersversorgung bleiben bis 2013 weiter in Kraft, eine nächste Runde ist hier damit bereits vorprogrammiert. Bei nachgewiesener wirtschaftlicher Notlage können Urlaubs- und Weihnachtsgeld befristet gekürzt werden. Die Vereinbarungen zum Einkommen beinhalten eine 1,5%ige Erhöhung am 1.5. 2012 und zwei Einmalzahlungen von jeweils 200 Euro im Oktober 2011 und im August 2012. Die Freien bekommen ab 1.8.2012 ebenfalls 2% mehr.

Das materielle Ergebnis gibt kein Anlass zum Jubel. Von Dauer sind eher die kleinen Veränderungen in den Köpfen der Beteiligten. Was hier passieren kann, beschrieb eine Journalistin im Online-Portal Kontext Wochenzeitung. So ging es los:

«Untereinander fremdeln wir Protestler noch wie Kinder am ersten Schultag. Denn der durchschnittliche Journalist spricht zwar viel mit Menschen, die er für seine Artikel braucht, und hört sich außerdem gerne selbst zu, aber von seinen Kollegen im Ressort nebenan weiß er oft nicht viel mehr als deren Namen. Und so wirklich interessiert es ihn auch nicht. Der Journalist ist ein latenter Autist. Und gerne auch ein Zyniker. Kollektive Gefühle, das Pathos einer Massenveranstaltung ist ihm peinlich. Da ist er normalerweise höchstens distanzierter Beobachter. Jetzt aber sitzen wir an großen Tischen beieinander und sollen Genossen sein.»

Doch das änderte sich: «Während des Dauerstreiks löst sich die Lähmung. Wir wollen die uninformierte Öffentlichkeit, unsere Leser aufklären. Darüber, was in ihrer Zeitung gerade vor sich geht, darüber, dass guter Journalismus in seiner Existenz bedroht ist. Journalisten, die sonst ihre Eigenbrötelei wie einen besonderen Qualitätsausweis vor sich hertragen, finden sich in Arbeitsgruppen zusammen. Wir basteln Flugblätter, Plakate und Streikzeitungen, wir organisieren öffentliche Konzerte und Kundgebungen, Flashmobs, Kunstaktionen und eine Gläserne Redaktion, in die wir prominente Gäste einladen, wo wir mit Interessierten ins Gespräch kommen. Wir sind draußen, bei den Menschen und in der Stadt, für die wir schreiben.»

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