Die Redaktion
Nachstehend Auszüge aus der Trauerrede von Klemens’ Schwester, Susanne Alff-Petersen.
Klemens war fünf Jahre älter als ich und acht Jahre älter als unser Bruder Lambert, wir hatten immer Kontakt, mal mehr, mal weniger, es gab schöne Zeiten und sorgenvolle.
Zunächst einiges zu Klemens’ vielschichtigem, facettenreichen und oft nicht leichtem Leben:
Klemens wurde am 16.Februar 1955 in Köln geboren. Als kleines Kind war er oft bei den Großeltern in Heinsberg, sie und unseren Großonkel, ein katholischer Priester, hat er sehr geliebt. Er wollte sogar mal Pfarrer werden.
1964 zogen wir nach München, wo Klemens das humanistische Gymnasium besuchte. 1968 ging es nach Braunschweig, wo unser Vater eine Professur erhielt. Der Rest der Familie zog 1976 nach Bremen, Klemens blieb um zu studieren.
Hier begann seine politische Aktivität. Alle männlichen Familienmitglieder gehörten verschiedenen linken Gruppierungen an, zu Hause wurde permanent diskutiert. Ich war für die psychischen Angelegenheiten und das Lebenspraktische zuständig – bis heute.
Klemens war in der Schülerpolitik engagiert und trat der trotzkistischen Gruppe Internationale Marxisten (GIM) bei. Den Trotzkisten blieb er immer treu, aber auch Trotzkisten sind nicht immer Trotzkisten, also gab es Wirrungen.
Klemens' zweite große Leidenschaft war die Musik, er begann, Schallplatten zu sammeln. Ein Großteil seines Geldes hat er in Platten investiert, und es ist eine riesige Sammlung entstanden, von der heute nur noch die Buchstaben D bis G existieren, was jedoch auch mehrere hundert Platten sind.
Klemens war immer ein großer Systematiker. Die Platten waren perfekt alphabetisch geordnet, und es durften ausschließlich original LPs und keine Sampler sein. Best-of-Schallplatten wurden mit Missachtung oder gar Widerwillen gestraft.
Über sein Studium erzählte er wenig, ich glaube, es hat ihn häufig gequält. Er war außerordentlich begabt und verfügte über ein umfangreiches, insbesondere geschichtliches Wissen. Leider schaffte er es nicht, sich den formalen Bedingungen zu stellen und die Prüfungen für das Examen zu machen.
Es folgte dann eine wohl schwere Zeit und ein Ringen um die Existenz. Schließlich ging er nach Frankfurt zum ISP-Verlag der IV.Internationale. Er arbeitete für die Zeitschrift Inprekorr, war für Übersetzungen aus dem Englischen und Layoutarbeiten zuständig. Dann kam es zu einer Spaltung der GIM. Ideologisch war Klemens auf der Seite derer, die nicht ihre Zeitung herausgaben. Für uns war diese Nachricht sehr schwierig, für Klemens war es typisch. Ideologie ging vor Existenz. Er verlor dadurch seinen Arbeitsplatz und stand vor dem Nichts.
Er zog nach Köln, wo er politische Arbeiten übernahm, jedoch nicht davon leben konnte. Zeitweise arbeitete er bei einem Umzugsunternehmen, bei dem er auch seine Sachen einlagerte, als es finanziell enger wurde und er sein Zimmer in der Wohngemeinschaft nicht mehr halten konnte. Hier knüpfte er intensive Freundschaften – das spürte ich, als ich ihn dort besuchte.
Ende der 80er zog er zu unserem Vater nach Bremen. Bis September 1992 lebten die zwei zusammen, was für beide nicht immer leicht war. Nach dem Tod des Vaters versuchte Klemens, sich eine Existenz mit dem antiquarischen Verkauf der geerbten Bücher aufzubauen. Als dies nach ein paar guten Monaten schwieriger wurde, kam er am Rembertiring unter, wo er mehr als 15 Jahre lebte. Auf engem Raum baute er sich ein eigenes Reich auf – chaotisch, systematisch und ordnungsliebend.
Ende 1996 ging es Klemens gesundheitlich sehr schlecht, als er vor Weihnachten zu mir nach Wiesbaden kam. Es war zunächst völlig unklar, was er hatte und es kostete große Mühe, ihn zum Arzt und ins Krankenhaus zu bekommen. Infolge langjährigen unbehandelten Bluthochdrucks hatte er akutes Nierenversagen. Seit Januar 1997 war er Dialysepatient, wodurch sein Leben sehr strukturiert und fremdbestimmt war. Bewundernswert trug er diese Lebenseinschränkung, ohne zu klagen. Es fiel ihm nicht leicht, die Erkrankung anzunehmen, auch hier war er der Ideologe, der keine Kompromisse um seines Vorteils willen einging. Eine Nierentransplantation lehnte er kategorisch ab – aufgrund verschiedener Berichte über Organhandel.
Nach längerer Zurückgezogenheit wurde Klemens seit etwa 2004 wieder politisch aktiv, was ihm sehr viel Zufriedenheit, Zugehörigkeit, Lebenslust und Lebensmut gab. Klemens freute es sehr, dass an seinem Krankenbett diskutiert wurde und «Verfeindete» wieder miteinander redeten und seine Krankheit so zum Zusammenhalt der Partei (DIE LINKE) beitrug.
Stets sah er die positiven Dinge und freute sich über sie – in Krisenzeiten und in den letzten Wochen seines Lebens. Schon immer empfand er sehr stark, sowohl im Positiven als auch im Negativen und war absolut integer, dickköpfig, fantasie- und humorvoll. Wir liebten es, mit ihm zu witzeln und uns kuriose Dinge auszudenken. Mit den Kindern zeichnete er verschiedenste Drachen, denen besondere Eigenschaften zugeschrieben wurden. Nicht nur sein Leben, auch er selber war facettenreich, genial und besonders.
Unsere Familie hat einen schweren Verlust erlitten, wir werden Klemens sehr vermissen – besonders am bevorstehenden Weihnachtsfest, nach 50 Jahren mein erstes Weihnachten ohne ihn.
Klemens, wir werden an dich denken, du wirst immer in unseren Herzen bleiben.
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