von Helmut Born
Im letzten Jahr hat Martin Kempe, ehemals Chefredakteur der Ver.di-Zeitschrift Publik, in einem Essay die Geschichte der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft aus seiner Sicht zu Papier gebracht. Dabei hat er einen gut lesbaren Text geschrieben. Dass ihn eine sehr spezielle Sicht darauf leitet, verwundert nicht. Allerdings sieht er manches zu positiv.
Und trotz mancher kritischer Passagen gibt es Fragen, z.B. zu der gescheiterten DGB/BDA-Initiative zur Tarifeinheit und der Rolle von Ver.di darin, zu denen er lieber schweigt. Zehn Kapitel führen von der, wie er es nennt, euphorischen Gründung im März 2001 in Berlin bis zu den ernüchternden Ergebnissen ihrer Entwicklung und dem Bundeskongress im September 2011. Über Fehleinschätzungen bei der Gründung und darüber, wie auch die konkrete Politik des Vorstands dazu beigetragen hat, dass Ver.di in diesen zehn Jahren rund ein Drittel ihrer Mitglieder verloren hat, gibt es allerdings kaum etwas.
Keine Zeile dazu, dass Ver.di schon 2003 bei der Post einen Absenkungstarifvertrag für alle neu Eingestellten unterschrieben hat. Kein Wort darüber, dass der neue Tarifvertrag öffentlicher Dienst vielfach Lohnsenkung bedeutet und eine neue Niedriglohngruppe eingeführt wurde. Kein Wort dazu, dass in vielen Bereichen – ohne konsequenten Kampf – die Arbeitszeit erhöht wurde. Dennoch bleibt Ver.di, da hat Martin Kempe recht, eine Chancengewerkschaft, die es immerhin ermöglicht, oft sehr fruchtbare und interessante Diskussionen zu führen. Ob dies reicht, ihre mangelnde Mobilisierungs- und Durchsetzungsfähigkeit abzustellen, bleibt eine Frage, die zu beantworten für Ver.di «über»lebenswichtig sein wird.
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