von Tom Hayden
In den letzten zehn Jahren war der Autor skeptisch bezüglich eines möglichen Krieges mit dem Iran. Die potenziellen Kosten überwogen den Nutzen. Nun, da das Wahljahr 2012 seinen Lauf nimmt, bin ich nicht sicher. Die politischen und geopolitischen Dynamiken unterstreichen ein steigendes Kriegsrisiko.
Barack Obama will keineswegs einen Luftangriff gegen den Iran – weder geführt von den Israelis noch von amerikanischer Seite noch von den Israelis mit amerikanischer Unterstützung. Obama kann nicht noch einen Krieg gebrauchen – mit unbekannten Kosten und Konsequenzen.
Präsidenten sind jedoch nicht allmächtig und Obama könnte gezwungen sein, seine Zustimmung zu einem Krieg zu geben, wenn es keine signifikant stärkere öffentliche Opposition dagegen gibt. Trita Parsi, Direktorin des National Iranian American Council sagte am 12.Januar gegenüber DemocracyNow, einem täglichen TV- und Radioprogramm im Internet: «Wir könnten sehr wohl in eine Situation geraten, in der die Dynamik der Ereignisse die Regierungen kontrolliert, statt umgekehrt ... das könnte in einen richtigen Krieg ausarten.»
Die Dynamiken
Es gibt verschiedene Dynamiken auf verschiedenen Ebenen.
Erstens haben die israelische Regierung und die mächtige Israel-Lobby [in den USA] bei ihrer Einschätzung der arabischen Revolution in Ägypten und darüber hinaus große Sorge, dass die Zeit gegen sie arbeitet. Sie sehen in den diplomatischen Bemühungen der Palästinenser um ihre Anerkennung durch die UNO eine tödliche Gefahr und haben alles nur Mögliche getan, um Obama zu drängen, dass er mit einem Veto gegen den palästinensischen Antrag droht. Das war eine Überreaktion, die den amerikanischen Interessen zuwider lief und die Obama-Regierung ziemlich vom Rest der Welt isolierte. Die Androhung eines Vetos spielte all denen in der palästinensischen und islamischen Welt in die Hände, die glauben, dass der bewaffnete Kampf der einzig mögliche Weg ist.
Zweitens weiß die israelische Lobby bereits, dass Obama zuhause, was diese Fragen anbelangt, isoliert ist, zumindest im Kongress. Unter diesem Druck ist Obama von seiner Forderung abgerückt, den Siedlungsbau zu beenden. Progressivere Berater wie Chas Freeman oder George Mitchell wurden entweder aus ihren Positionen gedrängt oder haben frustriert abgedankt.
Drittens waren die Iraner nicht sehr behilflich, falls sie das jemals sein wollten. Sie bestärken immer wieder diejenigen, die sie als irrationale, instabile, fundamentalistische und theokratische Extremisten darstellen. Jedwede Vorstellung, sie könnten rationale Akteure in einer anhaltenden Krise sein, entpuppt sich als Torheit. Diese Krise begann mit der Beseitigung ihrer demokratischen Regierung durch die USA im Jahr 1954 und setzt sich heute täglich fort mit der erneuten Drohung mit einem Regimewechsel – in einer Situation, in der die Israelis zuhauf Nuklearwaffen haben, die sie bereit sind einzusetzen.
Viertens – und das ist zur Zeit am wichtigsten – benutzt die israelische Lobby die Republikaner als trojanisches Pferd. Mitt Romney ist ein ehemaliger Geschäftspartner von Israels Staatspräsident Benjamin Netanyahu. Und wenn die Romney-Netanyahu-Allianz nicht klappt, gibt es immer noch Newt Gingrich, der die Palästinenser als «erfundenes Volk» bezeichnet, um noch mehr Millionen von seinem Hauptfinancier Sheldon Adelson zu ergattern, der in Las Vegas Casinos betreibt und ein enger Verbündeter Netanjahus ist.
