von Fred Leplat
Der Streik drehte sich vor allem um die Verteidigung der Renten für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Über 29 Gewerkschaften waren an ihm beteiligt, darunter die drei größten, UNISON, UNITE und GMB. Insgesamt nahmen über 2,5 Millionen Beschäftigte im staatlichen Gesundheitswesen (NHS), in den Kommunalverwaltungen und staatlichen Behörden daran teil.
Demonstrationen fanden an vielen Orten statt, auch in kleinen Städten, die seit dem Beginn des Irakkriegs 2003 keinen Protest mehr erlebt haben. Über 50000 demonstrierten in den Straßen Londons, 15000 in Belfast, selbst 100 Menschen in Lerwick auf den Shetlandinseln! Für die überwältigende Mehrheit war es der erste Streik in ihrem Leben. Zwei Drittel aller Schulen blieben geschlossen, Museen und Gerichtsgebäude waren zu, und bis auf Notfälle wurden alle Operationen in den Krankenhäusern abgesagt.
Der Streik war nicht nur wegen seines Ausmaßes ein gewaltiger Erfolg, sondern auch weil alle wussten: Es geht nicht nur um die Rente, sondern um die schiere Existenz des öffentlichen Dienstes und schließlich darum, wer die Krise bezahlen soll. Die Frage nach einer gerechten Rente für alle stand stellvertretend dafür auf der Tagesordnung.
Die von den Tories geführte Regierung argumentiert, es sei nicht fair, dass Beschäftigte im öffentlichen Dienst eine höhere Rente erhalten als im privaten Sektor. Noch viel weniger fair aber sind die vielen Millionen, die Banker alljährlich erhalten, z.B. die 7 Millionen Pfund, die die Direktoren von Barclays und der Royal Bank of Scotland einstreichen. Dagegen leben über 2,5 Millionen Rentner unterhalb der Armutsgrenze von 178 Pfund in der Woche. Die Altersarmut in Großbritannien gehört zu den krassesten in Europa – nur drei EU-Staaten weisen eine schlechtere Altersversorgung auf: Zypern, Lettland und Estland. Frankreich gibt doppelt soviel für Renten aus wie Großbritannien.
Der Streik hatte eine lange Vorgeschichte. Unmittelbar nach ihrer Wahl im Mai 2010 kündigte die Tory-Regierung einen Krieg gegen den öffentlichen Dienst im Besonderen und gegen die Löhne und Arbeitsbedingungen im Allgemeinen an. Im September 2010 beschloss der Gewerkschaftsdachverband TUC koordinierte Streikaktionen gegen diese Angriffe, doch es dauerte weitere sechs Monate, bis am 26.März eine landesweite Demonstration mit 500000 Teilnehmern stattfand. Trotz dieses gewaltigen Erfolgs zögerten die Vorstände der drei großen Gewerkschaften und des TUC, weitere Aktionen zu organisieren. Erst der große, erfolgreiche Streik der Lehrergewerkschaften UCU, NASWUT und NUT und der PCS am 30.Juni führte dazu, dass alle anderen Gewerkschaften und der TUC beschlossen, ihre Mitglieder zum Streik aufzurufen. Sie hatten keine Wahl mehr, die Regierung hatte die Verhandlungen seit Jahresbeginn ohne Zugeständnisse auf Eis gelegt und einseitig das Renteneintrittsalter für junge Beschäftigte auf 67 Jahre heraufgesetzt.
Der Streik am 30.November kann nur der Anfang eines anhaltenden Widerstands sein. Er muss ausgeweitet werden auf die Beschäftigten im privaten Sektor, junge Menschen und Studierende müssen einbezogen werden, weil die Erhöhung des Renteneintrittsalters sich unmittelbar auf die Jugendarbeitslosigkeit auswirken wird, die eh schon auf einem Rekordhoch ist.
Dies ist nicht nur eine Krise der britischen Ökonomie. Es ist eine Krise des kapitalistischen Systems, das versucht, die Arbeiterklasse die Krise zahlen zu lassen. Auf die Aktion am 30.November in Großbritannien folgte ein Generalstreik in Griechenland am 1.Dezember und ein Aktionstag der gewerkschaftlichen Dachverbände in Belgien am 2.Dezember. Das Bedürfnis nach einer europaweiten Solidarität und gemeinsamen Aktionen ist drängender als je zuvor.
Quelle: www.europe-solidaire.org.
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