von Florian Osuch
Ein Großaufgebot der Polizei, die vollständige Absperrung des Stadtviertels und ein massiver Pfeffersprayeinsatz sorgten für einen nahezu ungestörten Ablauf eines Naziaufmarsches am 3.September in Dortmund.
Mehrere hundert Neonazis zogen durch die Dortmunder Nordstadt. Der sog. «nationale Antikriegstag» galt in den vergangenen Jahren als einer der zentralen Neonaziaufmärsche in der BRD, mit teilweise über eintausend Teilnehmern aus dem In- und Ausland. Inzwischen hat der Aufzug wohl mehr und mehr regionale Bedeutung, insbesondere für den harten Kern der neonazistischen Kameradschaften sowie für einige ihrer bundesweiten Unterstützer. Allerdings: Mit 700 Personen ist der Aufmarsch weiterhin eine der größten regelmäßigen Neonaziversammlungen in der BRD.
Polizeischutz für Rechts
Bedanken können sich die Neonazis vor allem bei der Polizeiführung in Dortmund. Sie sorgte für einen nahezu reibungslosen Naziaufmarsch. Mehrere tausend Beamte sperrten das Aufmarschgebiet hermetisch ab. Selbst Anwohnern wurde trotz Vorzeigen ihrer Personalausweise der Zugang in die sog. «Rote Zone» verwehrt. Gegenprotest auf der Route der Neonazis bzw. in Hör- und Sichtweite war nur denjenigen möglich, die bereits am Abend zuvor ins polizeiliche Sperrgebiet eingesickert waren.
Trotzdem versuchten mehrere tausend AntifaschistInnen ab dem frühen Morgen Polizeiabsperrungen zu überwinden oder zu umgehen und auf die Route der Neonazis vorzudringen. Das Bündnis «Dortmund stellt sich quer» hatte aufgerufen «den Aufmarsch durch gewaltfreie Blockaden entschlossen zu verhindern». Das Bündnis verfolgte ein offenes Aktionskonzept mit Sammelpunkten in der Stadt und einem verbindlichen Aktionskonsens («Von uns wird keine Eskalation ausgehen»). Simon Fischer von «Dortmund stellt sich quer» erläuterte gegenüber SoZ: «Uns war ein transparentes Aktionskonzept außerordentlich wichtig. Wenn wir nicht nur davon reden, die Nazis zu blockieren, sondern dies auch tatsächlich in Angriff nehmen wollen, ist eine massenhafte Unterstützung notwendig. Voraussetzung ist dafür Offenheit in der Aktionsform. Wenn die Leute wissen, was wir planen, ist die Bereitschaft zur Teilnahme an den Aktionen in der Regel weitaus höher.»
Pfefferspray für Linke
Massenblockaden kamen am 3.September in Dortmund nicht zustande, dafür waren die Polizeiabsperrungen zu massiv. Einzig zwei offenbar konspirativ geplante Blockaden mit jeweils rund 70 Personen sorgten dafür, dass die Neonazis zumindest nicht entlang ihrer geplanten Route marschieren konnten. Eine Gruppe des bürgerlichen Bündnisses «Dortmund Nazifrei!» hatte bereits ab etwa 9 Uhr auf der Straße Platz genommen, ein Blockadeteam von «Dortmund stellt sich quer» tauchte hingegen am Mittag für die Polizei offenbar absolut unerwartet auf. Während die bürgerlichen BlockiererInnen vom Pfarrer einer nahegelegenen Gemeinde besucht wurden, räumte die Polizei den zweiten Protest der nur etwa einhundert Meter weiter gelegenen zweiten Blockade teilweise recht brutal ab.
Für die Demonstrierenden außerhalb der Sperrzone gab es kein Durchkommen. Simon Fischer von «Dortmund stellt sich quer» konstatierte: «Ein Eindringen in die ‚Rote Zone’ wäre nur unter Aufgabe des Aktionskonsenses möglich gewesen.» Denn wer sich bereits den Absperrgittern näherte, riskierte eine Ladung Pfefferspray der Polizei oder einen gezielten Faustschlag ins Gesicht. Literweise müssen die Polizisten das gesundheitsgefährdende, Augen und Haut reizende Pfefferspray versprüht haben. Auch Schlagstöcke gingen auf Demonstrierende nieder, hunderte AntifaschistInnen wurden festgenommen.
Die Polizei schien am 3.September in Dortmund an ihrer Leistungsgrenze. In Großgruppen von zum Teil mehreren hundert Personen zogen Antifaschisten immer wieder durch die Straßen, in der Hoffnung, doch eine Lücke oder Schwachstelle in den Polizeiformationen zu finden. Am Rande kam es vereinzelt zu Scharmützeln mit der Polizei, dabei wurde auch ein Polizeiwagen demoliert.
Medienhetze
Die bürgerlichen Medien nahmen diese Auseinandersetzungen zum Anlass, um von «Gewaltexzessen» (Ruhr Nachrichten) oder «Straßenkampf» (WAZ) zu fantasieren. Das Bündnis «Dortmund stellt sich quer» reagierte darauf folgendermassen: «Ein Gewalt-Exzess war das Massaker von Kunduz, und Straßenkampf tobt seit Jahrzehnten auf den Straßen Palästinas, wo sich Hunderttausende gegen das israelische Besatzungsregime wehren.»
Das Fazit von «Dortmund stellt sich quer» fällt geteilt aus, da der Aufmarsch nahezu ungestört stattfinden konnte. «Unter den gegebenen Umständen war mehr wohl nicht möglich», meinte Simon Fischer vom Bündnis. Doch eines habe das Bündnis erreicht: Die Stadt – gemeint sind Medien, Politiker, Verwaltung, Vereine und Gewerkschaften – debattierten über Blockaden gegen Nazis und Aktionen des zivilen Ungehorsams. Die Diskussion habe «Dortmund stellt sich quer» angestoßen und für viele AntifaschistInnen sei dieses Jahr erst ein Testlauf gewesen.
Weitere Informationen unter www.dortmundquergestellt.de.
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