von Ann-Kristin Kowarsch
Rheinmetall ist Deutschlands größter Waffenhersteller, bekannt vor allem für den Bau des Panzers «Leopard». Das Geschäft mit dem Krieg boomt. Einer der besten Kunden ist die Türkei, deren Regierung Waffen von Rheinmetall bevorzugt gegen Kurden einsetzt.
Der Konzern legt auf Imagepflege großen Wert: Messestände in aller Welt, Werbeaktionen an Universitäten. Ehemalige und derzeitige Mitarbeiter berichten auf Veranstaltungen vom «offenen Klima» im Konzern und «interessanten» Geschäftsreisen. Ein «Imagevideo – Rheinmetall Air Defence» zeigt, in welcher Tradition der Düsseldorfer Konzern steht: Nahtlos reihen sich die Bilder von 1906 bis 2009 aneinander. Auf die «Kriegsromantik» des Ersten Weltkriegs und den NS-Faschismus folgen NATO-Kriege auf hoher See und in der Wüste. Zu Beginn des 21.Jahrhunderts wird Kriegstechnologie präsentiert, die einem Computerspiel gleicht. Von der Realität des Krieges, vom Leid, den Toten und der Zerstörung, welche die Produkte der Rheinmetall AG seit über 100 Jahren erzeugen, ist nichts zu sehen.
Die Geschichte
Den ersten Boom erlebte Rheinmetall im Ersten Weltkrieg: Bei Kriegsbeginn hatte der Konzern 8000 Beschäftigte, bei Kriegsende waren es knapp 48000. Ab Mitte der 30er Jahre erforschte und produzierte Rheinmetall Waffen und Munition im Auftrag des Reichskriegsministeriums und wurde in die Hermann-Göring-Reichswerke eingegliedert. Während des Zweiten Weltkriegs bereicherte sich Rheinmetall an der Ausbeutung der Arbeitskraft von ca. 300000 Zwangsarbeitern und Häftlingen im KZ Bergen-Belsen.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg ging das Geschäft im Westen weiter: Während die Betriebsstätten in der DDR enteignet und die Produktion dort auf Fotoapparate, Datenverarbeitungs- und Büromaschinen umgestellt wurde, fusionierten die Unternehmensteile in der BRD mit verschiedenen Industriezweigen und erhielten mit dem Aufbau der Bundeswehr rasch wieder lukrative Aufträge. Ab 1956 produzierte Rheinmetall das Maschinengewehr MG1 und investierte fortan in die Rüstungsforschung. Nur wenige Jahre später stieg das Unternehmen in die Produktion schwerer Waffen, Kampfpanzer, Artillerie und Kriegslogistik ein.
Ab den 90er Jahren fand eine Restrukturierung statt. Der «Strategie der klaren Linie» entsprechend, die der Vorstand der Rheinmetall AG im Jahr 2000 bekannt gab, kamen zu Wehrtechnik und Rüstungsproduktion weitere Schwerpunkte hinzu, nämlich die «zivile» Produktion im Bereich der Automobiltechnik und Elektronik – wobei die Übergänge zwischen «ziviler» und «militärischer» Forschung und Produktion fließend sind. Der Unternehmensbereich Rheinmetall Defence reicht nun von Militärfahrzeugen wie Panzern, Minenräum- und ABC-Schutzsystemen über die Fertigung von Munition und «Intelligenten Wirksystemen» bis hin zur chemischen Industrie, Verteidigungselektronik und Flugabwehr.
Ein weiteres Geschäftsfeld hat sich für den Konzern im Bereich der «Unmanned Aerial Vehicles» (UAV, unbemannte fliegende Objekte) aufgetan. So entwickelte Rheinmetall zusammen mit dem israelischen Rüstungskonzern IAI eine Drohne vom Typ «Heron 1» und «Heron TP». Sowohl in Afghanistan und im Gaza-Streifen als auch im Krieg der türkischen Armee in Kurdistan werden diese Drohnen zur «punktgenauen Bekämpfung stationärer und beweglicher Ziele» eingesetzt.
Größter deutscher Rüstungskonzern
Damit ist die Rheinmetall AG heute der größte Rüstungskonzern Deutschlands und der achtgrößte Europas. Während viele Wirtschaftsbranchen über Gewinnverluste und die sog. Wirtschaftskrise klagen, brauchen sich Rüstungskonzerne wie Rheinmetall darüber keine Sorgen zu machen. Das Geschäft mit dem Tod läuft auf Hochtouren. Der Konzern hatte ankündigt, dass er seinen Rüstungsumsatz um mehr als 60% steigern werde – von 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf 3 Milliarden Euro im Jahr 2013. Diese Prognose scheint sich zu bestätigen.
Im Rahmen des «Standortkonzeptes» und der Bundeswehrreform ist auch die Bundesregierung bei der Profitsteigerung behilflich. In den Rüstungshaushalt wird weiterhin kräftig investiert. Rheinmetall stellte deshalb zufrieden fest: «Insofern findet die Entwicklung sinkender Budgets in einigen westlichen Industriestaaten in Deutschland keine Entsprechung.» Die Commerzbank prophezeite der Rheinmetall-Aktie mittelfristig einen Kursanstieg um 50%. So stellte die Unternehmensleitung in einer Pressemitteilung vom 3.November ein «Rekordergebnis – Zweistelliges Wachstum bei Umsatz und Ertrag» nach den ersten drei Quartalen des Jahres 2011 fest, wobei sich der Anteil der Auslandsumsätze leicht auf 71% (Vorjahr 69%) erhöht habe und die Sparte Defence (Verteidigung) einen Zuwachs von 66 Mio. Euro bei den Aufträgen und 106 Mio. Euro (8%) beim Umsatz im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen konnte.
