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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2012

Insolventem Druckmaschinenhersteller droht die Zerlegung

von Jochen Gester

Am 25.November hat Manroland einen Insolvenzantrag gestellt. Kommt es zur Schließung der drei Werke in Augsburg, Offenbach und Plauen mit je 2500, 1900 und 700 Beschäftigten, wäre dies die größte Insolvenz in Deutschland nach der Arcandor-Pleite 2009.
Das Unternehmen gehört zu 75% der Allianz-Versicherung und zu 25% dem Alteigentümer MAN. Die MAN AG hatte die Aktienmehrheit an die Investment-Sparte der Allianz abgetreten, die hoffte, die Firma schnell und profitabel an der Börse verkaufen zu können. Weil die Allianz nicht dauerhaft in das Druckmaschinengeschäft einsteigen wollte, unterblieben auch die nötigen Neuinvestitionen, die angesichts der Strukturkrise in der Branche unverzichtbar wären. Die aktuelle Krise hat die Hoffnungen jedoch zunichte gemacht, mit dem Resultat, dass die Eigentümer nun den Geldhahn zudrehten und die weitere Verantwortung an den Insolvenzverwalter abschoben.

Ursachen für die Krise

Manroland ist ein Druckmaschinenhersteller mit 140- bis 160-jähriger Tradition; mit den beiden heimischen Konkurrenten Heidelberger Druck und Bauer & König (KBA) deckt er etwa 70% des Weltmarkts im Bereich Bogen- und Rollendruckmaschinen ab. Die großen Hersteller kämpfen seit Jahren mit den Folgen technologischer Veränderungen.

Die Druckmaschinen sind kleine Meisterwerke der Handwerkskunst und kosten bis zu 20 Mio. Euro. Gekauft werden sie von großen Verlagen und Druckhäusern zur Produktion von Zeitungen, Büchern und Broschüren, Werbematerial oder Verpackungsbeschriftungen in großer Auflage. Die traditionell gut laufenden Geschäfte leiden jedoch unter der wachsenden Internetwerbung ebenso wie unter der Verbesserung der Digitaldruckverfahren.

Dazu kommt, dass die großen Zeitungsverlage erst vor wenigen Jahren bei der Umstellung auf Farbdruck ihren Maschinenpark erneuert haben und vor allem viele mittelständische Betriebe sich aufgrund der gegenwärtigen Krise mit Neuinvestitionen zurückhalten bzw. die erforderlichen Kredite nicht mehr erhalten. Der Markt hat sich seit 2006 von 7 auf 3,5 Mrd. Euro halbiert.

Vor diesem Hintergrund sind die Belegschaften der drei Marktführer seit Jahren mit Restrukturierungsmaßnahmen konfrontiert. Gegen Heidelberg wurde 2003 in Kiel mit Erfolg der erste Streik für einen Sozialtarifvertrag geführt, um eine geplante Werksschließung zu verhindern. 2009 retteten nur Staatshilfen den Branchenprimus vor der Insolvenz. Im Zuge dieser «Rettungsaktion» wurde die Belegschaft um 1500 auf 15800 Beschäftigte reduziert. Noch vor der Jahrtausendwende waren es 26000. Bei KBA gab es im Frühsommer einen sechs Wochen langen Streik gegen die geplante Verlagerung der Produktion aus dem Stammwerk in unabhängige GmbHs, was 200 Kündigungen zur Folge gehabt hätte. Am Ende standen 90 betriebsbedingte Entlassungen und die Zusage für einen Standorterhalt über fünf Jahre. Auch bei Manroland schrumpfte die Belegschaft und verzichtete in den vergangenen Jahren auf eine Reihe von tariflichen Leistungen, um zum Überleben des Betriebs beizutragen. Viel genutzt hat es nicht.

Galgenfrist 1.Februar

Der bestellte Insolvenzverwalter, Werner Schneider, soll nun vor allem Investoren suchen, die bereit sind Manroland zu übernehmen. Doch bisher gibt es wenig Hoffnung, dass ein Investor einsteigt, der das gesamte Unternehmen weiterführt. Die bisher öffentlich genannten Investoren wollen nur Teilbereiche übernehmen – etwa der chinesische Staatskonzern Shanghai Electric, der auch das US-Unternehmen Goss übernahm und 40000 Menschen unter Vertrag hat. Die Chinesen interessieren sich für das Offenbacher Werk.

