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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2011
Aktionstag der IG-Metall-Jugend in Köln

von THIES GLEISS
Die Farbkombination Schwarz-Gelb ist für Gewerkschafter und Linke sicher etwas gewöhnungsbedürftig, aber die annähernd 20000 Jugendlichen in ihren schwarz-gelben T-Shirts fielen mächtig auf.
So viele waren dem Aufruf der IG-Metall-Jugend gefolgt und zum Aktionstag «Operation Übernahme» am 1.Oktober nach Köln gekommen.
Bei strahlendem Sommerwetter zogen drei Demonstrationsmärsche zum zentralen Neumarkt, um ein lautes und buntes Programm zu erleben, das sich um die Hauptforderungen «Unbefristete Übernahme aller Auszubildenden» und «Gute Arbeit und Einkommen statt prekärer Beschäftigung und Praktika» drehte. Am Nachmittag und Abend gab es eine Abschlussdemonstration zur und in die Kölner Lanxess-Arena, wo diverse Künstler und Bands auftraten.

Seit langem ist die unsichere Perspektive der Auszubildenden, was nach dem Ende der Ausbildung passiert, eines der größten Probleme der Jugendlichen. Die Unternehmer hindert das nicht, in den Fernsehtalkshows Krokodilstränen über den «Facharbeitermangel» zu vergießen. Gar keine oder befristete Übernahme ist fast immer noch die Regel. Die IG Metall kämpft zwar ebenfalls schon seit Jahren für verbindliche und tarifvertragliche Regelungen zur unbefristeten Übernahme, aber mit nur wenig Erfolg. Oft war es in Tarifrunden auch so, dass jugendspezifische Forderungen anfänglich zwar aufgestellt, aber im Zuge der Verhandlungen dann gern geopfert und «verrechnet» wurden. Deshalb ist es erfreulich, dass sich die IG Metall aktuell fest vorgenommen hat, in der kommenden Tarifrunde die Frage der Übernahme vorrangig zu verankern. Der erfolgreiche Aktionstag und die große Mobilisierung nach Köln haben hoffentlich deutlich gemacht: Da gibt es nichts dran zurückzunehmen oder zu «verrechnen». Mittlerweile hat auch der IGM-Gewerkschaftstag in dieser Frage noch einmal klar Stellung bezogen.

Die IG Metall hatte viel Geld für diesen Aktionstag in die Hand genommen, und das war gut so. Er wurde von den Jugendlichen fast in Eigenregie durchgeführt. Auf der Auftaktkundgebung durften die Platzhirsche der IG Metall, die Bezirksleiter von NRW, Baden-Württemberg und Niedersachsen nur «einen einzigen Satz zur Operation Übernahme sagen», und sie hielten sich – fast – daran. Auf der Hauptkundgebung sprachen der zweite Vorsitzende der IG Metall, Detlef Wetzel, und der Jugendbeauftragte, Eric Leiderer, länger – und langweiliger. Leiderer hob aber ausführlich hervor, dass die Jugendlichen in Deutschland nur ein Teil einer weltweiten Bewegung sind. Die spektakulären Bildungskämpfe in Chile, die öffentliche Dauerbelagerung israelischer Städte durch von Armut und Wohnungsnot bedrohte Jugendliche, die Platzblockaden von Madrid und Athen und auch die Protestcamps, die seit Tagen vor der New Yorker Börse die Wallstreet aufmischen – all das sind Teile einer gemeinsamen Bewegung. Sie machen Mut und Hoffnung, dass das zweite Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts von einem neuen Aufschwung der Jugend- und Arbeiterbewegung gegen den Kapitalismus geprägt wird.
Nur wenige Tage nach dem Jugendaktionstag der Metallgewerkschaft fanden weltweit die Aktionstage gegen die Bankenmacht statt. Die Schnittmenge zwischen den gewerkschaftlichen Jugendlichen und dieser ebenfalls überwiegend jugendlichen Bewegung ist noch gering. Die neue facebookgestützte Bewegung hat dabei in wunderbarer Klarheit den Hauptadressaten benannt: die Banken. Was den Absender der Bewegung anbetrifft, so ist noch viel Unklarheit. Noch ist es eine Party-Mobilisierung von vielen Einzelnen. Bei der Gewerkschaftsjugend ist es genau umgekehrt: Der Absender ist klar die organisierte und kollektive Arbeiterklasse, der Adressat hingegen versteckt sich oft noch hinter moralischen Appellen und Bittstellungen an die Regierung.

Wie schön wäre es, wenn aus beiden eine machtvolle Bewegung der organisierten Kolleginnen und Kollegen im Betrieb, der Auszubildenden, Schüler und Studierenden, der Rentner in ihren Stadtteilen und der Erwerbslosen vor den Arbeitsämtern mit Blockaden, Streiks und Demonstrationen gegen die Finanzkonzerne zusammenwachsen würde!

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