Die Räumung der Protestierenden vom Zuccotti Park in New York war vor allem feige, durchgeführt im Schutz der Dunkelheit und möglichst unter Ausschluss der Medien. Vor der Räumung waren die örtlichen U-Bahnen und die Brooklyn-Bridge gesperrt worden, wodurch man verhinderte, dass Sympathisanten der Protestierenden zum Platz kommen. Im Zuge der Räumung wurde die Polizei zunehmend härter, Journalisten wurden verhaftet und immer weiter vom Geschehen weggedrängt. Die Presse durfte das Geschehen nicht aus der Luft verfolgen, Anrainer wurden angewiesen, in ihren Häusern zu bleiben.
All dies drängt die Frage auf: Wenn Bürgermeister Bloomberg wirklich im Interesse der Gesundheit der Aktivisten handeln wollte, wie er auf der Pressekonferenz erklärte, warum verhielt er sich dann wie ein Dieb in der Nacht? Wovor genau hat Bloomberg Angst?
Trotz seiner Lippenbekenntnisse zum Recht der Protestierenden, ihr Unbehagen zu äußern, war der Angriff auf Liberty Square nicht nur ein Angriff auf den physischen Raum, den die Occupy-Bewegung eingenommen hatte, es war vielmehr ein Angriff auf das, was der Platz symbolisierte: die Ausübung von demokratischem Dissens und das Verlangen nach einer gleicheren und gerechteren Gesellschaft. Niemand, vor allem jetzt nicht, verkörpert das Gegenteil dieser Ideale besser als New Yorks Milliardär-Bürgermeister, der seine dritte Amtszeit gekauft hat und dessen Respekt für Meinungsfreiheit nur so weit reicht, wie die Interessen der Klasse, die er repräsentiert, nicht gefährdet sind. Leider ist Bloomberg nicht der einzige dieser Art: selbst «progressive» Bürgermeister in Portland, Oakland und Salt Lake City haben in ihren Städten Polizeieinsätze gegen die Occupy-Bewegung genehmigt – vermutlich waren die Aktionen nach einer Telefonkonferenz von Verantwortlichen aus 18 Städten koordiniert worden.
Nachdem ein Gericht die von der Immobiliengesellschaft Brookfield (der Besitzerin des Zuccotti Park) beantragte einstweilige Verfügung zur Räumung des Parks bestätigt hat – die Demonstrierenden dürfen zwar auf den Platz zurück, jedoch ohne Zelte – überlegen die Besetzer nun, wie sie weiter machen wollen. Für den 17.November, zwei Monate nach Beginn der Besetzung des Zuccotti-Parks, sind landesweite Aktionen geplant, u.a. soll die «Wall Street geschlossen» werden [dies gelang weitgehend, weil die Polizei rigoros die Gegend abriegelte]. Wenn Bloomberg gehofft hat, den Protest durch seinen mitternächtlichen Überfall zu stoppen, so war das eine desaströse Fehleinschätzung. Einige Aktivisten halten die Aktion des Bürgermeisters sogar für ein unbeabsichtigtes Geschenk. Zweifelsohne hat die Aggression der Polizei die Sympathie der Menschen für die Occupy-Bewegung vergrößert, doch zu glauben, dass deren Durchhaltevermögen sich auf eine so schmale Basis gründet, wäre zu kurz gegriffen. Schließlich war eine Bewegung für die 99% immer zu groß für den Zuccotti Park.
Aus: The Nation, 5.12.2011 (Stand 16.November.)
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