Rheinmetall unter Anklage
Bereits in den 80er Jahren war Rheinmetall wegen illegaler Waffengeschäfte in die Schlagzeilen geraten und angeklagt worden. Der Konzern hatte Waffen illegal in Länder wie Argentinien, Südafrika und Saudi-Arabien exportiert und die Geschäfte, um sie zu tarnen, über Drittstaaten abgewickelt. Im Juni 1978 wurde erstmals wegen des Verdachts falscher Endverbraucher-Angaben bei Waffenexporten gegen den Konzern ermittelt, doch der Prozess begann erst im Januar 1986. Schon damals bemühte sich die Bundesregierung um die Verteidigung des Konzerns und wollte eine «Lex Rheinmetall» durchsetzen, welche die Strafen für Verstöße gegen das Kriegswaffenexportgesetz um die Hälfte verringern sollte. Das Gesetzesvorhaben konnte durch den Protest von Friedensgruppen und Medien verhindert werden, doch die angeklagten Manager profitierten von der Prozessverschleppung: ihre Verbrechen «verjährten».
Rheinmetallkunde Türkei
Ein wichtiger Stammkunde der Rheinmetall AG ist die türkische Armee – die Türkei ist mit 15,2% der wichtigste Abnehmer von deutschen Rüstungsexporten. Die Standardwaffe der türkischen Soldaten, das MG-3-Maschinengewehr, wird von Rheinmetall aktuell in Lizenz bei der MKEK direkt in der Türkei produziert. Auch an der Produktion und dem Export der Kampfpanzer «Leopard 1» und «Leopard 2» ist Rheinmetall beteiligt. Seit den 90er Jahren werden diese Waffen im Krieg gegen die kurdische Bevölkerung eingesetzt.
Damals verbreitete die deutsche Presse Fotos, auf denen zu sehen war, wie die türkische Armee Leopard-2-Panzer bei Angriffen gegen die kurdische Bevölkerung einsetzte. Während deutsche und türkische Regierungssprecher die Öffentlichkeit zu beschwichtigen suchten, deutsche Waffen würden an die Türkei nur zur äußeren Verteidigung im Rahmen der NATO-Partnerschaft geliefert, berichteten Zeugen es anderes: Bei Dorfzerstörungen und Angriffen auf Demonstranten wurden immer wieder Leopard-2-Panzer eingesetzt. Um die Bevölkerung einzuschüchtern, band man tote kurdische Freiheitskämpfer mit einem Strick an die Panzer und schleifte sie durch die Gegend. Im März 2010 versprach Bundeskanzlerin Merkel erneut, weitere 56 Panzer des Typs «Leopard 2» an die Türkei zu liefern.
Auf Befehl der türkischen Regierung wurden am 22.Oktober 2011 in der Region Hakkari-Çukurca 36 Guerillakämpfer durch chemische Waffen ermordet; ihr Aufenthaltsort war mit Hilfe der Drohne «Heron», die von Rheinmetall mitentwickelt wird, festgestellt worden. Bei der Operation, die vom türkischen Generalstabschef Necdet Özel persönlich kommandiert wurde, kamen neben Napalmbomben auch andere chemische Kampfstoffe zum Einsatz, die vom internationalen Kriegsrecht verboten sind. An den Leichen der Guerillakämpfer wurde der Einsatz chemischer Waffen zweifelsfrei festgestellt, zudem wurden ihre Körper verstümmelt.
Proteste
Am 8.November 2011 besetzten rund 30 deutsche, türkische und kurdische AntimilitaristInnen die zentrale Geschäftsstelle von Rheinmetall in Düsseldorf, um gegen die Rüstungsexporte und die deutsche Unterstützung für die Verschärfung des Krieges in Kurdistan zu protestieren. Seit August 2011 bombardiert die türkische Luftwaffe ununterbrochen Ziele in Südkurdistan (Nordirak) und betreibt Militäroperationen in Nordkurdistan (Türkei). Die Protestierenden konfrontierten Mitarbeiter der Rheinmetall AG in Düsseldorf mit Fotos von Menschen, die erst wenige Tage zuvor mit Giftgas und Panzern von der türkischen Armee ermordet worden waren. Auf Transparenten und mit Parolen forderten sie vor und im Gebäude des Rüstungskonzerns die Einstellung der Waffenproduktion und des Rüstungsexports in die Türkei.
Die Kurdische Fraueninitiative «Stoppt den Krieg, stoppt die Rüstungsexporte!» hat zu der Aktion erklärt: «Als Frauen klagen wir die Verantwortlichen für die Massaker an und stellen uns allen Rüstungskonzernen und politischen Kräften entgegen, die von Krieg und Verbrechen profitieren!»
Die Autorin engagiert sich zu frauenpolitischen Themen und schreibt gelegentlich als freie Journalistin für junge Welt, die kurdische Frauenzeitung Newaya Jin u.a. Zeitschriften. Weitere Informationen auf www.ceni-kurdistan. com und auf www.ag-friedensforschung.de.
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