Der japanische Canon-Konzern ist im Gespräch für den Erwerb des Augsburger Rollendruckwerks als Erweiterung seiner Digitaldruckmaschinensparte. Fraglich ist bei allen Optionen, wie viele Köpfe auf den Gehaltslisten bleiben und ob mit der Übernahme die Standorte auf Dauer erhalten bleiben. Am 1.Februar soll Schneider ein Konzept für eine erfolgreiche Insolvenz vorlegen. Bis zu diesem Termin zahlt die Arbeitsagentur die Gehälter. Auch die Arbeit läuft weiter, nachdem 15 Banken einen Massekredit über 55 Mio. Euro zur Verfügung stellten.

IG Metall ohne Unterstützung

Alle drei Unternehmen sind gewerkschaftliche Traditionsbetriebe und besitzen Arbeitskampferfahrungen. Vor Ort machten die Belegschaften mit ersten Demonstrationen in Augsburg und Offenbach auf ihre Situation aufmerksam. Die Aktionen waren von der Hoffnung geprägt, die bisherigen Eigentümer würden erneut in das Unternehmen investieren oder die Landesregierungen mit Stützungskrediten eingreifen. Die IG Metall sprach sich öffentlich gegen eine Zerschlagung von Manroland aus und macht sich für eine kleine Branchenlösung stark. Für dieses Vorhaben soll es einen Runden Tisch mit Heidelberg und KBA und den politisch Verantwortlichen im Bund und in den betroffenen Ländern geben. Im Ergebnis erhofft man sich ein gemeinsames Unternehmenskonzept, das die Überlebensfähigkeit der deutschen Druckmaschinenhersteller sichert.

Die Chancen für so eine Runder-Tisch-Lösung stehen jedoch bisher schlecht. Die unionsregierten Länder Bayern und Hessen haben ebenso abgewunken wie das FDP-Wirtschaftsministerium in Berlin. Und Heidelberg und KBA haben klar zu verstehen gegeben, dass sie strikt dagegen sind. Beide wollen obenauf bleiben, das Ausscheiden des Konkurrenten kann dabei sehr helfen. Die IG Metall hatte gehofft, die Konkurrenten von Manroland zur Kooperation zu bewegen, weil damit vielleicht verhindert werden könnte, dass der chinesische Investor das Knowhow der deutschen Drei in die Hand bekommt und dann mit Billigpreisen angreift. Diese Rechnung des IG-Metall-Vorstands ist bisher jedoch nicht aufgegangen.

Wo bleibt der Widerstand?

In Augsburg ließ die Augsburger IG Metall 40000 Protestkärtchen drucken: eine mit der Aufschrift «Kann man Manroland retten? MAN kann!!», eine andere mit «Hoffentlich Allianz versichert… Denn sie lassen Manroland sterben». Vor einem Werkstor von Manroland fand ein ökumenischer Gottesdienst statt, bei dem für «mehr Menschlichkeit und Güte» bei den Eigentümern gebeten wurde. Auch in Offenbach gab es eine Reihe von Aktionen mit roten Luftballons. Das bringt Farbe in den grauen Alltag und schafft gute Laune. Doch am drohenden Lauf der Dinge ändern die schönen Luftballons und viel Gottvertrauen nicht so viel. Spätestens am 1.Februar schlägt die Stunde der Wahrheit. Entweder es gibt noch einen Plan B oder die Arbeitsagenturen freuen sich über viel neue «Kundschaft».

Mit Wehmut schaut man in die Vergangenheit: Wegen der hohen Transportkosten wollte das MAN-Management 1983 die Produktion der Schiffsdieselmotoren in Augsburg dicht machen und an die Küste verlagern. Das war ein Paukenschlag. Mehr als 5000 Gewerkschafter gingen dagegen auf die Straße und sorgten für Unruhe. Das Werk blieb vor Ort. Sind dies nur Nachrichten aus einer anderen Zeit?

 

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