Hugo Blanco: «Wir Indios». Der Kampf der Indígenas gegen rassistische Unterdrückung und die Zerstörung der Umwelt, Frankfurt: Neuer ISP Verlag, 2011, 175 S., 19,80 Euro und
Bernhard Schmid: Distanzieren. Leugnen. Drohen. Die europäische extreme Rechte nach Oslo, Münster: edition assemblage, 2011, 120 S., 12,80 Euro
«Wir Indios»
Hugo Blanco schildert den Kampf der peruanischen Indígenas um Land und gegen die Zerstörung der Natur. Sein Buch ist eine Kampfschrift mit zwei Hauptanliegen. Er möchte die historischen Ereignisse in Peru dokumentieren. Vor allem aber möchte er das Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein der Indígenas stärken. Denn Unterjochung, Hunger und schlechte medizinische Versorgung haben, zusammen mit der Deutungshoheit der herrschenden Klasse, Spuren in der Selbstwahrnehmung der Menschen hinterlassen.
Blanco entlarvt die Floskeln von der Unterlegenheit und Zurückgebliebenheit der indianischen Kultur und der Minderwertigkeit ihrer Menschen als Märchen, mit dem die Oberschicht ihrer Herrschaft legitimiert. Er beschreibt die indigene Dorfgemeinschaft und die traditionelle landwirtschaftliche Produktionsweise als Elemente des Urkommunismus.
Die indianische Gemeinschaft bildet einen krassen Gegenpol zur bestehenden Gesellschaft, ihre Mitglieder spüren die kapitalistischen Zumutungen besonders stark. Weil sie auf diese Herausforderungen – anders als vielfach westliche Menschen oder auch andere Lateinamerikaner – kollektive Lösungen suchen und dabei z.T. auf ihre überlieferte Lebensweise zurückgreifen können, sind sie mehr als andere in der Lage, die bedrückenden Verhältnisse umzuwerfen und eine solidarische, emanzipatorische und ökologische Gesellschaft zu errichten.
Als Gewerkschafter und Aktivist der IV.Internationale hat Blanco lange Jahre den Kampf der Bauern für Land und gegen die Leibeigenschaft organisiert, die in Peru bis in die 60er Jahre des 20.Jahrhunderts hinein bestand. Sein Buch ist somit auch eine Autobiografie.
Distanzieren. Leugnen. Drohen.
Bernhard Schmid legt eine erste Bestandsaufnahme von Reaktionen rechtspopulistischer Organisationen auf die Anschläge in Norwegen vor. Der Titel ist irreführend, weil er Informationen über Veränderungen in der radikalen Rechten durch die Attentate von Norwegen verspricht. Das leistet das Buch explizit nicht. Es wäre – sollten die Anschläge überhaupt zu Wandlungsprozessen führen – dafür auch zu früh.
Was Schmid aber bietet, ist eine differenzierte Analyse von Reaktionen rechtspopulistischer Organisationen in der Europäischen Union. Sie reichen von Verschwörungstheorien à la «Breivik kommt vom Geheimdienst» oder «Die Freimaurer waren’s» über «psychologisierte» Entschuldigungen nach dem Muster «Der Arme musste ja durchdrehen bei so viel Multikulti», der Verklärung des Attentäters als Märtyrer oder dem Ruf nach dem starken Staat («Ein Staat, der so etwas zulässt, ist schlimmer als der Attentäter») bis hin zu klarer Ablehnung. Alles in allem wirkt die Rechte wie ein Hühnerhaufen, in den hineingeschossen wurde.
Dafür gibt es Gründe: Zwar handelte Breivik allein, er ist aber ideologisch tief im rechtspopulistischen Milieu verwurzelt. Er gehört nicht zu den «klassischen» Rechtsextremen, man könnte ihn eher als christlichen Fundamentalisten bezeichnen. In Schmids Fokus stehen deshalb die niederländische Partij voor de Vrijheid, der belgische Vlaams Belang, die English Defense League, die Schweizerische Volkspartei u.a. All diese Parteien sind wirtschaftsliberal und knüpfen an antimuslimische Ressentiments an. Sie mobilisieren Überfremdungsängste und treffen dabei auf offene Ohren. Dass sie nicht weniger brutal sind, zeigt der Fall Breivik. Schmid demontiert den Mythos vom «ungesellschaftlichen» Einzeltäter. Interessant wäre noch der Vergleich mit der Tea-Party-Bewegung in den USA gewesen. Da könnten sich Parallelen auftun.
Anja Köhler
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