Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2012
Hallgrímur Helgason: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen, München: dtv, 2011, 271 S., 9,95 Euro /Christopher G. Moore: Der Untreue-Index, Berlin: Unionsverlag, 2011, 378 S., 16,90 Euro

von Udo Bonn

Es klingelt an der Tür. Er ist entdeckt. Auf Socken verschwindet Tomislav Boksic aus dem Haus seiner Gastgeber in das kühle Reykjavík. Aber wo soll er hin in der isländischen Hauptstadt, in der er sich nicht auskennt, in der er nicht sein will, aus der er nicht entkommen kann?
Tomislav Boksic, genannt Toxic, wollte eigentlich nach Kroatien, seine Heimat, nachdem er als erfolgreicher Mafiakiller irrtümlich einen FBI-Agenten umgelegt hat. Und dann konnte er auf dem NewYorker Flughafen seiner Festnahme nur entgehen, indem er sich eine falsche Identität besorgte, auf die übliche Art. Sein Pech: Sein Opfer war ein bekannter Fernsehprediger, und das Ticket war auf Reykjavík ausgestellt. Und bevor er sich bei seiner Ankunft umorientieren kann, wird er von einem freundliche Pfarrersehepaar in Empfang und in Beschlag genommen: Er ist jetzt Father Friendly aus Richmond, Virginia, und er predigt im Glaubens-TV mit jugoslawischem Akzent, weil er dort unter dem Kommunismus die frohe Botschaft verkündet hatte.

Hallgrímur Helgasons temporeicher Roman Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen erlaubt mit dem doppelt fremden Blick eines in den USA lebenden Kroaten, der im zerfallenden Jugoslawien seine Familie, seine Heimat und seine Moral verloren hat, eine beiläufige Analyse seiner neuen Heimat, in der es keine Waffen zu kaufen gibt, in der nur die Armen öffentliche Verkehrsmittel benutzen, in der es die angesagteste Clubszene der westlichen Welt gibt, in der osteuropäische Bauarbeiter genauso ausgebeutet werden wie auf dem europäischen Festland. Toxic muss sich dieser Insel stellen – aber da muss er zunächst noch mit seinen Gangsterkumpel aus Amerika fertig werden.

 

Christopher G. Moores Roman Der Untreue-Index erzählt die Geschichte des in Bangkok hängengebliebenen Privatdetektivs Calvino weiter, angelangt ist er in der Zeit der politischen Polarisierung der thailändischen Gesellschaft: Calvinos Sekretärin trägt den gelben Schal, geht auf Demonstrationen und will einen Massageclub, der sich neben dem Büro angesiedelt hat, wieder los werden: So schmutzig wie Masturbation ist das Hinterherschnüffeln hinter Ehebrechern nicht. Calvino selbst hat genug von Bangkok, der aktuelle Auftrag, Handel mit gefälschten Medikamenten aufzudecken, scheint ihm einen Weg nach New York und zur WHO zu ermöglichen, die einen Chefermittler sucht.

Aber der Auftraggeber stirbt und bei dessen Arbeitgeber will man von dem Job nichts wissen. Ärgerlich genug, doch dann findet er noch ein totes Mädchen in dem Massagesalon, und die Polizei wird auf ihn aufmerksam. Kurz darauf wird ihm der Kontakt zu einem italienischkochenden Frauenkreis ermöglicht, deren Teilnehmerinnen die Ehetreue ihrer Männer überprüft haben wollen. Merkwürdig wird die Angelegenheit, als sich herausstellt, dass zu dem Kreis auch die Witwe des toten Anwalts gehört, der ihn mit der Fälschungsangelegenheit beauftragt hatte.

Calvino fragt impertinent weiter und kommt langsam einem landesbekannten Geschäftsmann in die Quere, der kurz vor seinem politischen Aufstieg steht. Und damit ist Calvino auf die Abschussliste gesetzt.

 

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