Adelson behauptet, dass die Palästinenser kein historisches Recht haben, einen Staat zu bilden. Gerade hat er Newt Gingrich mit einer 5-Millionen-Dollar-Spritze bei den Vorwahlen in South Carolina gerettet – zusätzlich zu den Millionen, die er ihm schon zuvor gespendet hatte: Allein im Jahr 2006 gab er den Gingrich-Komitees 7 Millionen Dollar. Adelson hat in diesem Monat nicht nur Gingrich gerettet, seinen freien Zeitung in Israel wird nachgesagt, dass sie auch Netanyahu gerettet haben.
Fünftens hat Matthew Kroenig in der jüngsten Ausgabe des US-Magazins Foreign Policy unter dem Titel «Time to Strike Iran» (Zeit, den Iran anzugreifen) eine weitere Begründung geliefert. Koenig war bis letzten Juli Obamas Sonderberater für den Iran im Pentagon.
Die Kriegstreiber
Für Kroenig ist die am wenigsten schlechte Variante die, wenn die USA, und nicht Israel, den Iran angreifen. Er meint, das Ziel sollte nicht «Regime change» sein, sondern lediglich die vorsichtige Zerstörung der nuklearen Standorte. Er versichert, ein Angriff auf die Nuklearanlagen in Natanz mit einer 30000-Pfund-Bombe, die Bunker durchschlägt, könne so vorsichtig durchgeführt werden, dass Teheran darauf nicht mit der Schließung der Strasse von Hormus oder mit einem Raketenangriff auf europäische Städte reagieren wird. Die USA sollten dem Iran versichern, dass Amerika kein Interesse daran hat, seine Regierung zu stürzen, sondern lediglich daran, seine Anlagen zu zerstören.
Das klingt gut. Aber wenn die USA jetzt schon die iranische Führung als irrational bezeichnen, warum sollte Teheran dann vernünftiger werden, nachdem Natanz, Isfahan und Arak sowie Anlagen für den Bau von Zentrifugen in der Nähe von Teheran angegriffen wurden (die Liste dieser Ziele stammt von Kroenig)?
Mit fortschreitendem Präsidentschaftswahljahr wird Obama von Romney oder Gingrich zunehmend unter Druck gesetzt werden, gestützt von den Neocons und israelischen Falken, flankiert von Kommentaren in den Massenmedien über Irans angeblich drohenden Absichten. Und ganz im Hintergrund lauern die Sorgen über die Öllieferungen durch die Straße von Hormuz.
Wer wird Obama gegen diesen Druck stützen, besonders wenn er seine Wiederwahl dadurch gefährden könnte? Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine ernsthafte organisierte Opposition, obwohl die öffentliche Meinung auf seiner Seite ist.
Es mögen zwar 200 Abgeordnete gegen den Irak und Afghanistan sein, aber nur wenige sind dagegen, den Irak anzugreifen. Die Medien bevorzugen Sanktionen und diplomatischen Druck, werden sich aber nicht gegen eine militärische Intervention wehren. Die humanitären Falken wollen einen «Regime change». Russland, China und die UN-Generalversammlung zählen nur wenig bei amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Da bleibt nur Ron Paul, der sich als republikanischer Präsidentschaftskandidat bewirbt, und einige Protestierende ohne Geld.
Die Implikationen für die nationale Sicherheit und die Diplomatie sind womöglich zu groß, um eine US-israelische Intervention zuzulassen. Rationales Eigeninteresse ist jedoch nicht immer genug, um das zu verhindern, was Barbara Tuchman den «Marsch in den Wahnsinn» genannt hat.
Lediglich eine ernsthafte Kampagne kann verhindern, dass Obama den Neocons dieselben Zugeständnisse macht, die auch zu den Kriegen in Irak und Afghanistan geführt haben. Vielleicht sollte die Geistlichkeit sie anführen, die intellektuellen Experten sich engagieren und die Friedensbewegungen an der Basis in Israel und den USA einen ernsthaften Dialog in den jüdischen – und allen anderen – Gemeinden führen, damit Vernunft gegen den Extremismus die Oberhand behält.
Andernfalls wird das Bellen, das wir in diesem Jahr zu hören bekommen, das Bellen der Kriegshunde sein.
Quelle: www.zcommunications.org/ contents/183926/print
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